NS-Verbrechen in der Gegenwartsliteratur: „Was aus dieser Zeit herausapert …“
Die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes stellt in der jüngsten Gegenwartsliteratur nach wie vor eine feste thematische Konstante dar. Eva Menasse und Didi Drobna beschäftigen sich in ihren Romanen mit besonders grauenvollen Kapiteln der Vergangenheit.
Die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes stellt in der jüngsten Gegenwartsliteratur nach wie vor eine feste thematische Konstante dar. Eva Menasse und Didi Drobna beschäftigen sich in ihren Romanen mit besonders grauenvollen Kapiteln der Vergangenheit.
„In Dunkelblum wissen die Einheimischen alles voneinander, und die paar Winzigkeiten, die sie nicht wissen, die sie nicht hinzuerfinden können und auch nicht einfach weglassen, die sind nicht egal, sondern spielen die allergrößte Rolle.“
Ein fiktives Städtchen steht in Eva Menasses Roman „Dunkelblum“ symbolisch Modell für das Verschweigen und Vertuschen alter Verbrechen. Das nie aufgeklärte Massaker an ungarisch-jüdischen Zwangsarbeitern in der Endphase des Zweiten Weltkriegs, das in Rechnitz verübt worden ist, dient Menasse darin als historische Folie. Neben diversen filmischen Rezeptionen hat unter anderen auch Elfriede Jelinek 2008 eine Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels nationalsozialistischer Vergangenheit mit ihrem Theaterstück „Rechnitz (Der Würgeengel)“ angestoßen.
Menasse nähert sich dem Thema neu und belichtet, wie sie selbst sagt, „die tektonischen Verschiebungen […] zwischen 1938 und 1989“. Im Brennpunkt steht nicht das Massaker selbst – im Feuilleton wurde dies mitunter kritisiert –, sondern die vergebliche Suche nach dem Massengrab und den Schuldigen, die sich als äußerst schwierig gestaltet. Auch wenn die Tat selbst ein leeres schwarzes Loch bleibt, fließen alle Fragen zum Verbrechen zurück, zum Bemühen, den verstockt Schweigenden und teilweise noch immer antisemitisch agierenden Einwohnern die Wahrheit zu entlocken.
Bewegte Familiengeschichten
Dunkelblum hat Menasse in der Nähe der ungarischen Grenze angesiedelt. Sein Schweigen gilt als weiterer Modus im Umgang mit der Vergangenheit, neben dem Festhalten an der Geschichtslüge. Menasse geht in ihrem breit angelegten epochalen Roman bewegten Familiengeschichten nach. Präzise fügt sie in akribischer Kleinarbeit historische Entwicklungen bis nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zusammen. Noch immer erinnert eine Tempelgasse an den jüdischen Teil der Bevölkerung, der von den Nazis brutal vertrieben worden ist.
„Die Frage, ob es das Böse wirklich gibt, in einer reinen, sich selbst ernährenden Form“, führt hier ins Leere. In Dunkelblum kulminiert die Gewalt in Horka, der mordet, wütet, vergewaltigt, ein Lager befehligt und als „Kampfmaschine“ für den Gauleiter-Stellvertreter Ferbenz agiert. Beim Massaker an den Zwangsarbeitern soll er nach dem rauschenden Fest im später in Brand gesteckten Schloss eine tragende Rolle gespielt haben. Kurz nach dem Einmarsch der Russen wird er mit gefälschten Papieren Polizeichef und hilft beim Ergreifen ihm missliebiger Dunkelblumer. Sein „Schreckensregime“ endet erst zwanzig Jahre nach dem Krieg mit seinem plötzlichen Untertauchen. Zeitgleich kehrt Ferbenz zurück, als „ein Mann von Welt“, und lebt hier völlig unbehelligt und integriert, als wäre nichts gewesen.
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