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Nur ein Journalist

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Am vergangenen Sonntag vereinigte der festliche Rahmen des Burgtheaters höchste Repräsentanten unseres Staates, der Kirche und des Kulturlebens mit österreichischen Journalisten und Schriftstellern, um des 100. Geburtstages des Wiener Journalisten- und Schriftstellervereins „Concordia“ zu gedenken und gleichzeitig die Vorstellung dieser nach zwanzigjähriger Unterbrechung wieder ins Leben gerufenen und geistig erneuerten Organisation entgegenzunehmen. Die Feierstunde, die nicht zuletzt durch eine über die konventionellen Begrüßungsworte weit hinausgehende Rede des Bundespräsidenten an die österreichische Presse und durch die Ausführungen des Unterrichtsministers den Charakter eines Staatsaktes annahm, könnte eine Wendemarke in den Beziehungen Presse—Staat—Gesellschaft in Oesterreich darstellen. Eine Selbstbesinnung der Journalisten auf das Wesen ihrer Aufgabe im Oesterreich der Gegenwart ist dazu ebenso notwendig wie die Erkenntnis und das Verstehen bei allen zuständigen Stellen für die notwendigen Voraussetzungen einer gedeihlichen Arbeit dieses für die Allgemeinheit doch nicht ganz uninteressanten Berufsstandes — mögen seine Angehörigen auch die Zahl Tausend wenig überschreiten.

Und das ist ihr Fluch inmitten einer von Mammutorganisationen und ihren „Pressure groups“ bestimmten Gesellschaft der Gegenwart. Damit aber haben wir schon den Finger auf die wundeste Stelle gelegt. Es ist ein offenes Geheimnis — warum soll es nicht einmal ausgesprochen werden —, daß der Beruf des Journalisten heute, verglichen mit der Zeit von 193 8, politisch, gesellschaftlich und auch materiell stark abgewertet ist. Der Journalist, auch der Parteijournalist: das war in der Ersten Republik oder gar in der Monarchie der gute Freund des Politikers. Mitunter freilich auch ein kritischer Freund. Aber das hat weder der Politik noch dem Journalismus geschadet. Im Gegenteil. Heute zieht man es gerne vor, mit einem Telephonanruf zu erledigen, wozu man einst sich in einer Aussprache bemühen mußte. Der Befehlsempfänger hat vielfach den selbständig denkenden Freund abgelöst Wo das nicht so einfach geht, wittert man bei jedem freimütigen Wort, bei jeder eigenständigen Meinung Mißgunst und Verrat. Die materielle Situation! Warum darüber schamhaft schweigen? Der Journalist zählt hierzulande zu den Stiefkindern des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs. Jahrelang haben die Journalisten in bewegten Worten Klage über die untragbare Entlohnung unserer Hochschullehrer geführt. Das positive Ergebnis blieb nicht aus. Auch der materiellen Konsolidierung des Beamtenstandes liehen sie ihre Feder. Mit Erfolg. Für sich selbst waren sie nicht so tüchtig. Die Bemühungen der Journalistengewerkschaft sollen nicht geschmälert werden. Ihnen sind verhältnismäßig gute Startbedingungen im Beruf des Journalisten zu danken. Dann aber ist es bald aus. Und das Gehalt eines zehn oder zwanzig Jahre an verantwortlicher Stelle wirkenden Redakteurs steht, nach dem Buchstaben des Kollektivvertrages, in keinem Verhältnis zu den Bezügen eines Anfängers. Vergleiche mit Journalistenbezügen vor 1938 machen dies erst drastisch deutlich. Von schweren Schatten aber ist vor allem das Alter des Journalisten umdüstert. Gewiß: er wird nicht verhungern. Dafür sorgt das ASVG Damit aber hat es seine Bewandtnis Nach dem gegenwärtigen Stand bedeutet Abschied vom Beruf

Deklassierung und soziale Demütigung. Und die demoralisierende Wirkung solcher Aussichten! Schon heute können wir feststellen, daß Journalisten in gewissen Jahren dem Drang zur „sozialen Rückversicherung" nur schwer widerstehen können. Eine beamtete Funktion, womöglich mit Pensionsberechtigung — und der lange Jahre streitbare Geist wankt, schwankt, kapituliert. Das ist gewiß nicht heroisch. Aber wer will, inmitten einer Umwelt, die ganz anderen Prinzipien huldigt, ausgerechnet vom Journalisten das Gelübde freiwilliger Armut am Lebensabend fordern? Deswegen wird es eine vordringliche Aufgabe der neuen „Concordia“ sein, ein würdiges Alter für die Männer der Feder zu sichern,

Damit aber kann es nicht seine Bewandtnis haben. Neben dem materiellen muß auch das geistige Nachziehverfahren im Journalistenberuf Hand in Hand gehen. Auch hier liegen Aufgaben für die neue Organisation mit dem verpflichtenden Namen. Ein enger Zunftgeist ist nicht Sache der Journalisten. Auch Presseakademien und ähnliche Institute sind nicht der Nährboden eines lebendigen Journalismus. Wohl aber muß es möglich sein, einem unkodifizierten Ehrenkodex wieder allgemeine Gültigkeit und — wenn notwendig — auch Respekt zu verschaffen. Rigorose Aufnahmebestimmungen sind wünschenswert, lieber allen negativen Maßnahmen steht aber immer noch das positive Beispiel. Deshalb sei die jährliche Verleihung eines nicht zu gering dotierten „Concor- dia"- Preises vorgeschlagen. Für eine mutige journalistische Tat. vollbracht in anständiger Gesinnung, geschrieben in einem einwandfreien Deutsch — gleichgültig, ob „oben“ gelegen oder ungelegen.

Damit das Wort „Journalist" wieder ein Synonym werde für politisches Verantwortungsbewußtsein, menschliche Anständigkeit und persönlichen Mut. Man kann nicht sagen, daß es für diese Eigenschaften in Oesterreich keinen Bedarf gebe.

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