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Wie man für Halbwüchsige schreiben soll

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Es ist nicht zu bezweifeln, daß die neue österreichische Jugendliteratur den rechten Weg eingeschlagen hat. Hier einige sehr bezeichnende Beispiele:

Der Sammelband „Horch in dein Herz“ (Verlag Carl Ueberreuter, Wien-Heidelberg) läßt einige zeitgenössische und ältere Autoren zu den jungen Mädchen sprechen. Die Probleme der Reife werden nicht verschwiegen oder verniedlicht, sondern auf der hohen sittlichen Ebene der beglückenden Kunst dichterisch gestaltet. Für die vorzügliche Zusammenstellung zeichnet verantwortlich Dr. Hilla Maria Cislaghi, die beseelten Bilder stammen von Fritz Busse. Max Stebich hat die Idee verwirklicht, Märchen vieler Völker zu sammeln und sie zu einem den Erdball umspannenden Ring aneinanderzufügen. So entstanden zwei Bände, „Die weißen Kätzchen“ und „Die Färber des Mondes“ und die einbändige Gesamtausgabe, „Im Märchen um die ganze Welt“ (Verlagsbuchhandlung Julius Breitschopf jun., Wien). Der junge Leser lernt hier auf eine bezaubernde Art Heimat und Fremde kennen. Höchst .verdienstvoll ist es, daß Stebich das überlieferte Märchengut von allen Grausamkeiten gesäubert hat!

Typisch erscheint uns auch Helene W e i 1 e n s Schaffen. Diese Erzählerin, die künstlerisch noch immer wächst, packt brennende Fragen der Zeit mutig an und befaßt sich mit ihnen in meisterhaft geschriebenen Romanen für die Jugend. In Weilens „Vroneli“ begegnet ein Mädel ihren tot-geglaubten Eltern —, grandios gestaltet der seelische Zwiespalt, hier die reiche, herzenswarme Ziehmutter, dort die durch ihr Schicksal verbitterte wirkliche Mutter, und der unaufdringlich, unsentimental versöhnliche Abschluß. Dieses ausgezeichnete Buch ist ebenso wie die nun noch folgenden Neuheiten in dem vorbildlich eifrigen Verlag Kre-mayr & Scheriau, Wien, erschienen. Einen Wunschtraum der Mädel von heute — eigenes Auto und große Italienreise — erfüllt Trude Payer sehr geschmackvoll, sehr amüsant und pädagogisch geschickt. Ihr Roman „Fünf Mädeln erobern die Welt“ mag als Beispiel dafür gelten, wie die Interessen der Heranwachsenden in die richtige Bahn gelenkt werden können.

Die originellste Musikerbiographie, die man sich denken kann, ist dem vielbewährten Wiener Musikschriftsteller Alexander W i t e s c h n i k gelungen. „Schani, der Mistbub“ stellt das Leben von Johann Strauß für die Jugend dar, mit Schmiß und Humor, mit Herz und dramatischer Kraft. Wer Musikgeschichte so vorzutragen weiß, lustig, gemütvoll und ohne Verballhornung, der ist ein wahrer Bahnbrecher der Jugendliteratur. Die zahlreichen Bilder von Emmy Grimme zeigen, wie man auch als moderner Maler ein Buch für junge Menschen richtig illustriert. . . Ich fürchte, mancher Bub wird nicht einschlafen können, wenn er begonnen hat, Karl Bruckners „Olympiade der Lausbuben“ zu lesen. Das Milieu der Schule ist wohl selten der Tugend so zu Dank dargestellt worden wie hier; Witz und Realismus feiern Triumphe... Dem Wilden Westen läßt sich noch immer manches Reizvolle abgewinnen. Einen historischen Roman der Trapper und Indianer, der Cowboys und des Goldrausches unter dem Titel „Der Farmer vom Sacramento“ hat Robert Polt geschrieben, der sich damit wieder als vorbildlicher Erzähler bewährt

Fassen wir zusammen: Nichts Rosenrotes, nichts Verlogenes, aber auch kein Kinderschreck, vielmehr eine offene Auseinandersetzung mit dem, was die Halbwüchsigen in dieser Zeit bewegt, vorgetragen mit den Mitteln des Künstlerischen, des .guten Geschmacks und des Humors —, so sieht das Ju~-- '--hrifttum aus, das wir bejahen können.

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