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Zum Durdiblättern, bitte…

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SIE WIRKT SO EINLADEND MIT IHRER raffinierten Titelmontage in Rot-Schwarz-Weiß und liegt durch ihr starkes, exquisit wirkendes Papier gut in der Hand, die „kritische Zeitschrift für Studenten — ,impuls’ “ (Herausgeber und Eigentümer: Hauptausschuß der österreichischen Hochschülerschaft an der Universität Graz; erscheint zweimonatlich „exklusiv, aktuell, informativ, gegen Konformisten”). Man muß sie sich einmal näher ansehen: Auf der weißen inneren Kartonumschlagseite sieht man neben ein paar Zeilen Text das Bild des neuen Rektors und unter zwei Leisten den Presseaufruf zum Volksbegehren. Dann geht es erst mit der eigentlichen Seite 1 auf ausgewähltem braunem Kartonpapier mit dem Impressum und dem Inhaltsverzeichnis samt einer Illustration so recht los. Auf Seite 2 finden sich drei Erklärungen mit einer kleinen Illustration und viel freiem Platz. Der Text zum „Modell 66” der Österreichischen Hochschülerschaft auf Seite 1 folgt mit viel freiem Platz auf Seite 3. Seite 4 (weißes Papier wie 3) bringt die inseratenähnliche Ankündigung einer Lehrschau über Berlin. Die nächsten vier Seiten sind wieder erstklassiges braunes Kartonpapier. 5: zwei Glossen, Reklame für ein Kaberett (ohne kritische Besprechung) und viel freier Raum. 6 und 7: 22zeiliger, kümmerlicher Kommentair zur Grazer Ausstellung ..dada/op/op” samt zwei Lithographien (reiche Auswahl an freiem Platz), am Rand einige Buchbesprechungen. 8: ein Telegrammstilartikel über das Thema „Heiraten oder Studieren oder beides?” plus Photo mit viel leerem Raum. Seite 9 scheint wieder in Weiß auf und wird von einem Konglomerat aus jeweile ein paar Zeilen Hochschulsport, Hochschulnotizen und Fortsetzung einiger Buchbesprechungen gefüllt. Ebenfalls ausgefüllt ist Seite 10, allerdings mit Inseraten. Eine Ankündigung der Grazer Studienwoche findet sich auf Seite 11, 12 ist wieder mit Inseraten ausgelastet (in Braun). Die vorletzte Umschlagseite ebenfalls, die letzte Seite zeigt sich leer, wenn man von der winzigen Vignette absieht…

Nun wäre es freilich schade um den Platz, sollte es nur um den Beweis gehen, daß eine bestimmte Studentenzeitschrift schlecht ist. Außerdem war der „impuls” bis zum Sommer 1965 eine meist wirklich kritische, politisch und besonders kulturell progressive Studentenzeitschrift, wenn nicht überhaupt die beste Österreichs, und schließlich könnte diese letzte, geistig so unwahrscheinlich dürftige Nummer ein Au-snahmefall sein.

Worum es hier geht, ist das deutliche Dilemma der Zeitschriften im allgemeinöl, nämlich der Drang zur Aufmachung auf Kosten des Inhalts, und nun auch der Studentenzeitschriften im besonderen.

ETWAS LEICHTER HABEN ES IN DIESER Hinsicht die Verbandszeitschriften, weil sie sich ihren Abnehmern gegenüber nicht primär von der äußeren Form abhängig fühlen. Doch dem Zaubermittel Layout haben auch sie Tribut zu leisten, wie beispielsweise die „blütter” und die „neue generation”: „blätter”, Zeitschrift für Studierende. Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Katholische Hochschuljugend Österreichs (KHJÖ); erscheint mit acht Nummern im Jahr; wechselndes Titelbild in Schwarzweiß; großzügige Platzaufteilung; zurückhaltend experimenteller Umbruch; viele Inserate. Meist grundsätzlich politisch oder philosophisch, weniger auf Tagesgeschehen bezogen; Hochschulprobleme, Standortfragen des Christentums; weniger Kultur; Glossen und Nachrichten, „neue Generation”, Zeitschrift der Sozialistischen Studenten. Eigentümer, Verleger, Herausgeber: Verband Sozialistischer Studentöl Österreichs (VSStö); erscheint monatlich; gleichbleibendes, nur in der Farbe wechselndes Titelbild; relativ ausgenützter Platz; einfacherer Umbruch mit nur wenigen Experimenten; viele Inserate. Vorwiegend politisch tendenziös; aggressiv und polemisch; Betonung des politischen Tagesgeschehens, weniger Grundsätzliches; Hochschulprobleme in eigener Sicht; wenig Kultur.

Beide Zeitschriften haben in den letzten Jahren öfter mehr oder weniger tiefgreifend ihr Gesicht zugunsten modernerer Aufmachungen verändert. Man stellt sich natürlich die Aufgabe, auch expansiv zu sein und die Aufmerksamkeit der Außenstehenden auf sich zu lenken — was man vor allen Dingen durch eine Mobilisierung formaler Prinzipien zu erreichen hofft. Bei anderen Verbandszeitschriften ist das nicht der Fall. Bei der „ACADEMIA” und beim „neuland” nicht, weil sie im Grunde internen Charakter haben, beim „trend” nicht, weil hier wahrscheinlich um den größeren Einsatz finanzieller Mittel schade wäre.

„ACADEMIA”, Zeitschrift des österreichischen Carteilverbandes. Herausgegeben vom ÖCV, das Blatt erscheint monatlich; gleichbleibendes, graues Titelbild; unausgewogener, einfachster Umbruch; sehr viele Inserate. Zurückdrängen der Vereinsnachrichten; Diskussionen um eigene Probleme; Suchen einer neuen Form; traditionsbewußt und katholisch orientiert; nahezu nichts über Theater und Musik, doch federführend bei der Behandlung der Hochschulreform.

„neuland”, früher „Der Quell”. Herausgeber: Bund Neuland; erscheint monatlich; Kleinformat; jährlich wechselndes, einfarbiges Titelbild; einfacher Umbruch; keine Inserate. Vorwiegend philosophisch- theologisch ausgerichtet; thematisch eigenwillig; kulturbetont; wenig politisch.

„Trend”, Diskussionsblätter für die Studentische Linke. Herausgegeben von der Vereinigung Demokratischer Studöiten; erscheint monatlich; gleichbleibendes, rotes Titelbild; auf Saugpostpapier abgezogene, geheftete Blätter; kein nennenswerter Umbruch; keine Inserate. Betont aktuell politisch; ideologisch und extrem aggressiv im Ton; Kultur in Richtung Sartre und Brecht.

BESTEHT FÜR DIE VERBANDSZEITSCHRIFTEN mit sehr internem Charakter die oft schwierige Wahl zwischen Nachrichten und Grundsatzartikel, wobei sich letzteres immer mehr durchsetzt, so ist für die Organe mit expansivem Charakter das Schwanken zwischen Form und Inhalt eines der Hauptprobleme. Leider. Denn für die Studentenzeitschriften mit klaren Intentionen bleibt es erst recht eine fatale Ein stellung, die nie einen echten Erfolg bringen wird, wenn sie — von starr fixierten Vorstellungen ausgehend — die ganze Mühe nur darauf wenden, die Leute durch das Layout zum Durchblättem zu verlocken, statt sie am Lebensnerv der jeweiligen Situation zu packen. Noch viel deutlicher ist die Diskrepanz von „Hülle und Kern” bei den anderen, von den verschiedenen Hochschülerschaftsausschüssen herausgegebenen Studentenzeitschriften. Neben „impuls” gibt es noch: „bilanz”, das österreichische Studentenmagazin. Herausgegeben vom Pressereferat des Zentralaus-

schusses der österreichischen Hochschülerschaft; erscheint monatlich; wechselndes, grün-schwarz-weißes Titelbild; reiche Bebilderung; Inserate. In vieler Hinsicht indifferent; schnoddriger Ton; Spiegelnachahmung bis in Einzelheiten; Hauptakzente Politik und Film; Hochschulprobleme.

„ceterum”, Eigentümer und Verleger: österreichische Hochschülerschaft an der Universität Salzburg; erscheint vierteljährlich; wechselndes, einfarbiges Titelbild; reich illustrierter, uneinheitlicher Umbruch; viele Inserate. Kritisch katholisch; kulturbetont, aber auch politisch.

„Glück auf”, herausgegeben vom Hauptausschuß der österreichischen Hochschülerschaft an der Montanistischen Hochschule Leoben; erscheint semesterweise; gleichbleibendes Titelbild; bombastische Aufmachung; erlesenes Papier; viele Inserate. Behandelt fast ausschließlich eigene Probleme. Wenig Kultur, keine Politik.

„en face”, herausgegeben vom Hauptausschuß der österreichischen Hochschülerschaft an der Universität Wien; erscheint monatlich; wechselnde, farbige Titel; teure Aufmachung mit zahlreichen Illustrationen; viel freier Platz; relativ wenig Inserate, dafür seitenweise Eigeninserate des sonnigen Redakteurs. Zum Organisatorischen an der Universität; Studentenprobleme; Studentengeplänkel; weder politisch noch kulturell akzentuiert.

„signum”, vorher „Innsbrucker Student”, Herausgeber: österr. Hochschülerschaft an der Universität Innsbruck; erscheint monatlich; wechselndes, einfarbiges Titelbild; sehr gutes Papier; Inserate. Setzt sich für Südtirol ein; mehr Kultur als Politik; Hochschulprobleme.

DAS GEFÜHL, DIE STUDENTEN NICHT richtig anzusprechen, veran- laßte die meisten dieser Zeitschriften, ihre äußere Form dem modernen Konsumstandard anzupassen. Im „signum” konnte man vor einiger Zeit lesen: „… Die neue Redaktion bemühte sich darum, eine modernere, ansprechendere Form zu finden, die die Aufmerksamkeit besser auf sich zu ziehen weiß …”, und „Glück auf” konnte mit seiner letzten Nummer klipp und klar beweisen, „daß man bestrebt ist, diese Zeitschrift lesbar zu gestalten, indem man sich eines nicht ganz herkömmlichen Umbruchs, einer ausgeprägten Sorgfalt in der Papierauswahl und einer reichen Illustration bedient hat. Dinge, die doch zum Durchblättern anregen müssen ..

Erst zum Schluß kommt es ganz verschämt zum Ausdruck, worum es eigentlich geht: möglichst viele Leute sollen die Zeitschrift durchblättern, möglichst viele sollen sie kennen, eventuell soll auch möglichst viel darüber geredet werden, was man alles am sichersten durch eine verlockende Aufmachung erreicht. Außerdem fühlen die Universitätsorgane sich freier als andere und daher den Drang an die Öffentlichkeit, um ihre Konkurrenzfähigkeit mit den „beachteten” Presseprodukten unter Beweis zu stellen. Diese Konkurrenzfähigkeit hängt aber heute nun einmal von der Aufmachung ab. In den selteneren Fällen ist sie der Versuch, einen wertvollen Inhalt auch dementsprechend zu verpaeken, normalerweise handelt es sich aber um Bauernfängerei, um das reine Geschäft oder ein Ausweichen vor schwierigeren geistigen Aufgaben. Daß die Zeitschrift gefällt, ist der Weisheit letzter Schluß und ein dazu in Relation stehender Absatz das non plus ultra der Gefühle. Für die Studentenzeitschrift, die doch von vornherein kein Geschäft ist, kommt es bei Anwendung dieser an sich verständlichen Prinzipien zu einer gefährlichen Sackgassensituation. Konkurrenzversuche sind verlorene Liebesmüh und unter anderem auch eine Erklärung dafür, warum es in Österreich keine befriedigende Studantenzeit- schrift gibt. Denn ihre Chance inmitten des Blätterwaldes mit einzelnen sehr finanzkräftigen Produkten liegt nur in der Betonung des Inhalts. Er müßte den Mangel an technischen Feinheiten, an Werbemöglichkeiten wettmachen. Er müßte auch chronische Schwierigkeiten überbrücken, wie

• oftmaliger Wechsel des Redakteurs

• damit Wechsel des Stils

• Erscheinungsschwierigkeiten

• Saturiertheit der Studöiten.

Das heißt natürlich nicht, daß man auf eine halbwegs gefällige Aufmachung verzichten sollte. Nur muß der Aufwand in einem Verhältnis zu den eigentlichen Aufgaben stehen. Nicht die Frage, welches Papier, welche Farbe, welche Photos sich am besten unters Volk bringen lassen, dürfte Gegenstand von Überlegungen sein, sondern das Interesse dafür, was den Studenten heute mehr oder weniger existentiell bewegt. Leider scheint man sich auf seine eigene Stärke, nämlich anspruchsvollere Leser und die Möglichkeit eines freien Tones, des kritischen Kommentierens, einer speziellen Sicht der Probleme, nicht mehr verlassen zu wollen und -beschreitet den „wirksameren” und bequemeren Weg des Optischen. Nicht zum Lesen, sondern zum Durchblättem lädt man ein und ist stolz, sein Plansoll erfüllt zu haben…

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