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Eine der wichtigsten heimatlichen Missionsaufgaben bildet die Sorge um die Studenten der Missionsländer an den Universitäten Europas und Amerikas.

Vor dem Krieg bildeten die asiatischen und afrikanischen Studenten an unseren Universitäten kaum ein großes Problem. Die Zahl der 300 Studenten aus dem englischen Empire, die vor 20 Jahren in England studierten, ist • heute auf 5154 angewachsen. Hierzu kommen noch 7283 aus anderen asiatischen und afrikanischen Ländern. So studieren in England 12.500 junge Menschen aus Ucbersee. In Holland studieren- allein 15.000 Indonesier, in Frankreich 6000 aus Afrika und Asien. An den Universitäten und Hochschulen in Oesterreich begegnen sie uns in Hörsälen und Laboratorien in ständig

* Vortrag, gehalten auf de* Akademischen Mis-sionskundgebung am 29. November 1953 im Festsaal der Wiener Universität. wachsender Zahl. In Amerika sind von 100 inskribierten Hörern 37 in den Missions-ländern beheimatet. Ohne Rußland und die von ihm abhängigen Länder zu berücksichtigen, studieren insgesamt rund 70.000 Angehörige der nichtchristlichcn Länder an den Universitäten und Hochschulen Europas und Amerikas.

Diese Studenten von heute sind die Führer ihrer Völker von morgen. Das zeigt schon die jüngste Vergangenheit. Hierin ist uns das moderne China ein Schulbeispiel von aufrüttelnder Wirkung.

An amerikanischen und europäischen Universitäten haben u. a. studiert:

China: Chu En-lai, Außenminister (Paris), Chu-Tch, oberster Kommandierender der Roten chinesischen Armee (Leipzig), General Chen, General Nieh Yung-chen, Li Li-san, der kommunistische Organisator der Mandschurei.

Aus anderen Ländern: Pandit Nehru von Indien, Ho Chi-minh, der Kommunistenführer Indochinas (Paris), Nkrumah, Premierminister der Goldküste, Azikiwe, der Negerführer, Jomo Kenyatta (Haupt der Mau-Mau, Kenia).

Was sie sind und was sie denken und vertreten, haben die Menschen, denen sie in Europa und Amerika begegneten, mitgestaltet und beeinflußt. Und die Begegnung mit den Menschen der altchristlichen Länder war ihnen eine große Ernüchterung und Enttäuschung.

Zwar fanden manche der heidnischen Studenten in Europa den Weg zur Kirche, aber die größte Zahl wandte und wendet sich dem Materialismus, religiöser Gleichgültigkeit und dem Kömmunismus zu. In ihrer Heimat war ihr ganzes Leben religiös bestimmt. Hier in Europa aber sahen sie eine sogenannte christliche Lebenshaltung, die, wie einer aus ihren Reihen schrieb, nur eine Bedeutung beirh sonntäglichen Gottesdienst hat, sonst aber sich nach rein irdischen weltlichen Gesichtspunkten orientiert. Wir lesen mit Erschrecken die Worte dieses Asiaten: „Diese europäische Haltung hat mir gezeigt, daß es möglich ist, ohne Religion zu leben.“ Der das schrieb, schrieb für Tausende anderer Rasse und Farbe.

Immer mehr Asiaten und Afrikaner werden in den kommenden Semestern das Bild unserer Hochschulen in Oesterreich beleben. Unsere Verantwortung für sie wird wachsen. Was diese Studenten suchen, ist nicht in erster Linie Hilfe in der Fremde) sondern ein feines Einfühlungsvermögen in ihre Art, den liebenden Menschen und Bruder. Nicht Ueberfeifef und gönnerhafte Proselytch-macherei, sondern der katholische Geist, der von jedem wahren Katholiken ausströmt, schlägt die Brücke von Mensch zu Mensch, gleichgültig, welcher Rasse und Farbe sife sind. Die christliche Atmosphäre brauchen und suchen sie. Die ichbetonte Kälte und Gleichgültigkeit verwundet sie oft so tief, daß diese Wunde nie mehr heilt.

Das wichtige katholische Anliegen der Studenten Asiens und Afrikas an unseren Universitäten wurde leider in den christlichen Ländern Europas zuwenig erkannt. Es bedeutet für sie ein trauriges Mea culpa. Aber wir dürfen uns davon nicht freisprechen. Wir hatten allerdings bisher nur allzuwenig Gelegenheit, es zu erfüllen. Aber die wachsende Zahl legt der katholischen Studentenschaft eine wichtige und entscheidende Aufgabe auf. Sorgen wir in erster Linie dafür, daß wir den Gästen als wirkliche Christen begegnen und von unserem Christentum Zeugnis ablegen!

Es ist nicht vermessen, wenn ich als Beispiel auf die katholischen Studenten in den Heidenläriderii beim Aufbau der Kirche in ihrer Heimat hinweise.

Fast in allen Ländern haben sich die katholischen Studenten in Vereinigungen zusammengeschlossen. Auf dem Kongreß des allindischen katholischen Studentenbundes in Madras im Dezember 1952 riefen die Studenten den Glaubehsbrüdern ihres Landes zu: „Katholiken, ihr seid eine Macht! Nicht in Zahlen und in menschlicher Weisheit, sondern im christlichen Handeln besteht unsere Kraft!“ Sie sahen ihre Aufgabe darin, den christlichen Prinzipien im öffentlichen Leben gegen Hinduismus, Relativismus, Laizismus und Kommunismus zum Siege zu verhelfen. Akademiker, Studenten und Absolventen aller Fakultäten waren vertreten, eine eigene Schulungstagung in Mysore unter dem Titel „Der Führer — Meister der Einheit“ war der Heranbildung der Studenten für ihre katholische Aufgabe gewidmet. Aber es blieb nicht nur bei großen Entschlüssen. Der Bund der katholischen Tamil-Schriftsteller hielt irtt Mai 1953 in Coimbatore seine Beratungen. Er widmet sich dem Apostolat der katholischen Presse mit weit- und tiefreichendem Erfolg;

In den Ferien ziehen Hunderte von Studenten der Universitäten aus den Städten in die Dörfer und helfen, ohne auf Kastcn-trehnung und Kasteiigcsetze zu achten, den Missionären bei der Unterweisung der Christen ürtd Katechumenen und ihrer Vorbereitung für den Empfang der heiligen Sakramente.

In Japan geht es heute um die Seele des japanischen Studenten. Der Atheismus zeigt sich neben dem angestammten Religionen des Buddhismus urtd Shltttöisrriüs als eine missionarische Macht: Die gottentfremdete, materialistische europäische Wissenschaft konnte zu lange nahezu ungehindert ihre verheerende Wirkung auf die intellektuellen Kreise des Volkes ausüben. Die vier katholischen Universitäten in Japan bilden nur eine versehwindende Mihdefheit unter den staatlichen und anders gerichteten Hochschulen! Und doch bilden die katholischen Studenten eine aktive, verantwortungsbewußte Einheit. Studenten nehmen sich des Presseapostolates in seiner ganzen Weite an, sie propagieren die Zeitschriften der katholischen Pressezentrale, laden zu weltanschaulichen Vorträgen ein. Sie unterhalten Studienklubs, zu denen jedermann freien Zutritt hat, um so die Aufmerksamkeit der Heiden auf die Kirche und ihr Wirken zu lenken. Allein in Niigata konnten sie im letzten Jahre 70 Erwachsenentaufen als Lohn ihrer Bemühungen erzielen. Studenten ziehen am freien Sonntag in die Slums der Großstädte, nehmen sich der Armen und Bedrängten an und wirken so als Apostel der Liebe; der Grundlage ihres Glaubens.

Indonesien gehört zu den bedeutendsten neuerstandenen Staaten. Die Intelligenz von heute und morgen wird die Aufgabe zu meistern haben, ein in sich festes, selbständiges Staatsgefüge zu schaffen. Daher ist gerade hier die intelligente Sehicht von entscheidender Bedeutuhg. Um so mehr muß die katholische Kirche auf die Heranbildung einer katholischen Intelligenz hinarbeiten. Schon schließen sich die katholischen Studenten zu einem Bund zusammen. Immer größer wird hier die Zahl der Studentinnen, war doch die Frau bis zur jüngsten Zeit von jeglicher höheren Bildung ausgeschlossen. Auch hier erblicken die Studenten in Caritas und Presse ihre Aufgabe. Mit fahrbaren Bibliotheken ziehen sie durch das Land und verbreiten katholische Literatur, bringen katholische Zeitschriften in die Wartezimmer der AerZte, versorgen Schaukästen mit Bildern und Texten und werben so für den katholischen Gedanken. Arme und Kranke suchen sie auf und zeigen ihnen so das wahre Christentum. Ifl Zirkeln trefferi sie sich und fördern sich gegenseitig durch die Besprechung katholischer Fragen.

Auf den Philippinen konzentriert sich die Tätigkeit katholischer Studenten Um die beiden katholischen Universitäten: die Thomas-Universität in Manila und die erst zwei Jahrzehnte bestehende St-Carlos-Uni-versität in Cebu. Neben der Mitarbeit in Presse und Caritas seien ihre charakteristischen Festveranstaltungen für Bettlet, Schuhputzer und Zeitungsverkäufer erwähnt.

Als in China die neuen Machthaber ans Ruder kamen, legten sie ihre Hand auf die katholischen Universitäten, verstaatlichten sie und verschickten die Studenten in andere Universitätsstädte. Hier zeigt sich die Macht des guten Beispieles, das nach dem Urteil kundiger Missionäre sich als Großmacht erwies. Aber darüber hinaus ermutigten die Studenten durch ihr Wort die Gläubigen, als den Missionären die Verkündigung des Gotteswortes selbst in der Kirche untersagt war. Mutig verteidigten sie ihre religiöse Ueberzeüguhg öffentlich vor den Macrrt-habern und ihrer Polizei, die wenigstens unter dgm ersten Eindruck machtlos blieb. In gemeinsamen Exerzitien holten sie sieb Kraft und Mut für ihr katholisches Wirken.

Ein Katakombenwort voll Märtyrermut einer dieser Studentinnen zeichnet die Leidensnacht und zugleich die Hoffnung Chinas. Dilse Studentin schrieb in vollem Bewußtsein, daß ihre Verhaftung unmittelbar bevorstand, einen Brief an ihre Freundin in Japan* Nicht Angst und Sorge sprechen aus ihren Zeilen, nur das Glück, für Christus und die Kirche leiden zu dürfen. Und aus dieser ihrer Seclenhaltung heraus schließt sie ihren Brief mit den Worten: „Singe mit mir Halleluja!“

Wenn wir uns die Frage stellen: Was befähigt diese Menschen zü solcher Haltung?, so ist die Antwort: Es ist das erste Erlebert des Christentums, das sie zutiefst erfaßt haben und zu verwirklichen sich bemühen. Ist uns das Christentum nicht etwas Alltägliches und Abgegriffenes geworden? Sehen wir nicht in dieser Stunde die Augen der afrikanischen und asiatischen Studenten an unseren Universitäten und in ihrer Heimat auf uns gerichtet? Was wollen sie? Sie wollen Christen sehen!

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