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Konzerte und Oper

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Mozart, wie er unserem Herzen nahe ist, wurde zum beglückenden Erlebnis im Mozarteum-Festspielkonzert der Wiener Philharmoniker unter Karl Böhm. Man glaubte, die vertrauten Schöpfungen des Genius zum erstenmal zu hören, so himmlisch heiter, so innig und klar wurden sie dargeboten. Die schöne Einheit von Werk, Auslegung und Wiedergabe trug dazu bei, daß der tiefe Sinn des Phänomens Mozart offenbar wurde: das Menschliche als Spiegelung des Göttlichen. Die köstliche „Serenata notturna“ in D, K. V. 239, gab dem jungen Konzertmeister der Philharmoniker, Walter Weller, Gelegenheit, sein Können und seine Musikalität im besten Licht zu zeigen. Er führte mit der Sicherheit seiner berühmtesten Vorgänger. Nach der fein ausgewogenen Wiedergabe der C-Dur-Symphonie, K. V. 338, schloß die Matinee mit einer jubelnden, herrlichen „Jupitersymphonie“, wie sie uns vielleicht noch nie geschenkt wurde. Böhm und die Wiener Philharmoniker wurden begeistert gefeiert.

Ganz anderer Art, wenngleich ebenfalls höchst eindrucksvoll, war die Demonstration unfehlbarer Meisterschaft im 4. Orchesterkonzert der Berliner Philharmoniker unter George Szelt. Immer wieder fällt im Zusammenhang mit diesem Dirigenten das Wort „Perfektion“, und zwar mit vollstem Recht, denn hier wird alles mit minutiöser Genauigkeit, mit absoluter Beherrschung des Technischen vorgetragen. Aber dieses Urteil muß auch die Gestaltung der musikalischen Substanz einschließen, und damit verliert es jede abwertende Nebenbedeutung. Es wird zur uneingeschränkten Anerkennung erfolgreich angestrebter Werktreue. Nach der mit großem Ton und im Geist des Barock gespielten Alceste-Ouvertüre von Christoph Willibald Gluck wurde Mozarts Klavierkonzert in B-Dur makellos dargeboten. Clifford Curzon zeichnete den Solopart wie mit dem Silberstift auf den nobel getönten Grund des Orchesterklangs und erwies sich wieder als einer der besten Mozartspieler unserer Zeit. Eine brillante Wiedergabe der „Sinfonia domestica“ von Richard Strauss beschloß den Abend, wobei die „Berliner“ die humorvollen Pointen der Partitur, die dynamischen und harmonischen Scherze mit effektvoller Virtuosität, die melodische Linie mit wohltuender Reserve zum Klingen brachten.

Das Richard Strauss-Konzert der Berliner Philharmoniker, .mit dem Karajan das Andenken des Me stnrs ehrte, fnt- higįt„ in sgįnem ersten Jjgil j wei Kostbarkeiten, Alterswerke, grundlegend verschieden voneinander in Stil und Charakter, beide aber von hoher Schönheit. Der goldene Glanz eines Spätherbsttsges liegt über dem Konzert für Oboe und kleines Orchester, das Strauss in den Wirrnissen der Nachkriegsmonate 1945/46 komponierte. Es ist „den Manen des göttlichen Mozart am Ende eines dankerfüllten Lebens“ gewidmet und nimmt die Tonsprache der Klassik und der Romantik wieder auf, als wollte sich der Meister mit dieser Rückwendung in die Vergangenheit den furchtbaren Erschütterungen der Gegenwart entziehen. Unproblematisch, einfach in der harmonischen Struktur und von poetischer Melodik, ist das Werk mehr noch der Klangwelt Schumanns als jener Mozarts benachbart. Im Allegro moderato herrscht die Solooboe von Anfang an, alterniert später mit Viola und Cello und leitet dann zu dem sehnsuchtsvollen Andante über. Nach einem ländlich heiteren Vivace mit einer Abwandlung bisheriger Themen werden die anmutigen Schlußwendungen erreicht. Es wurde wundervoll musiziert. Hat man je einen so entmaterialisierten, flaumleichten Oboenklang gehört, wie ihn Lothar Koch aufblühen ließ? — man kam aus dem Staunen einfach nicht heraus. Elisabeth Schwarzkopf sang die „Vier letzten Lieder“ (auf Gedichte von Hermann Hesse und Eichendorff) mit jener inneren Beteiligung, die dieser Sängerin zu eigen ist und der Süße und Bitterkeit eines Abschieds unvergleichlichen Ausdruck gibt. Zum großartigen Beschluß erlebte man eine Aufführung des „Heldenlebens“, die den einzigartigen Rang des Orchesters und die mitreißende Interpretationskunst Herbert von Karajans noch einmal bezeugte. Der Goldglanz der Bläser wie der schwingende Streicherklang bleiben unvergeßlich im Gedächtnis. Das Violinsolo spielte Konzertmeister Michael Schwalbe mit edelster Kan- tilene, groß und beherrscht. Es gab endlose Ovationen.

Im Alten Festspielhaus entzückte die letzte Wiederholung der Rennert-Böhm- Inszenierung von „Cosi fan tutte“ das Publikum wie am ersten Tag. Da war nichts verblaßt, nichts Routine gewor-

den, Gesang und Spiel ergaben absolute Entsprechung, ergänzen, erhöhten einander, und die Darsteller fanden sich zu einer Ensembleleistung von itiw-rreich- barer Vollkommenheit. Nahezu jede Partie war ideal besetzt: Christa Ludwig (Dorabella), Elisabeth Schwarzkopf (Fior- diligi), Graziella Sciutti (Despina), die Herren Prey, Kmentt und Dönch — der vielleicht einmalige Glücksfall einer Gemeinschaft, in der die einzelnen Darsteller das Urbild ihrer Rolle restlos verkörpern und mit den anderen noch in der heitersten Spieliaune Zusammenwirken. Als Besonderheit sei erwähnt, daß Christa Ludwig am Tag nach einer hinreißenden Ariadne eine ebensolche Dorabella sang; es wird nicht viele Sängerinnen geben, die sich Ähnliches zumuten dürfen. Karl Böhm hielt Orchester und Bühne mit jener spirituellen Ausstrahlung zusammen, der man sich unterwirft, um ganz frei zu werden. Das Publikum feierte alle Mitwirkenden und ließ erkennen, daß es von dieser „Reprise“ nur ungern Abschied nimmt.

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