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Betroffenheit ist eine Chance

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Seit am unglückseligen Sonntagabend des 23. November die Erde rund um Neapel zu beben begonnen und Hunderttausende in Not und Elend gestürzt - oder gar unter den wie Kartenhäuser zusammenbrechenden Unterkünften begraben - hat, ist auch die erdbebenverschonte Alpenrepublik nicht mehr ganz so, wie sie bis dahin war.

Rund 13 Millionen Schilling sind bis Mitte der vergangenen Woche alleine uaf das Wiener Caritas-Postscheckkonto eingezahlt worden (in ganz Osterreich dürften es noch einmal soviel sein), beim Roten Kreuz waren es an die acht Millionen und auch bei den meisten anderen Spendenkonten tragen siebenstellige Beträge und Zwischensummen den Vermerk „Erdbebenhilfe Italien".

Womit sich die Frage stellt, was damit nun passiert.

„Zweckmäßige Soforthilfe", lautet unisono die Antwort der karitativen Organisationen: Das Rote Kreuz hat schon am Tag nach dem Unglück die ersten 70 Zelte und 1500 Flaschen Blutersatz mit der AUA ins Katastrophengebiet geschickt und in den Tagen danach mit den eingegangenen Spenden weitere mobile Unterkünfte ein- (und unter anderem einheimische Zeltfirmen aufgekauft.

„Wir schicken kein Geld, solange das nicht unbedingt nötig ist", heißt es auch in der österreichischen Caritaszentrale, wo insgesamt vierzig gebrauchte Wohnwagen gekauft wurden, die man mit haltbaren Lebensmitteln, Decken, Bekleidung und Geschirr ausstattete. Kostenpunkt: 1,72 Millionen.

2,7 Millionen Schilling kosteten die ebenfalls vierzig sofort lieferbaren Fertigteilhäuser aus ölgetränkten Hartfaserplatten mit Aluminiumdächern, die später einmal vom Stadium des Provisoriums in dauerhafte Unterkünfte weitergebaut werden können.

Und immer wieder Decken, Kleider, Mäntel, Lebensmittel: Mehr als 25 Tonnen allein von der rot-weiß-roten Caritas.

„Die Koordination funktioniert halt am Anfang nicht", wissen österreichische Katastrophenhelfer - schon aus leidvoller, wiederholter Erfahrung: Weshalb sie eigene Planstudien über die konkrete Vorgangsweise im Ernstfall erarbeitet haben ... und doch bisweilen an der Realität scheitern:

Denn seit Tagen wälzen sich nicht nur die Kolonnen der sozusagen „offiziellen" Hilfsgütersendungen in die -viel zu wenigen - Zentral- und Verteilungslager, sondern auch die der privaten Hilfegebenden.

Fazit: „Die fahren hinunter, sehen Menschen und geben ihnen ihre Bekleidungsstücke. Aber weil die vielleicht gerade etwas anderes brauchen, verrotten mittlerweile Tonnen von Materialien im Regen und Schlamm."-Soforthilfe ist wichtig - aber sie muß unter Kontrolle sein ..."

Was aber niemanden abhalten sollte, seinen Beitrag zu leisten: Zum einen werden mittlerweile gerade die leicht verderblichen Hilfsgüter bis zum ausdrücklichen Abruf in österreichischen Lagern aufbewahrt - und zum anderen kommen auf die verschiedenen Hilfsorganisationen schon bald (man rechnet im kommenden Frühjahr) die Wiederaufbauarbeiten zu.

Die Adventmission sammelt, „Round table" - eine wohltätige Vereinigung ähnlich dem Lions-Club -möchte erst einmal rund 100 Kinder aus dem Bebengebiet für ein halbes Jahr nach Österreich einladen, Regierung, Gewerkschaftsbund und Bundeswirtschaftskammer überwiesen Gelder in Millionenhöhe und die internationale SOS-Kinderdorforganisation hat sich bereit erklärt, alle elternlos gewordenen Kinder in ihren bestehenden Dörfern in Ostuni bei Brindisi bzw. Trento unterzubringen; überdies wird ein weiteres Kinderdorf errichtet.

„Die Spendefreudigkeit nimmt mit dem Quadrat der Entfernung ab", faßt Dr. Wagenhofer vom Roten Kreuz seine Erfahrungen in einen prägnanten Satz. Um sich sofort zu korrigieren: „Zumindest war das bisher immer so."

Süditalien nämlich fällt - im positiven Sinn - ein bißchen aus der Rolle, hat alle Hilfsorganisationen positiv überrascht, „noch dazu, wo Weihnachten mit all seinen Einkäufen ja vor der Tür steht, und die letzten Katastrophen kaum noch vergessen sind."

Vielleicht aber gerade deshalb. Und vielleicht auch aus dem Grund, daß Lebensqualität in diesen Wochen der Angst und des Schreckens eine neue Bedeutung, eine neue Dimension erhalten hat: eine, die mehr besagt als bloß Wohlstand im materiellen Sinn...

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