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QUERSCHNITTE

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Hoffentlich — krank

Die Geschäftsführung eines Wiener Unternehmens, das statutengemäß einen sozialen Charakter hat, ist mit seinem Betrieb in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Der Vorstand handelt nach dem billigen Rezept: Herabsetzung der Personallasten. Er kündigt. Nach „sozialen Gründen“, selbstverständlich, denn er vertritt (siehe eingangs) ein sozial ausgerichtetes Unternehmen. Zuerst, sagen die Herren, nehmen wir die „Doppelverdiener“. Die zwei Berufe haben? Nein, die so vorwitzig waren, eine verdienende Frau zu ehelichen und noch Kinder zu haben. Weg damit!

Wie man hört, schriftstellert dieser Mann sogar. Wie, er hat zum Trakl-Preis von Oesterreich eingereicht? Wie, er schreibt zuweilen für Zeitungen? Nun, da hat er sicher Aussichten auf Unsterblichkeit! Weg damit! Mit dem Manne natürlich. Da wir aber bei der Sterblichkeit sind: Wie, der Mann ist doch seit den Kriegstagen zuweilen kränklich? Könnte man nicht — wie man kann? So: Man wendet sich mit einem offiziellen Schreiben (von dem der Angestellte nichts weiß, ja der Adressat sogar gebeten wird, darüber zu schweigen) an den Arzt, der den zum Abbau Ausersehenen behandelt. Man teilt ihm den ganzen Sachverhalt breit mit und ersucht zu helfen. Wie, dem Patienten? Zuletzt auch, gewiß, es geschieht alles ja nur für ihn. Also, der Arzt soll nach Möglichkeit unterstützend eingreifen, wenn man versuchen werde, den Angestellten „krankheitshalber“ abzubauen. Ob er eine Rente bekommen könne? Hochachtungsvoll gezeichnet. Alle Hochachtung!

Es wäre wirklich von Interesse, was erstens die Angestelltenversicherungsanstalt dazu sagt, unternehmliche Verantwortung „sozial auf die Allgemeinheit zu überwälzen; zweitens, die Aerztekammer dazu meint, und drittens, der Oesterreichische Gewerkschaftsbund, Sektion Angestellte in der Privatwirtschaft, dazu sagt?

„Hoffentlich — gesund!“ würden wir gerne hören!

Blutrache ?

Kurz das Vorgefallene: In der steirischen Gemeinde Granitzen bei Obdach brennt ein Landwirt B. (Bürgermeister a. D.) Kartoffelkraut ab, ohne die Feuerwehr davon zu verständigen. Diese rückt aus, weil sie Fehlalarm bekommen hat. Der Landwirt sieht sie kommen, verzieht sich in den Stall. Sagt nichts. Auf stürmische Vorhalte: er könne nach dem Gesetz Kartoffelkraut abbrennen, so lange es ihm passe und es sei gar nichts ,dabei, wenn die Feuerwehr ausrücke, sie werde ohnedies von der Gemeinde bezahlt. Seine Tochter sei heute in Obdach gewesen und hätte das Abbrennen des Kartoffelkrautes melden können, er habe dies aber gar nicht für notwendig erachtet.

Soweit die etwas kategorische Antwort des Bürgermeisters a. D, die er den wackeren, Pumpenaggregat und Schläuche den steilen Berg heraufschleppenden Gehilfen St. Florians entgegenhielt. Bedarf wohl keines Kommentars.

Wohl aber die Aeußerung in der „Murtaler Zeitung“ vom 8. Mai: „Eine derartige freche Behandlung braucht sich die Obdächer Feuerwehr wirklich nicht bieten zu lassen und wird übrigens gut daran tun, sich den

Herrn Bürgermeister a. D. gut zu merken, falls es bei ihm einmal wirklich (Sperrung nicht von uns) brennen sollte."

Nein! (Sperrung von uns.) Die Feuerwehr ist eine gemeinnützige Hilfsinstitution, in der Privatfehden wirklich keinen Platz haben. Oder will die Obdächer Feuerwehr „im Ernstfälle“ den Herrn Bürgermeister a. D., auch wenn sie vielleicht guten Grund hat auf ihn böse zu sein, wirklich abbrennen und mit den Händen in den (Uniform-) Hosentaschen Zusehen?

Als „Rache für Granitzen"?

St. Florian, verhülle dein Soldatenantlitz!

Rettung aus dem Schiffbruch

Zehntausendeinundachtzig Menschen — so meldeten die „Deutschen Kommentare“ — hat die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger seit ihrer Gründung im Jahre 1865 aus Seenot oder unmittelbarer Lebensgefahr gerettet. Diese sachliche, schlichte Meldung wirft ein erschreckendes Schlaglicht auf die ungeheuerliche Absurdität unserer Zeit. Zehntausend Menschen — nein, wir dürfen in diesem Falle die 81 darüber wirklich nicht unterschlagen — wurden durch den völlig selbstlosen, todverachtenden. Einsatz einer kleinen Schar hilfsbereiter Mitmenschen innerhalb beinahe neunzig Jahren dem Tode entrissen und dem Leben wiedergegeben. Das entspricht der Einwohnerzahl einer mittleren Kleinstadt und ist um vieles weniger als die Besucherzahl eines sensationellen Fußballspieles in einem großstädtischen Sportforum. Im Grunde genommen also ein winziges Häuflein in fast hundert Jahren. Aber in was für einem Jahrhundert! Vier, wenn man die Balkanfehden mitzählt, sechs europäische Kriege haben in ihm getobt, deren zwei letzte Millionen Leben sinnlos vernichtet haben. Was bedeuten dagegen zehntausend und achtzig und eins? Nichts weniger und nichts mehr als die Rettung der Menschlichkeit! Während man sich an mehreren Orten der Erde bemüht, die atomaren Kräfte in den Dienst des Machtwahnes zu stellen und die bequemste und sicherste Methode ausfindig zu machen, wie man mit einem einzigen Hebeldruck Hunderttausende vernichten kann, ringen einige wenige, bei ihrem Rettungswerk selbst vom Tode bedroht, den aufrührerischen Elementen Leben um Leben ab. Aberwitzig-groteske Situation, der Zeichenfeder eines Goya würdig. Dennoch haben die wenigen recht. Sie tragen in einer Zeit der Vermassung die Fackel echter, phrasenloser Menschlichkeit, in deren Schein das Einzelleben wert und wichtig ist. Wenn ihr Beispiel Schule machte, wäre die Welt aus dem großen Schiffbruch zu retten.

Rakösis Leutnant

Das ist wohl ein Druckfehler, wie der Leser richtig vermuten wird, aber kein sinnstörender, wie wir hinzüfügen möchten. „Räköczis Leutnant“ ist’ eben „Räkosis Leutnant“, geschaffen und dazu bestellt, zwischen Ungarn und dem Westen Zwietracht zu säen, Gräben aufzureißen. Und so entstand, „schnurrbartstreichend“ und malerisch bekleidet, der Zwillingsbruder des bekannten neuen ungarischen Markenbildes: der Filmheld Jänos Bornemisza — weil man ganz ohne Vergangenheit nicht auskommen kann: Träger eines bekannten ungarischen Adelsnamens. Bezüglich des Inhaltes des Streifens geben wir kommentarlos der hierfür zuständigen Zeitschrift „Neues aus Ungarn“ das Wort:

„Die Kirchenglocke des kleinen Dorfes, das in dem seit vier Jahren dauernden Krieg immer wieder von den Kaiserlichen gebrandsehatzt wurde, läutet Alarm. Erschreckt flüchten die Dörfler vor den herannahenden Söldnern. Aber auch die in der Nähe herumstreifenden Kuruczen, die Freiheitskämpfer. Räköczis, hören das wilde Glockengeläute und brausen auf ihren Pferden zur Hilfe herbei. Säbel blitzen, es gibt einen heftigen Kampf gegen den gehaßten Feind, und die Labanczen, die kaiserlichen Söldner, rennen kopflos davon."

Dieser Ankündigung fügt das Blatt ein bezeichnendes Bildchen, eine flott gezeichnete Karikatur bei. Hoch zu Roß wendet sich der Drehbuchautor — das wohlgenährte Antlitz und die Brille passen nicht ganz zu Dolman und Krummsäbel — zu den Komparsen: „Wir stehen vor einer schweren Schlacht, Kameraden: Jetzt kommen die Kritiker.“ m Welch letzteren wir uns mit diesen Zeilen anreihen.

Ein ungeschriebenes Gesetz

Ein ungeschriebenes Gesetz verlangt, daß Glossen, sich als hieb- und stichfest erweisen müssen. Zu unserem gleichnamigen Querschnitt, der an dieser Stelle vor vierzehn Tagen erschienen ist, möchten wir grundsätzlich festhalten, daß eine besondere Schwierigkeit darin besteht, statt- gefunde Gespräche zu rekonstruieren und in allen Punkten einwandfrei wiederzugeben. Da kann es mitunter geschehen, daß der Gesprächspartner feststellen muß, daß er entweder mißverstanden wurde oder seine Aeußerungen unrichtig wiedergegeben wurden. So mußte der in Frage kommende Ordinarius der Philosophischen Fakultät der Wiener Universität feststellen, daß er sehr wohl auch für die neuere Literatur zuständig ist und dem bei ihm in der Sprechstunde erschienenen Studenten, lediglich mit Rücksicht darauf, daß an der Wiener Universität eine eigene Lehrkanzel für österreichische Literaturgeschichte besteht, geraten hat, sich mit dem Vertreter dieser Lehrkanzel — dessen Ernennung, wie wir hören, unmittelbar bevorsteht — ins Einvernehmen zu setzen. Die Redaktion bedauert, daß in dem betreffenden Querschnitt (Folge 20 der „Furche“) die Stellungnahme des in Frage stehenden Universitätsprofessors ungenau wiedergegeben wurde.

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