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Der Hunger der Welt

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Millionen Menschen sterben vor Hunger. Jahr für Jahr nimmt der Hunger in der Welt zu. Dieser Hunger ist kein blindes Schicksal, das wir hinnehmen müssen, sondern die Folge von Unrecht und menschlichen Entscheidungen.

Der Generaldirektor der Welternährungsorganisation FAO, Saouma, formuliert es deutlich: „Die ganze Welt leidet Hunger, mit Ausnahme einer Minderheit, und diese leidet unter Energiemangel."

Der Friedensnobelpreisträger von 1970, Norman E. Borlaug, der Erfinder einer Möglichkeit, den landwirtschaftlichen Ertrag beträchtlich zu erhöhen und somit Begründer der „grünen Revolution", sagte: „20 Millionen Menschen werden im kommenden Jahr verhungern, wenn nicht rechtzeitig etwas geschieht."

Die FAO warnt vor der starken Lebensmittelverknappung um das Jahr 1985. Schon heute stirbt in Indien jährlich eine Million Kinder an Unterernährung. Die Weltbevölkerung wächst jährlich um zwei bis drei Prozent. Sie

wächst stärker als der Ertrag der Felder.

Heute liegt ein Graben quer durch die Welt; er trennt die reichen und die hungernden Völker. Diese Kluft wird von Jahr zu Jahr breiter, das Unrecht größer, es wachsen Terror, Gewalt und Revolution.

Die Wortführer sind Propagandisten oder Revolutionäre. Sie proben mit jenen hungernden Völkern den Aufstand gegen die Industriestaaten und schüren heute jenes Feuer, das die Industriestaaten selbst entzündet haben. Wir aber, die Mitglieder der westlichen, ehemals christhchen Welt, leben heute als satte, sorglose Luxusgesellschaft.

Wenn wir der hungernden Welt helfen wollen, dann genügen nicht jene fünf Schilling, die wir von je 1000 erarbeiteten Schillingen als Entwicklungshilfe ausgeben. 0,19 Prozent des Bruttonatio-nalproduktes (BNP) gibt Osterreich jährlich für den Bruder, der am Verhungern ist. Viele von uns wissen nicht einmal davon.

Unsere Welt hat nach Ansicht maßgeblicher Fachleute nicht mehr unbegrenzte Zeit zur Entscheidung - zur Entscheidung, ob wir in den Industrieländern die Konsumsteigerung um jeden Preis weitertreiben, oder ob wir den hungernden Völkern wirtschaftlich helfen wollen. Wir müssen wählen zwischen Luxus und Erbarmen.

Der Club of Rome hat schon vor Jahren Haupttrends der gegenwärtigen Entwicklung, wie beschleunigte Industrialisierung, rapides Bevölkerungswachstum, weltweite Unterernährung, Ausbeutung von Rohstoffreserven und Zerstörung des Lebensraumes zu einem Weltmodell zusammengefaßt, einen teuflischen Re-. gelkreis aufgedeckt und auf die bedrohlichen Grenzen des Wachstums hingewiesen. Bei anhaltender Entwicklung sei nach seinen Vorausberechnungen in bereits absehbarer Zukunft mit katastrophalen Zusammenbrüchen zu rechnen.

Die Kirche sagt heute mit großer Uberzeugungskraft: Der wesentliche Weg zum Uberleben der Welt ist Selbstzucht und Selbstbeherrschung, echte Bindung an Gott und Rücksicht auf die Menschen, Gewissen und Verantwortungsbewußtsein.

Die eigentliche Entscheidung aber muß darin bestehen, daß wir die hungernden Länder nicht mehr weiterhin vom Weltmarkt, beherrscht von den reichen Nationen, ausschließen, sondern sie dazu ausbilden, im Gefüge der Weltwirtschaft einen selbständigen Platz zu erringen.

Sind wir zu diesem Schritt bereit?

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