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Das Filmfestival-Gespräch in Venedig: Investment der Gaddafi-Söhne? Der Festival-Erfolg: Schwulendrama im Wilden Westen.

Die italienischen Medien überschlugen sich in Spekulationen: Mothassen und Saadi Gaddafi, die beiden Söhne des libyschen Revolutionsführers Muammar Gaddafi, waren zum Filmfestival in Venedig gereist, um Investitionsmöglichkeiten zu erörtern. Konkret geht es um den Neubau des Palazzo del Cinema am Lido, der vom Architekten Alfonso Femia entworfen wurde und 120 Millionen Euro kosten soll. Ab 2007 soll gebaut werden, als Resultat wünscht man sich das weltgrößte Kino mit neun unterirdischen Sälen. Allein: Die Finanzierung steht nicht, und Festivalleiter Marco Müller macht seinen Verbleib nach 2007 vom grünen Licht für dieses Projekt abhängig. Sollten die Gaddafi-Brüder (Saadi ist neben seinem Job als Unternehmer auch Fußballer beim Klub Udinese) investieren, so würde einer der Kinosäle den Namen Tripolis erhalten.

"Brokeback Mountain"

Und die die Filme? Bei der Preisverleihung am Samstag wurde mit "Brokeback Mountain" ein Schwulen-Drama mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet, das nicht nur ein in Kamera- und Schauspielerführung herausragendes Werk ist, sondern auch nicht mit Kritik an der intoleranten us-Gesellschaft spart. Regisseur Ang Lee ("Tiger & Dragon"), ein Taiwanese, erzählt von zwei Cowboys im Wyoming der 60er Jahre, die zum Schafehüten in die Einsamkeit ziehen, und dort ihre Leidenschaft füreinander entdecken. Doch die konservative Gesellschaft verunmöglicht schwule Lebensformen - gerade unter Cowboys. Und so stürzen sich die beiden Männer in ein geregeltes Familienleben mit Frau und Kind, ohne jedoch ihre Lust aneinander zu verlieren. Man trifft sich heimlich, zum "Fischen" - steuert damit über die Jahre aber geradewegs in die Katastrophe. Ein verdienter Preisträger.

"Good Night, And Good Luck"

Ein anderer verdienter Preisträger berichtet von Journalisten des tv-Networks cbs in den 50er Jahren, die sich noch weniger dem Quotendruck als vielmehr der politischen Einflussnahme der Behörden ausgesetzt sehen. "Good Night, And Good Luck", George Clooneys zweite, beachtliche Regiearbeit, erzählt die wahre Geschichte des tv-Journalisten Edward R. Murrow (David Strathairn), der mit seinem Team in den 50er Jahren die McCarthy-Kommunistenhatz aufs Schärfste anklagte - und sich damit sehr weit aus dem Fenster lehnte.

Clooneys gänzlich in Schwarzweiß gedrehter Film ist eine exakte Schilderung des journalistischen Berufsstandes und spart auch nicht mit Kritik am Medien- und Gesellschaftssystem der usa zu Beginn des Kalten Krieges. Clooney, der smarte Hollywood-Star mit ausgezeichneten Regie-Qualitäten, der hier auch eine Hauptrolle spielt und das Drehbuch verfasste, galt als Favorit auf den Hauptpreis, wurde aber schließlich mit dem Drehbuchpreis ausgezeichnet, sein Hauptdarsteller David Strathairn erhielt den Schauspieler-Preis.

Enttäuschend eher die Preise der Jury für Abel Ferrara und Philippe Garrel. Ferraras Film "Mary" berichtet von einem Regisseur, der einen provokanten Jesus-Film dreht - wir erinnern uns an Mel Gibsons "The Passion of Christ". Die Darstellerin der Maria Magdalena (Juliette Binoche) kommt am Ende der Dreharbeiten nicht mehr aus der Rolle heraus und unternimmt einen Trip nach Jerusalem. Der bibelkundige Ferrara konstruiert seinen Film viel zu sehr, die religiöse Dimension erstreckt sich bis ins heutige Israel.

Philippe Garrel wiederum reflektiert mit dem dreistündigen Schwarzweiß-Epos "Les amants reguliers" Bernardo Bertoluccis farbenfrohes 68er-Spektakel "The Dreamers". Die Verbindung der beiden Filme passiert sowohl über den Einsatz desselben Hauptdarstellers (Louis Garrel), als auch auf inhaltlicher Ebene. Während Bertolucci die Zeit der freien Liebe heroisiert, versucht Garrel - leider auf langweilige Weise - die Studenten-Revolte als abstraktes Gemetzel zu inszenieren.

Glawogger, Chéreau & Co

Neben den Preisträgerfilmen fanden sich im Programm noch einige Juwelen, darunter etwa Michael Glawoggers "Workingman's Death", eine bildgewaltige Reise in die Arbeitswelten von Schwerarbeitern. Patrice Chéreau begeisterte mit seinem historischen Ehedrama "Gabrielle" (Preis für Isabelle Huppert), während "The Constant Gardener" von Fernando Meirelles illegale Medikamententests an ahnungslosen Afrikanern beleuchtet.

Der stillste und vielleicht mutigste Film des Festivals kam aus Deutschland: Philip Grönings Doku "Die große Stille" führt uns in ein Kloster und bildet das karge Leben mit entschiedener Konsequenz ab: Die Absenz von Musik, Kommentaren und Interviews verleiht dem Leben jener Menschen Plastizität, die sich für ein Dasein in Frieden und Stille entschieden haben. Für drei Filmstunden dürfen die Zuschauer sich auf diese ungewöhnliche Erfahrung einlassen.

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