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Ein Bildungshaus im Häusermeer

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Wo die Lainzerstraße die Jagdschloßgasse schneidet, ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, an dem sich die Autokolonnen stauen, wo die Kinder in dichten Haufen auf die Straßenbahnen warten und die Erwachsenen auf ihrem Weg zur Arbeit vorüberhasten. An dieser Stelle steht auch das „Bildungshaus Lainz“, bei Tag erkennbar durch eine verglaste Hausfront, bei Nacht durch die vielen erleuchteten Fenster.

Trotzdem geht es unter im Häusermeer der Stadt. Es brauchte schon stärkere Signale, um den heutigen Menschen zur Kenntnisnahme zu bringen! Eine Geschäftsfrau aus der Nachbarschaft - auf das Bildungshaus angesprochen - fragte ganz erstaunt: „Sie meinen das Haus, wo die Klosterkirche steht?“ Dabei wurde die Klosterkirche schon vor 15 Jahren beim Bau des Bildungshauses abgerissen. Aber der Ausspruch ist bezeichnend für viele Großstadtmenschen, die in ihrer Berufsroutine kaum mehr aufblicken und immer blinder werden für ihre Umgebung, für ihre Mitmenschen und schließlich auch für jede tiefere Wirklichkeit. Das führt dann zu jener Vereinsamung, die wir heute als Stigma der Großstadt empfinden.

Diesen Menschen will das Bildungshaus anbieten, was sie am meisten brauchen: Begegnung, Besinnung, Bildung in jenem tieferen Sinn, wie sie den Menschen durch Schule und Beruf meist vorenthalten wird.

Besinnung: das Wort deutet auf jenen „Sinn“ hin, den heute so viele Menschen in ihrem Leben und in ihrer Arbeit vergeblich zu suchen scheinen, ohne den sie aber nicht leben können und dessen Mangel sie krank macht. Zur Sinnsuche und Sinngebung im Leben-denn „Sinn“ ist kein bloßes Konsumgut - anzuleiten, ist eine alte Tradition des Jesuitenordens.

Dazu dienen die alten Mittel in zeitgemäßer Form:

Einkehr, nachdenkliche Stille, Gebet.

Ebenso notwendig aber ist für den

heutigen Menschen die Begegnung. Viele, vielleicht die wichtigsten unserer Probleme können wir nicht allein lösen, weil sie nicht von uns allein ausgehen, sondern aus unserer menschlichen Umwelt stammen. Das gilt zum Beispiel für Ehepartner. Eheseminare und Familienkonferenzen sollen die Kontaktfähigkeit vermehren und zur besseren Kommunikation verhelfen.

Wo Besinnung und Begegnung geschieht, geschieht immer auch schon Bildung - nicht nur intellektuelle, sondern gesamtmenschliche Bildung, an der es heute so sehr fehlt. Darüber hinaus wird aber auch Wissenserweiterung, Information geboten, besonders religiös-theologische Weiterbildung. Diesem Ziel dienen Seminare und theologische Laienkurse.

Als Zielgruppe unserer Angebote sehen wir vor allem die kritischen und suchenden Menschen, die Ant-

wort suchen auf anstehende religiöse und gesellschaftliche Fragen, die aber bei dem heute herrschenden Mißtrauen gegen kirchliche Einrichtungen am schwersten anzusprechen sind. Weiterhin stehen im Vordergrund die sogenannten „Multiplikatoren“, Menschen die weitergeben können, was sie an Hilfe und Anregung erhalten, Menschen in verantwortlicher Stellung, mit sozialem Engagement oder in sozialen Berufen. Kommunikationstraining und

Persönlichkeitsbildung können gerade ihnen helfen, bessere Kontakte mit ihren Partnern zu finden.

Eine Zielgruppe, die schon ausgiebigen Gebrauch von unseren Angeboten macht, sind Eltern und Ehepaare. Wir wollen aber nicht nur den „heilen“ Ehen, sondern auch den Geschiedenen helfen. Schließlich wird in Exerzitien, Meditationskursen und Gebetsgruppen dem wachsenden Bedürfnis nach religiöser Vertiefung Rechnung getragen.

Für alle diese Aktivitäten müssen von einem Bildungshaus die nötigen Räume zur Verfügung gestellt werden, was nicht immer ganz leicht ist, weil täglich mehrere Kurse laufen und manchmal die Weisungstafel im Foyer mit Ankündigungen voll bedeckt ist. Das verlangt vom Personal eine eingehende Planung. Es stehen Arbeitsräume in jeder Größe zur Verfügung, vom Hörsaal mit 100 Sitzen bis zum intimen „Gartenzimmer“.

Für größere Tagungen oder Kongresse wie etwa für die Weihnachtspastoraltagung muß die Kirche herangezogen werden. Für die Übernachtung stehen im Bildungshaus 90 Betten in Ein- und Zweibettzimmern zur Verfügung.

Welchen Einfluß mag ein solches Haus auf seine Umgebung - und damit ist eigentlich ganz Wien gemeint -haben? Es gibt in Neuwaldegg noch ein zweites Bildungshaus, ein altes Schloß in einem schönen Park, das vor allem den unmittelbaren Bildungsanliegen des Vikariates Wien dient, der Fortbildung von Pfarrgemeinderäten, der katholischen Jugend usw. Aber was ist das für eine ganze Großstadt und was ist das im Vergleich zu der großen Zahl der Volksbildungshäuser und Volkshochschulen, die jedoch andere Ziele verfolgen?

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