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Einfache Mehrheit erstmals möglich

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Am 1. Oktober 1975 trat ein neues, bereits seit längerer Zeit erwartetes Papstwahlrecht in Kraft (Apostolische Konstitution „Romano Pontifici Eli- gendo“). Es waren mit dieser Neuregelung allerlei Spekulationen verbunden, die eine grundsätzliche Revision des Papstwahlrechtes erwarteten, ist dieses doch in seinen Grundzügen im wesentlichen seit dem 12. Jahrhundert konstant geblieben. Obgleich die neue Konstitution sich dann in dieser Tradition hielt, bringt sie im Gegensatz zur großen Zahl von Papstwahlgesetzen unseres Jahrhunderts doch einige bemerkenswerte Neuerungen, die kurz dargestellt werden sollen.

Mit dem aktiven Wahlrecht waren die meisten Überlegungen verbunden. Es gab eine ganze Reihe von Vorschlägen, durch die das Kardinalskollegium als Wahlkörper ersetzt werden sollte, und zwar durch ein Kollegium, das in irgendeiner Form den Weltepiskopat repräsentiert, unter Umständen in Anlehnung an die Bischofssynode. Die Erwartung einer diesbezüglichen Änderung wurde vor allem dadurch genährt, daß Paul VI. selbst des öfteren seine positive Haltung gegenüber einer derartigen Erweiterung des aktiven Wahlrechtes kundtat.

Es hat daher überrascht, daß man auch weiterhin am aktiven Wahlrecht des Kardinalskollegiums festhielt. Eine in die Konstitution übernommene, von Paul VI. bereits 1970 erlassene Änderung schränkte das Wahlrecht aber auf jene Mitglieder des Kardinalskollegiums ein, die vor Eintritt in das Konklave das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Aus dem ersten Teil der Konstitution, der einen Motivenbericht enthält, und einer Reihe von Bestimmungen läßt sich eine Begründung für die Beibehaltung’ der alten Regelung heraüs- lesfen. Es ist dies offensichtlich die Sorge, eine - v. a. durch weltliche Macht - unbeeinflußte Wahl zu garantieren. Dafür eignet sich ein rasch verfügbarer Wahlkörper wie das Kardinalskollegium besser als ein Wahlkollegium, das sich erst anläßlich der Wahl zu konstitutieren hätte, was wohl die Folge aller Änderungsvorschläge gewesen wäre.

Bezeichnend ist, daß etwa die bisher vorgesehene Verlesung von Schreiben weltlicher Machthaber, Berichten von Nuntien und ähnlicher Informationsmöglichkeiten für die Kardinale in einer der ersten Generalkongregationen nicht mehr vorgesehen ist. Der von den Kardinalen und den Konklavisten (den Dienstleistungsträgem im Konklave) zu leistende Eid ist den zeitgemäßen Möglichkeiten der Beeinflussung angepaßt. An die sozialen Kommunikationsmittel wird dabei im besonderen gedacht. Es werden ausdrücklich Techniker mit ins Konklave genommen, die angesichts der Gefahren seitens der modernen Elektronik die „Unversehrtheit“ des Konklaves, d. h. den völligen Abschluß von der Umwelt, zu überwachen haben.

Auch Gefahren, die in den Personen der Konklavisten liegen könnten, wurden ausgeräumt. Während bisher die Kardinale mit zwei (in Ausnahmefällen drei) Personen ihres Vertrauens ins Konklave zogen, werden nunmehr für die entsprechenden Dienstleistungen im Konklave generell Personen durch eine eigene Kardinalskommission namhaft gemacht. Man dachte offensichtlich an den Fall, daß einem Kardinal von außen ein Konklavist aufgezwungen werden soll.

Die drei traditionellen Wahlmodi (durch einstimmigen Zuruf, durch Wahlmänner, durch Abstimmung) wurden beibehalten. Im Mittelpunkt steht natürlich auch weiterhin die Wahl durch Abstimmung (per scruti- nium). Gegenüber der Regelung Johannes’ XXIII., die etwas unklar war, kehrte Paul VI. zur alten Bestimmung Pius’ XII. zurück, daß in jedem Fall eine Mehrheit von zwei Dritteln plus einer Stimme verlangt ist, um Entscheidung durch Selbstwahl auszuscheiden.

Bedeutsamer ist jedoch die Einführung eines detailliert geregelten außerordentlichen Abstimmungsverfahrens. Es werden zunächst nach einer Reihq von Wahlgängen (vier pro Tag) je fragen, ob sie einen anderen Weg ein- schlagen wollen: entweder, daß sie ihr Stimmrecht auf Wahlmänner (9 bis 15) übertragen (also zum auch bislang bekannten modus per compromissum übergehen) oder aber, und das ist neu, daß sie beschließen, bei den folgenden Wahlgängen sich mit der absoluten Mehrheit plus einer Stimme zu begnügen (ein Modus, den man u. a. von der Wahl des italienischen Staatspräsidenten her kennt).

Für den zweiten Fall kann noch zusätzlich beschlossen werden, das Verfahren Radikal abzukürzen, indem man eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten ansetzt, die beim letzten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten haben. Entscheidend ist jedoch, daß für den Beschluß, sich mit der absoluten Mehrheit zu begnügen, Einstimmigkeit verlangt wird. Der Widerspruch auch nur eines Kardinals im Konklave verhindert somit den Übergang zu diesem Modus, und es kommt zu weiteren Wahlgängen, für die eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist.

Das passive Wahlrecht erstreckt sich wie bisher auf alle männlichen Katho liken, die im Vollbesitz ihrer Vernunft sind. Obwohl sichtlich mit dem Normalfall - der Wahl eines Kardinals - gerechnet wird, ist die Zahl jener Bestimmungen deutlich vermehrt, die sich auf die Möglichkeit beziehen, daß ein Nichtkardinal gewählt wird.

Wie realistisch dies in der Praxis auch immer sein mag, die Konstitution hat im Zusammenhang damit ein Problem angerissen und einer neuen Regelung zugeführt. Es geht darum, ob auch ein noch nicht zum Bischof Geweihter die Primatialgewalt mit Annahme der Wahl ausüben könne. Man hat nunmehr im Sinne des Zweiten Va- tikanums die päpstliche Gewalt stärker an den Bischof von Rom gebunden. Ein noch nicht zum Bischof Geweihter muß unverzüglich geweiht werden und soll erst nach Konsekration der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Nach überwiegender Auffassung

Gewählten voraussetzt. Diese unverzügliche, nichtöffentliche Konsekration eines Gewählten ohne Bischofsweihe zeigt - neben möglichen theologischen Begründungen - ein Charakteristikum des neuen Papstwahlrechtes auf: Die Sorge, Manipulation und Beeinflussung von außen könnten die Wahl des Oberhauptes der katholischen Kirche beeinträchtigen

Dozent für Kirchenrecht, Univ. Wien

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