Die Meistersinger von Nürnberg - © Foto: © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Jubel für Wagner, Beifall für Weill

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Musiktheater mit und ohne Glorie: „Meistersinger“ im Haus am Ring, „Die Dreigroschenoper“ im Haus am Währinger Gürtel.

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Musiktheater mit und ohne Glorie: „Meistersinger“ im Haus am Ring, „Die Dreigroschenoper“ im Haus am Währinger Gürtel.

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Die Komödiantik kippt schließlich in bitteren Ernst. Auch die anfangs von triumphalen Zügen begleitete musikalische Helle verfinstert sich bald. Der Hauptdarsteller schwankt zwischen sentimentalen Träumen und der Realität. In diese wird er im Finale brutal gerissen, wenn plötzlich vor seinen Augen das eigene Grab erscheint. Da, endlich, erkennt Hans Sachs, dass seine Ambition, Eva als Braut heimzuführen, verfehlt ist. Längst hat eine neue Generation, vertreten durch den von ihm geförderten Walther von Stolzing, die Zepter der Zeit in die Hand genommen.

Aus diesen klug abgewogenen Perspektiven entwickelt Keith Warner seine Inszenierung von Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“, die nach fast fünf Jahrzehnten erstmals wieder in einer Neuproduktion in der Wiener Staatsoper auf dem Programm stehen – was gleich zu Beginn der Premiere mit Jubel quittiert wurde. Gewiss mag dabei auch das Vorspiel – die fehlende Vertragsverlängerung von Musikdirektor Philippe Jordan ab 2025 – eine Rolle gespielt haben. Aber auch ohne einer solchen, von Dissonanzen nicht freien Ouvertüre wäre dieser Abend mit Jubel quittiert worden. Denn Jordan versteht sich bestens auf diese Partitur: Er vermeidet in seiner Interpretation allen Pomp, setzt auf Schlankheit und Transparenz, klug ausbalancierte Tempi. Und er weiß, dass man sein Pulver nicht schon im ersten Aufzug dieses Wagners verschießen darf, sondern die Spannung bis ins Finale halten muss, um dann noch die Kraft aufzubringen für eine letzte, ins Apotheotische gewendete Steigerung.

Ein Konzept, das auch den Protagonisten zugutekam, deren klar porträtierte Persönlichkeiten im Zentrum von Keith Warners erster „Meistersinger“-Auseinandersetzung stehen. Vorweg der von ihm mehr als intellektueller Landedelmann denn als Schuster-Poet gezeichnete Hans Sachs, den Michael Volle in vollendeter Meisterschaft gestaltete – das heftig akklamierte vokale Ereignis des Abends. Bestens aufeinander abgestimmt die Besetzung der übrigen Meistersinger, angeführt vom Georg Zeppenfeld als mit aristokratischer Noblesse auftretendem, exemplarisch wortdeutlichem Veit Pogner. Am Ende ein zerzauster Hippie, gar ein abgehalfterter Zirkusdirektor? In einem solchen Outfit lässt in dieser minimalistischen, die Schauplätze dennoch plastisch skizzierenden, meist in blaues Licht (John Bishop) getauchten, variantenreichen Bühnenarchitektur (Boris Kudlička) der Regisseur Wolfgang Koch als mit zuweilen unpassender Übertreibung aufwartenden Beckmesser agieren.

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