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Keiner ist durch alle Schulen durch

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Die innere Schulreform ist eine gemeinsame Aufgabe für Lehrer, Eltern und Schüler. Alle Beteiligten müssen noch dazulernen: Keiner ist durch alle Schulen durch.

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Die innere Schulreform ist eine gemeinsame Aufgabe für Lehrer, Eltern und Schüler. Alle Beteiligten müssen noch dazulernen: Keiner ist durch alle Schulen durch.

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„Schulreform ist umfassend zu verstehen ... Wir sind der Auffassung, daß sowohl Maßnahmen zur Strukturreform, zur Änderung und zur Verbesserung der Bildungsinhalte, wie Maßnahmen zur inneren Schulreform und hier wieder besonders im Hinblick auf die Unterrichtsgestaltung und auf einen integrativen Führungsstil in der Schule... ergriffen werden müssen.”

Dies betonte Hermann Schnell, Schulsprecher der SPÖ, bei einer Diskussion im Kummer-Institut im Frühjahr 1982 — kurz bevor die siebte Novelle zum Schulorgani-sationsgesetz im Nationalrat verabschiedet und damit fürs erste ein Strich unter mehr als zehn Jahre Diskussion um eine neue Schulstruktur gezogen wurde. Die siebte „SchOG-Novelle” bringt eine Vielzahl an Neuerungen, die schrittweise bis 1990 Wirklichkeit werden sollen (FURCHE 29/1982).

Inzwischen richtet sich die Aufmerksamkeit der Pädagogen auf bisher ausgesparte Bereiche, vor allem auf die innere Reform der Schule. Hierzu hat die „Sozialwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft” (SWA) schon zu einer Zeit, da die Diskussion noch vom politischen Hickhack um die Strukturen geprägt war, konkrete Anregungen vorgelegt.

Die „Frage nach einer partnerschaftlichen, humanen Schule” werde bei der Planung und Gestaltung der Schule der Zukunft mit im Vordergrund stehen müssen, heißt es einleitend in der vor den Ferien erschienenen Studie „Modelle zur inneren Schulreform”.

Die zuvor erschienene Studienarbeit „Familie — wichtige Bildungsinstanz” faßt die Grundbedingungen für ein gedeihliches Schulklima zusammen:

# Gegenseitige Achtung: Der Schüler wäre nicht so sehr als Empfänger von Lehrstoffen zu sehen, sondern als junger Mensch, dem anhand von Lehrstoffen geholfen wird, seine Persönlichkeit zu entfalten, und über dessen Erfolge man sich freut. Aber auch der Lehrer hat ein Recht auf höfliche Behandlung und Unterstützung durch eine schulfreundliche Öffentlichkeit. Eltern und Lehrer sollten sich mehr als Partner im Erziehungsgeschehen verstehen.

# Konsequenz und klare Linie im Erziehungsstil, aber auch in der Führung einer Schule und in der Schulverwaltung. Unberechenbarkeit in den Reaktionen und Entscheidungen erzeugt Unlust, Aggressionen oder Apathie.

# Die Bereitschaft zuzuhören, Antwort zu geben, rechtzeitig und ausreichend zu informieren und Entscheidungen zu begründen: Das gilt für das Verhältnis Lehrer-Schüler, Lehrer-Eltern ebenso wie für die vorgesetzten Behörden.

# Vermehrte Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Gestaltung des Schullebens und der Schulverwaltung; Vereinfachung der reinen Administration.

Das Schulunterrichtsgesetz hat die Schulgemeinschaf tsausschüs-se eingeführt, ausgehend von der Erkenntnis, daß das Zusammenwirken von Lehrern, Schülern und Eltern notwendig ist, um ein positives Schulklima herzustellen. Bei dieser Zielvorstellung, ist „der Gesetzgeber der gesellschaftlichen Wirklichkeit voraus-geeüt” und wollte neue Impulse für eine Weiterentwicklung geben. Aber: Noch ist die Realität anders.

Falsche Feindbilder erschweren das Zusammenkommen. Manche Lehrer nehmen an, daß die Eltern hohe Erwartungen an sie stellen. Sie befürchten, diese nicht erfüllen zu können, und scheuen daher den Kontakt zu den Eltern. Andere Lehrer empfinden am Unterricht interessierte Eltern als Querulanten, sie erwarten von den Eltern eine kritiklose Unterstützung bei der Lösung auftretender Probleme.

Manche Eltern wieder unterstellen den Lehrern von vorneherein eine ihnen gegenüber negative Haitun und vermeiden jedes Gespräch, das — ihrer Meinung nach - dem Kind „schaden” könnte.

Fehlhaltungen abbauen

Viele Eltern schieben ihre Erziehungsaufgaben gerne an die Schule ab und kümmern sich wenig um das Ergebnis. Wenn aber dann Probleme auftreten, ist „die Schule schuld”, deren Aufgabe es sei, „mit dem Kind fertig zu werden”.

„Ein Abbau dieser Fehlhaltungen wird nur sehr langsam erreicht werden können; es müßte dazu ein ganz neuer Wind durch Österreichs Schulstuben wehen,” meinen die Autoren der SWA-Studie. Dafür werden die Voraussetzungen erst langsam geschaffen werden können.

Hierzu könnten etwa Gesprächstrainings helfen, die im Rahmen der Fortbildung die Lehrer auf diese Situationen hin schulen, aber auch gemeinsame Seminare für Eltern und Lehrer über schulische Probleme.

In den bekannten, gegebenen Kontaktmöglichkeiten — Sprechstunden, Elternsprechtagen, Schulveranstaltungen — sollte der Aufbau einer echten Schulgemeinschaft bewußt angestrebt werden.

Auf Vertrauen aufbauen

Aber sie „funktioniert bei allen gesetzlichen Bemühungen nur dann, wenn sie auf gegenseitigem Vertrauen aufbaut,” resümiert die Studie. „Vertrauen kann aber nur herrschen, wo man einander kennt und erkannt hat, daß dieses Vertrauen gerechtfertigt ist. Es gilt daher zu fordern:

• den guten Willen der Beteiligten (er wird vorausgesetzt),

• Interesse füreinander und für das gemeinsame Ziel.”

„Dieses Interesse”, heißt es schließlich „zeigt sich bei den Schülern durch Mitarbeit, nicht nur im Unterricht, sondern auch bei Schulveranstaltungen oder an der Schülerzeitung, bei den Lehrern insbesondere durch die Anerkennung der Eigenpersönlichkeit des einzelnen Schülers und dem Versuch, diesem gerecht zu werden. Von den Eltern wünschen sich die Lehrer ganz allgemein mehr Anteilnahme am Schulgeschehen: etwa durch Gespräche mit den Kindern über die Schule oder Abstimmung der Erziehungsmaximen mit den Lehrern.”

.FAMILIE - WICHTIGSTE BILDUNGSINSTANZ” (1980) und „MODELLE ZUR INNEREN SCHULREFORM” (1982) beide: Sozialwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft (SWA), Johannesgasse 4,1010 Wien

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