Jugend ohne Gott - © Foto: Arno Declair

Die Rettung der Vernunft

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Thomas Ostermeiers Inszenierung des Romans „Jugend ohne Gott“ von Ödön von Horváth bei den Salzburger Festspielen erweist sich als atemloses Stück vor minimalistischer Kulisse.

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Thomas Ostermeiers Inszenierung des Romans „Jugend ohne Gott“ von Ödön von Horváth bei den Salzburger Festspielen erweist sich als atemloses Stück vor minimalistischer Kulisse.

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Ein Schüler und sein Lehrer unterhalten sich. Im Hintergrund, der immer mehr zum akustischen Vordergrund wird, Militärmusik und Marschgetrampel. So hört sich aufziehendes Unheil an. Zwei Einzelne im Zeitalter der Brutalisierung sind zum Gruppenzwang verpflichtet. Das wissen die beiden, aber diese Szene spielt zu einer Zeit, als die Zeit der ersten Euphorie verklungen und Ernüchterung eingetreten ist. Der Lehrer passt sich wider besseres Gewissen an und hadert mit seiner Existenz als einer, der alles, was ihm bitter aufstößt, hinnimmt. Das muss er, zumal er einmal Afrikaner als Menschen bezeichnete, was sich als schwerer Fehler in einem Herrenmenschen-Regime herausstellte. Seither hält er still. Der Schüler gesteht, sich mit anderen zu treffen, um verbotene Literatur zu lesen. Das ist als erfreulicher Akt des Widerstands gegen das Einheitsdenken zu verstehen. So krawallmäßig sich die Propaganda in den Gehirnen niederlässt, so klandestin und vorsichtig findet das Gegenprogramm zur Rettung der Vernunft und des Anstands statt. Das bleibt aber die Ausnahme.

Hauchdünner Boden der Zivilisation

Der Einzelne und die Gesellschaft bilden das Oppositionspaar, das in der Umdeutung des Romans „Jugend ohne Gott“ von Ödön von Horváth durch Thomas Ostermeier und Florian Borchmeyer in ein Theaterstück in Variationen seinen Auftritt bekommt. Die beiden verlagern die Ereignisse konkret in die Zeit des Dritten Reiches, während der Roman in einem ungenannten totalitären Regime spielt. Der Boden der Zivilisation erweist sich als hauchdünn, wenn die soziale Kontrolle jede Abweichung unter Strafe stellt. Dann gilt jemand als verdächtig, der Menschlichkeit einfordert und auf einem Wertekanon besteht. Unvermittelt schafft das Stück den Sprung aus der Vergangenheit in unsere Zeit, wenn die Folgen der Auflösung der Menschlichkeit in knappen Szenen vorgeführt werden.

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