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Enttäuschung am Lido

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Es war ein - alles in allem -enttäuschendes Filmfestival. Wie schon in den vergangenen Jahren gab es kein Werk, das die Grenzen des Herkömmlichen, des konventionell Guten gesprengt hätte, das als echte Filmkunst das reichliche Angebot des Wettbewerbs der „46. Mostra d'Arte Cinematografi-ca“ überragt hätte.

In der ersten Woche bildete „I want to go home“ die Ausnahme, ein originelles Werk des französisehen Altmeisters AlainResnais, die bitter-ironische Geschichte eines berühmten amerikanischen Cartoo-nisten, der, zu einer Ausstellung seiner Werke in Paris geladen, immer wieder den im Titel genannten Ausruf tut. Dabei bekommen die USA und Frankreich ihre Seitenhiebe ab, souveräner Humor durchzieht den ganzen Streifen.

Ein Tiefpunkt war mit einem griechischen Soft-Porno erreicht, der zwar das Problem der Herztransplantation vorschützt, aber auch fotografisch auf der Stufe eines miesen Videostreifens steht.

Mit 342 Filmvorführungen erregte Venedig - als ältestes der Filmfestivals - auch großes Medieninteresse. Die Entscheidung der neunköpfigen Jury, der auch Klaus Maria Brandauer angehörte, den Film „Traurige Stadt“ aus Taiwan mit dem „ Goldenen Löwen“ auszuzeichnen, wurde seit dessen Aufführung am Lido als Geheimtip gehandelt. Sie fand viel Kritik, denn der Film erzahlt ohne wesentli che Höhepunkte die Geschichte einer Familie in Taiwan nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und kommt bei einer Länge von mehr als zweieinhalb Stunden nicht ohne erhebliche Durststrecken aus.

Der Spezialpreis der Jury an den Film „Und es ward Licht“ des Georgiers Otar Josselani galt einer französisch-deutschen Co-Produktion, die von einem Eingeborenenstamm in Senegal erzählt, der sich vergeblich gegen die Vernichtung der Natur in seinem Lebensbereich wehrt. Leider macht er sich dem Europäer mit spärlichen Zwischentiteln nicht hinreichend verständlich.

Der „Silberne Löwe“ wurde geteilt zwischen dem formstrengen japanischen Film „Der Tod des Teemeisters“, einer Story aus dem 17. Jahrhundert um Ehrbegriffe und Zeremoniell der damaligen Zeit, mit faszinierenden Bildeindrücken und dem portugiesischen Streifen „Erinnerungen an das gelbe Haus“, der Tragödie eines alternden Mannes im Lissabon von heute, in der Regisseur Joao Cesar Monteiro sich als Hauptdarsteller zu sehr in den Vordergrund spielt.

Einhellig akklamiert waren die Schauspielpreise. Vor allem die mehr als 80jährige Peggy Ashcroft konnte für ihr Spiel in dem englischen Familiendrama „She's been away“ von Peter Hall wahre Ovationen ernten. Nicht mindere Anerkennung verdient jedoch die Leistung von Geraldine James, ihrer Partnerin in diesem Film, die sich den Preis mit der alten Dame teilen konnte.

Einen ex-aequo Preis gab es auch bei den Männern für Marcello Mastroi anni und Massimo Troisi in dem Film „Che ora e“ von Ettore Scola. Der Regisseur spielte darin wieder seine feinen menschlichen und köstlich humorvollen Akzente aus.

Dieser Film erhielt auch den Preis der Internationalen Katholischen Filmorganisation sowie den Publikumspreis der „Sorbetteria di Rani er i“, einem der Sponsoren des Festivals.

Daneben seien nur noch drei Filme des Wettbewerbs positiv erwähnt: „Plötzlich eines Tages“, ein Familiendrama des heute führenden indischen Regisseurs Mrinal Sen, „Die Frau von Rose Hill“ des Westschweizers Alain Tanner, der an Hand des Schicksals einer Frau aus der Dritten Welt die Fremdenpolitik der Eidgenossenschaft anprangert, und „Ich sitze auf einem Ast und fühle mich wohl“ des für seine vitalen Komödien bekannten Tschechen Juray Jakubisko.

Das von „gutem Kino“ wahrlich nicht verwöhnte Festivalpublikum und die Venezianer hielten s ich aber mehr an außerhalb des Wettbewerbs gezeigte Produktionen.

Immer volle Säle fand der „Dekalog“ des Polen Krzysztof Kieslows-ki, der in zehn Einstundenfilmen für das polnische Femsehen die zehn Gebote illustrierte. Von zweien dieser Streifen stellte Kieslowski auch eineinhalbstündige Filmfassungen her, die wir unter den Titeln „Ein kurzer Film über das Töten“ und „Ein kurzer Film über die Liebe“ inzwischen im Kino bewundem konnten.

Geradezu gestürmt aber wurde, ob zu früher Morgen- oder später Nachtstunde, der Publikumsbit „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“.

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