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Die Farbe des Geldes
Selbstverständnis und satte Selbstzufriedenheit sind auch in der Schweiz einer starken Erosion ausgesetzt. Zweifel an der Armee, Zweifel an der Seriosität der Regierenden (Affäre Kopp), Zweifel am Staatswesen überhaupt (Spitzelaffare), Zweifel an der Rolle der Banken plagen die Eidgenossen.
Geradezu ein Altmeister auf dem Gebiet, hinter die sauberen Gardinen der Schweiz zu blicken und dort allerlei Unangenehmes zu finden, ist Jean Ziegler, Genfer Soziologieprofessor und Abgeordneter der Sozialdemokraten.
Im Februar dieses Jahres hat er einmal mehr von sich hören lassen. „La Suisse lave plus blanc" verkündete stolz der Titel seines neuesten Buches. (Als „Die Schweiz wäscht weißer" ist es in deutscher Sprache erschienen und bei uns ein Bestseller geworden.) Dieses bietet für Stolz aber gar keinen Anlaß, denn es befaßt sich nicht etwa mit den Praktiken der Waschmittelwerbung, sondern mit Drogengeldern und der sogenannten Geldwäscherei. Zieglers Kritik zielt ohne Umschweife ins Volle: „Auf unserem Planeten", sagt er gleich zu Beginn, „ist die Schweiz heute die wichtigste Drehscheibe der Weißwaschung und des Recycling des Geldes des Todes. Für Generationen war sie das Symbol für Hygiene, Gesundheit und Sauberkeit. Heute ist sie ein Infektionsherd."
„Gelder des Todes" sind für Ziegler die Erlöse aus Produktion und Handel mit Drogen. Auf 300 bis 500 Milliarden Dollar (!) pro Jahr werden diese Gelder geschätzt. Jeder Drogenbaron, der auf sich hält, möchte natürlich - allein schon, um den lästigen Fragen der gelegentlich doch aktiven Behörden zu entgehen - den Anschein erwecken, als wäre alles rechtmäßig erworben. Und zweitens möchte er auch nicht auf seinen Geldsäcken sitzen wie weiland Dagobert Duck, sondern gewinnbringend veranlagen. Das heißt, der Besitz des Geldes muß legalisiert werden, ohne daß irgendwelche „Schnüffler" ein Haar in der Suppe finden können.
Bedeutendster Hehler (Ziegler steht nicht an, das glattweg „Hehlerei" zu nennen) des Todesgeldes: das Schweizerische Banksystem, das Unvergleichliches leistet, was die Aufnahme und Wiederein-schleusung des schmutzigen Geldes in den internationalen Kreislauf betrifft. (Natürlich lassen die gigantischen Geldflüsse, die so durch das kleine Land geschleust werden, an ihren Ufern recht hübsche Profite zurück.)
Welche besonderen Voraussetzungen bietet gerade die Schweiz?
Nach Ziegler sind es vor allem fünf Punkte:
• Die Reagan-Administration hat während ihrer Amtszeit von 1981 bis 1988 im Zuge ihres Antidrogen-Programms eines der altgedienten Geld waschzentren nach dem anderen - Panama, Bermuda, Curacao, Cayman - unter ihre Kontrolle gebracht. Ein Großteil des Geschäfts verlagerte sich daraufhin in die Schweiz.
• Als größter Gold- und zweitgrößter Geldmarkt verfügt die Schweiz über ein sehr effizientes Bankensystem mit Verbindungen und Niederlassungen in der ganzen Welt. Diskretion und Arbeitseifer, wenn es um die Anhäuf ung weiterer Frankenbestände geht, sind sprichwörtlich.
• Das Bankgeheimnis als höchstes Gesetz, geradezu als Staatsidee, bedroht jeden kleinen Bankbeamten mit Strafe, wenn er es wagen sollte, ein solches Geheimnis auszuplaudern. Mit Hilfe einer solchen Gesetzgebung kann das Drogengeld für immer als solches verschwinden und sauber und ehrenwert auf den Immobilienmärkten von New York und Paris wieder auftauchen, an den internationalen Börsen arbeiten oder als Kredit in den Bilanzen respektabler Unternehmen aufscheinen.
• In den USA muß sich jeder legitimieren, der mit einer Summe von mehr als 10.000 Dollar an einem Bankschalter erscheint. In der Schweiz gibt es eine solche Bestimmung nicht.
• Es gibt auch keinerlei Vorschriften, die Zufluß, Abfluß, Weißwaschung und Re-Investition speziell von Drogengeld in irgendeiner Weise behindern würden.
Zu den letzten beiden Punkten ist es in der Schweiz in den vergangenen Monaten auf Druck der USA, Frankreichs und der EG zu ergänzenden Bestimmungen und Vorschriften gekommen, die von Ziegler aber als zu vage beurteilt werden, um wirkliche Hindernisse darzustellen.
Ziegler vermittelt an einigen Stellen den Eindruck, daß sich die einflußreichen Kreise der Schweiz und vor allem die Justiz mit den Drogenhändlern bewußt arrangiert haben. Nicht nur, weil es profitabel ist, sondern weil von deren Seite keine Gefahr für die herrschenden Strukturen besteht. Diese Strukturen sind für Ziegler in der Schweiz starr, versteinert, undemokratisch, unterliegen kaum einer politischen Kontrolle und stellen daher für die Drogenmafia keine Bedrohung dar. Für Staatspolizei und Geheimdienste ist die Jagd auf irgendwelche „subversive Elemente" jedenfalls wichtiger.
Auf einer solchen Grundlage der gegenseitigen „Achtung" zwischen Drogenbaronen und einflußreichen Kreisen kann sich das organisierte Verbrechen in einem Staatswesen einnisten. In der Schweiz kam es auf diese Weise zu einer Infiltration der politischen Institutionen, wofür die Affäre Kopp (nach Justizministerin Elisabeth Kopp, die ihren Rücktritt wegen offenkundiger Verwicklung ihres Gatten in Transaktionen mit schmutzigem Geld, von denen sie wußte, einreichen mußte) nur die Spitze eines Eisbergs ist. Vielmehr sind nach Ziegler Polizei, Justiz und Beamtenschaft von Mitläufern der Drogenmafia durchsetzt - ein Umstand, gegen den er wohl mit Recht zu vehementem Widerstand aufruft.
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