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Gehorsam bleibt das Fundament des Ordens

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Als am 27. September mehr als 10.000 Menschen in der großen Audienzhalle zum letzten Mal Papst Johannes Paul I. zujubelten, trafen einander wenige hundert Meter davon entfernt hundert Jesuiten aus der ganzen Welt zu einem sehr nüchternen Vorgang: zu einer Art Zwischenbilanz des Ordens. Juridisch hieß das: Verlangt die Uberprüfung der gegenwärtigen Lage der Gesellschaft Jesu die Einberufung des Ordensparlaments, der Generalkongregation, oder nicht? Diese Uberprüfung war in den mehr als 80 Provinzen mit aller Sorgfalt durchgeführt worden, und ein gewählter Sprecher wurde nach Rom gesandt Das Datum des 27. September war nicht zufällig. Am gleichen Tag hatte vor 438 Jahren Paul III. zum erstenmal den Orden bestätigt.

Als 1965 der schmächtige Baske Pedro Arrupe zum General des1 Ordens gewählt wurde, kannten ihn nur wenige. Er war 27 Jahre in Japan und arbeitete an einem jahrhundertealten Lieblingsprojekt des Ordens: die Kirche in die Kultur des Fernen Ostens einzuwurzeln. Heute zweifelt niemand daran, daß Pater Arrupe in den vergangenen vierzehn Jahren dem Jesuitenorden ein entscheidendes Gepräge gegeben hat.

Als in den turbulenten Jahren nach dem II. Vatikanischen Konzil die Einheit verschiedener Orden in eine Zerreißprobe geriet, war General Arrupe für den Jesuitenorden die zentrale einheitstiftende Kraft, keineswegs vom grünen Tisch aus, sondern durch seinen persönlichen Kontakt mit den Mitbrüdern. Kein General war bisher soviel auf Reisen wie er, und wo Krisenherde waren, tauchte er auf. Er bekam jährlich gegen 15.000 Briefe aus der gesamten Gesellschaft und schrieb selber unzählige.

Als er auf dem „Zwischenparlament“ des Ordens den Vertretern aus allen Kontinenten seinen Lagebericht gab, wußte man, daß hier nicht in vagen Vermutungen und billigen Vertröstungen gesprochen wurde, sondern aus einer persönlichen Kenntnis der Situation und aus einer absoluten Bereitschaft zur Wahrheit. Diese Haltung griff spontan auf die Delegierten über, die im Wechselgespräch mit dem General und untereinander zum Lagebericht der Gesellschaft Jesu Stellung nahmen. Da es sich bei diesem Gremium um keine Generalkongregation des Ordens handelte, war es klar, daß nur einige wesentliche Fragen herausgegriffen werden konnten. Andere wichtige mußten zurückgestellt werden. Aber sie gaben trotzdem eine deutliche Orientierung über den Stand des Jesuitenordens von heute.

Vielleicht war das das Erfreulichste auf dem Treffen in Rom: Diese hundert Mann waren nicht zuerst besorgt um die kleinen und großen Kümmernisse ihres persönlichen Lebens und ihrer Gemeinschaften. Immer wieder rückte die große Besorgnis in den Mittelpunkt der Gespräche, manchmal sachlich-nüchtern, nicht

selten engagiert und leidenschaftlich: die Bedrängnis der Botschaft Christi in der Welt von heute und die Verpflichtung zum neuen Einsatz. Damit stand man frontal vor dem direkten Auftrag, den Paul VI. dem Orden gegeben hatte: Die Auseinandersetzung mit dem modernen Atheismus, der das Christentum wie eine Zange umklammert

Dabei mußte es von selber zur Frage kommen: Wie ernst hat der Orden den Auftrag der 32. Generalkongregation genommen, daß die Verkündigung des Glaubens in der Welt von heute ohne den Einsatz für die Gerechtigkeit nicht mehr glaubwürdig erscheint? Der Orden hatte 1975 bewußt diese Entscheidung getroffen, weil er im Angesicht des zunehmenden Unrechtes, der wachsenden Gewalt und der Unfreiheit unzähliger Menschen davon überzeugt war, daß diese Situation wesentlich mit ein Grund ist, warum Menschen zum Atheismus getrieben werden. Der Orden war ebenso davon überzeugt, daß es nicht genügt, hier und dort karitativ tätig zu werden, sondern daß es dabei um eine Grundentscheidung ging, die alle Arbeiten mitbestimmen müsse.

Die Berichte aus dem Gesamtorden brachten heroische Beispiele aus vielen Ländern: aus El Salvador, Brasilien, Rhodesien. Aber sie brachten auch harte Selbstkritik. Nicht wenigen erschien dieser Einsatz zu lahm und zu zögernd. Der General warnte vor der Gefahr der Einseitigkeit und der Verpolitisierung dieses Auftrages. Er ließ aber keinen Zweifel darüber bestehen, wo er selber stand.

Als sich die Auseinandersetzungen stark auf den Raum der Dritten Welt und auf den westlichen Materialismus konzentrierten, wiesen die Vertreter der Länder unter kommunistischer Herrschaft auf das Unrecht, die Gewalt und die Unfreiheit hin, die dort bestehen. Sie taten das nicht mit theoretischen Argumenten, sondern mit konkreten Ereignissen und eigener Erfahrung. Man gab sich keiner Täuschung hin: Die Auseinandersetzung mit dem modernen Atheismus

Weihnachtsmarkt

In wenigen Tagen ist es wieder soweit: Das Werk vieler unermüdlicher Hände soll bei der Weihnachtsschau der Caritas Socialis regen Absatz finden, damit der Ertrag der Sozial- und Bildungsarbeit, der Aktion „Diene dem Alter“, dem Sozialdienst für Mutter und Kind sowie dem Sozialen Hilfs- und Beratungsdienst der Caritas Socialis zufließen kann. In Wien 9, Pramergasse 9, werden freiwillige Helferinnen vom 2. bis 4. Dezember zum 30. Mal die während des Jahres unter der kundig^besorgten Leitung von Sr. Anna Oswald hergestellten Weihnachtsgeschenke zum Kauf anbieten.

verdient notwendig eine verstärkte Auseinandersetzung mit dem Marxismus.

Die Gespräche-der Hundert blieben nach vielen Richtungen hin offen. Sie sollten auch gar keine neuen Entscheidungen bringen. Aber sie waren ein sprechender Beweis für die neue alte Unruhe des Ordens: sich den Fragen von heute zu stellen und Antworten für morgen zu suchen.

Wie mißt man den Tiefgang?

Ein Orden, der sich heute nicht immer wieder kritisch die Frage nach dem Stand seiner Spiritualität stellt, würde sich am Kernproblem seiner Existenz vorbeidrücken. Und das nicht nur deshalb, weil seine Mitglieder letztlich von dorther die geistliche Motivation und das Durchhaltevermögen im apostolischen Einsatz erhalten. Wer die Ereignisse in der Gesamtkirche und damit auch in den Orden in den letzten Jahrzehnten mitgelebt und miterlebt hat, weiß, daß hier bedeutende Veränderungen stattgefunden haben. Veränderungen, die Zeichen der Hoffnung sind, aber auch solche, die Besorgnis erzeugen.

Pater Arrupe sagte in seinem Lagebericht klar: „Weil der apostolische Einsatz des Ordens so brennend notwendig, aber auch so schwierig ist, braucht'er eine starke Spiritualität.“ Ignatius von Loyola hatte das gleiche vor mehr als 400 Jahren gesagt: „Das innere Gesetz der Liebe und Hingabe bedeutet mehr als alles äußere Dienstreglement.“

Die Berichte aus dem Gesamtorden gaben ein realistisches Bild. Hier wurden Mängel aufgezeigt und Selbstkritik geübt Zwei positive Tendenzen wurden sichtbar: einmal ein starkes Interesse an der Spiritualität des Ignatius, vor allem ah der Spiritualität der Exerzitien. Dies gilt in besonderer Weise auch für die Ordensjugend. Und das andere: eine

spürbare Tendenz zur religiösen. Praxis in Gemeinschaft. Das bedeutet keineswegs eine Übernahme mönchischer Formen. Wohl aber die Uberzeugung, daß eine apostolische Gemeinschaft gerade heute nicht nur aus der gemeinsamen Arbeit, sondern auch aus der Gemeinsamkeit religiöser Erfahrung leben muß.

Die Erneuerung des Gelübdes

Für den 30. September war die Privataudienz des Papstes Johannes Pauls I. mit Pater General Arrupe und den Delegierten aus dem Jesuitenorden festgelegt gewesen. Im Mittelpunkt dieser Begegnung sollte die Erneuerung des Gehorsamsgelübdes stehen, das den Jesuitenorden in besonderer Weise an den jeweiligen Papst bindet. Pater Arrupe hatte in seiner vorbereiteten Ansprache an den Papst den Satz stehen: „... Möge dieses Ereignis ein Zeichen dafür sein, daß der Herr die Gesellschaft Jesu gerade in dieser Zeit zur Treue .gegenüber seinem Stellvertreter ruft, einer Zeit, die für die Zukunft der Kirche entscheidend sein wird.“ Die Audienz fand nicht mehr statt Am Todestag des Papstes feierten die Delegierten ein Requiem für Johannes Paul I. Pater Arrupe verlas dabei die vorbereitete Botschaft an den Verstorbenen.

Man hörte in den vergangenen Jahren immer wieder Anfragen nach der Stellung des Jesuitenordens zum Heiligen StuhL Einige Ereignisse während der 32. Generalkongregation wurden journalistisch aufgebauscht oder einseitig interpretiert Man sprach von Spannungen und Mißtrauen. Es soll keineswegs verschwiegen werden, daß es Konflikte zwischen einzelnen Jesuiten und römischen Zentralstellen gab. Pater General hat wiederholt persönlich eingegriffen. Solche Konflikte gab es auch auf der Ebene von Lokalkirchen. Gelegentlich wurde der .jesuitische Gehorsam“ auch in einer Weise ausgelegt, die weder dem Geist des Gründers noch dem Kirchenverständnis von heute entsprach.

Arrupe nahm in seinem Lagebericht dazu in aller Offenheit Stellung.

Aber weder er noch das Zwischenparlament des Ordens ließen einen Zweifel darüber bestehen, daß der besondere Gehorsam dem jeweiligen Papst gegenüber auch in Zukunft das Fundament des Jesuitenordens bleiben wird.

Mit überwältigender Mehrheit stimmten die Delegierten für die Nicht-Einberufung des Ordensparlaments. Dar war nicht zuletzt ein Ausdruck des Vertrauens in General Arrupe. Es geschah nicht aus einer billigen Selbstzufriedenheit. Dafür waren der Anforderungen von innen und der Herausforderungen von außen zu viele.,

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