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Konzerte mit vier großen B

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Das 5. Konzert im Zyktus „Bach und die Moderne“ wurde mit den 3. Brandenburgischen Konzert eingeleitet, das Hans Swarowsky von Cembalo aus leitete: energisch, abei ohne solistisch je hervorzutreter (ausgenommen in einer recht zahmen Kadenz), mit streng durchgehaltenem Tempo in den beiden Sätzen und auch dynamisch wenig differenzierend. „Wiener Bachakademie“ ist ein recht anspruchsvoller Titel füi das runde Dutzend junger Leute, die stehend die Streichinstrumente bedienten. — Alban Bergs 1935, im Todesjahr des Komponisten, entstandenes Violinkonzert ist während der letzten 20 Jahre zu einem Standardwerk seiner Gattung geworden und an dieser Stelle wiederholt gewürdigt worden. Indem der Dirigent Gehalt, Struktur und Farbwerte genau erfaßte und reproduzierte und auch die sehr differenzierten Vortragsbezeichnungen genau beachtete, stellten sich Stimmung und Emotion gewissermaßen von selbst ein. So hielt es auch die junge Geigerin Christa Ruppert, die den schwierigen, aber stets kantaJblen Solopart mit kleinem Ton, aber sauber und genau Interpretierte. Sehr zu loben ist auch das Rundfunkorchester, das in der das Konzert beschließenden Frühlingssymphonie uon Benjamin Britten den Chor- und Solostimmen den Vortritt lassen mußte (Jeunesse- Chor, Sängerknaben, Halina Lukomska, Meriel Dickinson und Murray Dickie).Im Winter 1948/49 hat Britten seine vierteilige, aus 14 Liedern und Chören zusammengestellte Vokälsymphonie geschrieben, deren Textautoren vom 13. Jahrhundert über Spenser und Nashe (16. Jahrhundert) bis W. H. Auden reichen, dem Autor des weitaus substantiellsten und ergreifendsten Gedichts. Britten wollte hier wohl eine Musik nach jedermanns Geschmack schreiben. Das ist ihm auch gelungen, und das mag auch den großen Aufwand rechtfertigen…

Gleichfalls das 5. Konzert absolvierten die Wiener Symphoniker in ihrem von Walfang Sawallisch geleiteten Zyklus. Auf dem Programm standen die Haydn-Variationen von Brahms (statt der angekündigten „Drei Orchesterstücke“ von Alban Berg, deren Stimmaterial sich bei der ersten Probe als unlesbar erwies), Mozarts Violinkonzert A-Dur (das fünfte aus jener wie mit Zauberhand in einem einzigen Jahr nie- dergeschiuefoenen Reihe von Geigen- konzerten mit dem Vermerk „Salis- burgo, li 20 decembre 1775“) und die 5. Symphonie von Tschaikowsky. Der Solist war der 33jährige Christian Ferras, dessen Phänotyp sich, seit wir ihn vor einigen Jahren zuletzt sahen, beträchtlich verändert hat. Doch zum Glück ist sein Ton schlank und biegsam geblieben. — Christian

Ferras, von dem wir wiederholt schwierige neue Werke gehört haben, stellt auch als Mozart-Interpret seinen Mann, wenn auch das Orchester zuweilen Mühe hat, sich seinen agogischen Freiheiten anzupassen. In der Reihe der Brahms- Variationen klang die V. (Vivace) ein wenig verschwommen, die VII. im Siciliano-Rhythmus um so anmutiger. Im ganzen konnte man wieder einmal das perfekte Aufeinandereingespieltsein, die Homogenität von Orchester und Dirigent konstatieren, was zuweilen freilich auch eine gewisse innere Spannungslosigkeit bedingt.

Den Großen Musikvereinssaal vermag heute auch schon Alexander Jenner zu füllen, und er entspricht als Pianist durchaus seinem Ruf und den Erwartungen, die man hier an einen Soloabend knüpft. Der Chopin-Spieler Jenner ist nicht ganz gleichen Ranges (wir hörten den 1. Teil des Konzertes: die Fantasie f-Moll op. 40 und die Sonate h-Moll op. 58). Jenners Vortrag ist nicht ohne Kraft, auch nicht ohne Feinheit und Grazie, es fehlt ihm nur das spezifische „Parfum“: das slawische, das pariserische und das der Dėca- dence. Dies zu erspüren und zu gestalten ist Jenner nicht etwa zu jung, sondern um eine Spur zu robust. Vielleicht kommt man Chopin überhaupt nur auf dem Weg einer gewissen Wahlverwandtschaft im Psycho-Physischen nahe. Analoges gilt auch von Jenners Technik, die zwar tadellos, aber ohne Brillanz ist. Das Publikum hielt sich (mit Recht) an die solide Leistung und applaudierte kräftig,

Nach der Pause kam der Rezensent gerade noch zurecht, um im Mozartsaal des Konzerthauses das Hauptwerk eines Kammermusikabends zu hören, den das „Wiener Trio“ veranstaltete: Max Regers Klaviertrio e-Moll op. 102. Die aus dem Beginn seiner Leipziger Zeit (1907/08) stammende Komposition ist ein großes Stück typisch deutscher Musik, in der sich Phantasie, Temperament und gelehrtes Können auf geradezu wunderbare Weise ergänzen. Das trotz monothematischer Anlage höchst abwechslungsreiche Werk hat Substanz und Gewicht einer Symphonie, und die drei jungen Künstler, Rudolf Buchbinder — Klavier, Peter Guth — Violine./und Heidi Litschauer — Violoncello, haben sich in diese schwere und schwerblütige Musik mit Leidenschaft und erstaunlichem Einfühlungsvermögen versenkt. Da die beiden Streichinstrumente auf weite Strecken unisono geführt werden, ist an virtuosen und klanglichen Effekten nicht viel zu holen. Um so höher sind die von Reger gestellten Ansprüche an die Musikalität und Akuratesse der Ausführenden (etwa in den Pizzicati des Allegro-Satzes), denen voll und ganz entsprochen wurde. Leider ließen sich die jungen Musikanten durch den stürmischen und langanhaltenden Beifall zu zwei Draufgaben verleiten, die den starken Eindruck des gewichtigen Reger- Werkes merklich abgeschwächt haben. (Den ersten Teil des Programms bildeten das Klaviertrio G-Dur op. 1 von Beethoven und Smetanas Trio g-Moll op. 15.)

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