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Randhemer hungert ZUR WOCHE

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EINE ERFREULICHE INITIATIVE hat die Journalistengewerkschaft ergriffen Sie will nicht länger tatenlos Zusehen wie journalistische Fairneß und die Trennung zwischen Sache und Person bei den übermäßig erhitzten Pressefehden — die letzten Wochen boten hiezu genügend Anschauungsmaterial — außer acht gelassen werden. Man erinnert daran, daß es einen „Ehrenrat“ der Journalistengewerkschaft gibt, der bei unqualifizierten Angriffen künftig angerufen werden soll. Ein schöner, und vor allen Dingen leider notwendiger R Appell. Nur auf dem Papier allein darf er nicht bleiben.

„DAS WAR EIN SONNTAG… Anderthalbtausend Buben und Mädel überraschten Sonntag ihre Eltern. Sie sprangen als die ersten aus den Federn. Das schönste Gewand holten sie aus dem Kasten, und wenn auch die Mutter protestierte, es wurde doch angezogen.“ „Das Licht flammte auf, mit vollen Akkorden setzte die Orgel ein: ,Bruder laß den lįopf nicht hängen’.“ „Der Kampf der Bauern gegen die Leibeigenschaft, die Französische Revolution, die Marseillaise klang auf und erschütternd die Hungerszett der Industriesklaven, vermittelt durch die Anklage des Arbeiters: ,Wir kneten das Brot, wir schießen es ein, doch wir sind zu gemein, es zu essen…’“ Dann sprach der Wiener Polizeipräsident. „Er erzählte den Buben und Mädeln, daß auch er vor vielen Jahren, so wie sie heute, im Konzerthaus die Jugendweihe empfangen habe…“ Wir zweifeln nicht an diesem Erlebnis vor vielen Jahren. Aber heute? Ist es heute wirklich noch sinnvoll, ln dieser jedes eigenen Stils ermangelnden Mischung von „Liturgie“,’politischer Revue und KdF-Freizeitverahstaltung jungen ins Leben tretenden Menschen etwas vorzuspielen und vorzuspiegeln, was, gelinde gesagt, innerlich brüchig und äußerlich grob kitschig ist? Glaubt man allen Ernstes, durch diese Gegenfirmung Vergangener Kulturkampfzeiten, die Sich „feierliche Jugendweihe“ nennt, „Kämpfer für die Menschlichkeit von morgen“ zu erziehen, zu stärken? Wer immer die Anliegen der Arbeiterbewegung und des Sozialismus ernst nimmt, wer immer ein Organ für Echtheit und Stilreinheit besitzt, vermag sich eines Kopf- schüttelns nicht zu erwehren. Die unglückselige Mischung kleinbürgerlicher, kulturkämpferischer, von der Pathetik und dem Romantizismus eines gewissen 19. Jahrhunderts bestimmter Elemente — soll sie wirklich jenen bleibenden großen Eindruck schaffen können, der diese Jugend von 1952 trägt, durch Leid, Sorge und Freude in den Morgen einer neuen Menschlichkeit?

EIN GESPRÄCH ÜBER DEN INN hat die gyt eingeführte Monatsschrift freier Akademiker „MORGEN“ begonnen. Die politisch wachen Kreise der deutschen jungen Generation werden eingeladen, in einer offenen und rückhaltlosen Aussprache mitzuhelfen, einen gesunden Boden für die neu aufkeimenden deutsch-österreichischen Beziehungen zu bereiten. Daß die Fäden, die heute zwischen der deutschen Bundesrepublik und Österreich neu geknüpft werden, in die richtigen Hände kommen und nicht durch alte Namen und bestimmte Tendenzen aufs neue verwirrt werden, ist dabei ein besonderes Anliegen:

„Deutsch - österreichische Beziehungen sind nun weder die Angelegenheit ehemaliger deutschnationaler Kreise noch ihr Reservat: sie sind Aufgabe und Auftrag beider Völker ohne Unterschied des politischen Bekenntnisses und des Standes. Der deutsche Sozialist hat seinem österr reichischen Genossen und umgekehrt ebensoviel zu sagen wie die Katholiken und Liberalen, die Politiker und Literaten wie die Arbeiter und Bauern. Es scheint daher unerläßlich, die Kontakte zwisdßen den beiden Ländern auf eine möglichst breite Basis zu stellen. Die Beziehungen Österreichs zu Frankreich und Italien, zur Schweiz und den USA sind ja auch nicht Sache bestimmter Kreise und Richtungen, sondern werden von allen getragen; das ist um so wichtigeĄ als es gilt, alter Fehler wieder gutzumachen, ein neues Fundament zu legen und richtig zu bauen. In nächster Zeit werden sich wahrscheinlich eine Reihe von Gesellschaften, Komitees bilden, die den Kontakt mit dem neuen Deutschland hersteilen wollen, es werden Fachgruppen persönlichen, sachlichen und Gedankenaustausch anstreben und Kulturvereinigungen und Wirtschaftsverbände umfassende Programme vorlegen. Es wird notwendig sein, daß sich von allem Anfang an alle politischen und weltanschaulichen Richtungen an dieser beteiligen und aktiv mit- arbeiten. Nur so wird es möglich sein, eine grundlegende Regeneration der deutsch-österreichischen Beziehungen zu erreichen und sie von jenem, unglückseligen Odium zu entlasten, das ihnen noch immer anhaftet und eine echte, reale und gesunde Verständigung und Zusammenarbeit immer wieder so erschwert.“

Dieser Ruf kommt wirklich zur rechten Zeit. Man sollte ihm Gehör schenken. Diesseits und jenseits des Inns.

WINSTON CHURCHILL UND ANTHONY EDEN stehen augenblicklich im Mittelpunkt politischer Kulissengespräche. Wird sich der englische Premier nach der feierlichen Krönung der Königin Elizabeth II. im Juni nächsten Jahres zurückziehen, fragt man sich in Paris, Washington und London, und wird Eden sein Nachfolger werden? Alle Anzeichen deuten darauf hin, hat doch Churchill erst kürzlich verlauten lassen, Außenminister Eden werde sich in Hinkunft auch mit finanzpolitischen und verteidigungstechnischen Fragen zu befassen haben. Dies bedeutet nicht nur, Churchill wünsche von einem Teil der immensen Last, die seine bereits gebeugten Schultern drückt, befreit zu werden; vor allem impliziert die offizielle Mitteilung der künftigen Arbeitsteilung eine gewollte Forcierung der „ Person Anthony Edens. Der Außenminister ist in der letzten Zeit wenig hervor getreten — seine Auslandsreisen entsprangen nicht eigener Initiative, und der deutsche Geueralvertrag, die einzige wesentliche außenpolitische Tat, die seit dem konservativen Wahlsieg gesetzt werden konnte, ist zum überwiegenden Teil das Werk Adenauers und Achesons. In der Korea- und Malaya-Frage hat Eden dem Verteidigungsminister und seinem Kollegen vom Kolonialamt den Vorrang lassen müssen, in Ägypten kam es nicht zu dem erhofften Übereinkommen und in Persien diktiert Mossadegh nach wie vor den Gang des Geschehens. In England selbst aber ist ein neuer Stern über dem Lager der Konservativen aufgegangen: Schatzkanzler Butler, der sich in den letzten acht Monaten zum unbestrittenen Führer der jungen Tories aufgeschwungen hat. Churchill schätzt Butler und sejne Anhänger als wertvolle, dynamische Mitarbeiter; er traut ihnen aber noch nicht genug, um seine Nachfolge in ihre Hände zu legen. Die sichtbare Bevorzugung Edens dürfte daher in erster Linie beabsichtigen, den Außenminister auf anderen Gebieten jene Erfolge erzielen zu lassen, die die weltpolitische Situation unserer Tage dem Foreign Office vorenthält. Denn erst, wenn Anthony Eden auch in diesen schweren Zeiten durch glänzende Leistungen hervorsticht, kann Churchill ihn, seinen treuen Freund und Helfer, als künftigen Ministerpräsidenten designieren.

ANNA PAUKER ist abgesetzt worden. Nun in aller Form und vor der Öffentlichkeit. Und gerade sie war es, die Rumänien zu dem zweifelhaften Ruhm verhalf, der linientreueste Satellitenstaat zu sein und die Anweisungen aus Moskau am eifrigsten zu befolgen. Die heute 58jährige Anna Pauker gehörte der Kommunistischen Partei Rumäniens seit ihrer Gründung 1921 an. Der Partei War ihr Leben in diesen dreißig Jahren restlos geweiht. Für sie schmachtete sie jahrelang in den Gefängnissen Rumäniens, bis sie in die Sowjetunion fliehen konnte. Für die Partei opferte sie ihren Mann, der in einer der zahlreichen russischen Säuberungen unterging. Für die Partei wagte sie sich, noch während König Carol 11. in Bukarest residierte, wieder in die Heimat, obwohl hier noch Steckbriefe gegen sie hingen. Auf die erneute Verhaftung 1935 folgten wieder sechs Jahre Kerker, bis sie, 1941 gegen gefangene rumänische Generäle ausgetauscht, wieder nach Moskau kam. Intensivste parteipolitische Schulung machten sie bereit, nach dem Zusammenbruch Rumäniens —-’rinit dem Rang eines Obersten der Roten Armee — die Herrschaft in ihrer Heimat zu übernehmen und sie so zu führen, wie es Moskau befahl. Eine Zeitlang, eine lange Zeit, gab sie als Mitglied des Politbüros, des Orgbüros und des Sekretariats der Kommunistischen Partei, seit 1947 auch als Außenminister, den politischen Ton in Rumänien an. Aber ihre Stellung blieb trotz der bekannt guten Beziehungen zu Moskau — ja zu Stalin selbst — nicht unbestritten. Einer ihrer erbittertsten Gegner war seit Jahren Ght- orgie Gheorghiu-Dej, der Generalsekretär der rumänischen Kommunistischen Partei, der mit dem tiefverwurzelten Antisemitismus und Klassenhaß des rumänischen Proletariers eifersüchtig auf die Stellung der „bourgeoisen Jüdin“ Anna Pauker schielte. Seit Jahren munkelte man von schweren Meinungsverschiedenheiten, vom Schwinden ihres Einflusses. Nun ist es nach dem üblichen Vorspiel so weit. Wenn der direkte Draht zum Kreml nicht mehr in Ordnung sein sollte, dann ist Anna Pauker wohl verloren. Endgültig.

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