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Mozart und Zeitgenossen

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Wer winters nach Salzburg fährt, hat nichts zu befürchten. Und dies trotz Mehrwertsteuer. Zum „Schröpfen" der Gäste, die im Jänner ohnedies alljährlich mit wäßrigem Schnee, Föhnwinden und schmutzigem Eiswasser unter den Schuhen die Stadt durchwandern, mit vielen unfreiwilligen Sprüngen, wenn Autos oder gar Busse die dreckige Gischt meterweit durch die Straßenlandschaft und auf Wintermäntel verspritzen — fürs „Ausnehmen" solcher Sonderlinge, die. um des Mozart-Festes willen an die Salzach reisen, hat der Einheimische nur ein Kopfschütteln übrig. Ein an Verachtung grenzendes Mißtrauen, was hinter solchem Fanatismus, zu dem früher oder später strafweise Husten jind Grippe kommen müssen, wohl stecken kann.

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Wer winters nach Salzburg fährt, hat nichts zu befürchten. Und dies trotz Mehrwertsteuer. Zum „Schröpfen" der Gäste, die im Jänner ohnedies alljährlich mit wäßrigem Schnee, Föhnwinden und schmutzigem Eiswasser unter den Schuhen die Stadt durchwandern, mit vielen unfreiwilligen Sprüngen, wenn Autos oder gar Busse die dreckige Gischt meterweit durch die Straßenlandschaft und auf Wintermäntel verspritzen — fürs „Ausnehmen" solcher Sonderlinge, die. um des Mozart-Festes willen an die Salzach reisen, hat der Einheimische nur ein Kopfschütteln übrig. Ein an Verachtung grenzendes Mißtrauen, was hinter solchem Fanatismus, zu dem früher oder später strafweise Husten jind Grippe kommen müssen, wohl stecken kann.

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Staunend vernehmen selbst die im Gastgewerbe Beschäftigten die Kunde von der Mozart-Woche. Ob da auch der Karajan ...? ist die zage Gegenfrage einer hübschen Serviererin im Zentrum der Stadt. Ich muß, zu ihrem Bedauern, verneinen ...

Mein Trost: Es ist auch so genug los, von Mozart-Musik auf alten Originalinstrumenten im Tanzmeistersaal des Mozart-Wohnhauses am Makartplatz, im Mozarteum, in Kirchen, in Mozarts Geburtshaus, in beiden Festspielhäusern. Und sogar Uraufführungen gab's, und zwar im Mozarteum: eine Auftragsarbeit für den ORF (Erich Vrbanners Concerto „Wolfgang Amadeus'" für zwei Orchester, drei Posaunen und Celesta) und eine andere von der Stiftung Mozarteum: Frank Martins „Ballade pour Alto, Orchestre ä Vent, Harpe, Clavecin, Timbales et Batterie".

Urbanner meidet Variationentechnik und Mozart-Zitate: Seine Musik huldigt der Klassik durch Maß und Zucht und transparenten Klang. Spätestens im Finale wird die geistige Annäherung fühlbar. — Des 83jährigen Frank Martin Ballade, die der solistischen Viola wegen auf Orchesterstreicher verzichtet, ist dicht in der Stimmung, reich an Ausdruck und in der Polyphonie von jener Herbheit, die dem großen musikalischen Epiker Martin auch in seinen Bühnenwerken eigen und ganz ohne Bitterkeit ist. Was ich dabei zum erstenmal erlebte: die sofortige Wiederholung einer Uraufführung, ausgelöst durch die frenetische Zustimmung des Publikums. Eingeleitet und beschlossen wurde der Abend' mit Mozart-Symphonien und -Hornkonzerten. Helmut Eder dirigierte Klassik und Moderne einfühlsam und genau. Offenbar war gut geprobt worden. Gerd Seifert brillierte als Hornist, Ron Golan war der Violasolist in Martins Polyphoniegewebe.

Eine von Leopold Hager geleitete Matinee hatte als Höhepunkt die Interpretation des D-Dur-Klavierkonzertes (KV 451) durch Walter Klien anzubieten. Kristallklare Technik, sensible Reaktion und untrügliches Stilgefühl ließen beinah überhören, wie diskret brillant Klien spielte. Hager, der sanft führende Begleiter, wies nach der Pause nach, welche Schätze in Mozart-Divertimenti (KV 136 bis 138) schlummern.

Reine Freuden.schenkte ein Abend mit dem Wiener Philharmonischen Kammerensemble. Die Herren Het-zel, Hübner, Streng, Staar und Prinz spielten ein Quartett und zwei Quintette und wurden zu Dacapi genötigt.

Eher entbehrlich hingegen der robuste Mozart des Münchener Kammerorchesters mit dem Oberösterreicher Hans Stadlmair als Dirigenten und dem guten, doch zur Ohnmacht verurteilten Linzer Flötisten Wolf-gang Schulz. Ein Abend, beinah' so unnütz wie das erste Konzert der Wiener Philharmoniker im Großen Festspielhaus. Walter Weller, einst Konzertmeister, jetzt (mitunter) Dirigent des Orchesters, schlug Mozarts große g-Moll-Symphonie (KV 550) hart taktierend k. o. Schade ...

Sergiu Celibidache, Grandseigneur, Rumäne, Showmaster und hochbegabter Musiker in einer Person, wetzte Wellers Scharte anderntags aus: mit dem D-Dur-Divertimento (KV 334), dem berühmten d-Moll-Klavierkonzert (KV 466) und der Linzer Symphonie (C-Dur, KV 425). Hans heygraf spielte Klavier.

Zwei „Zauberflöten", Marke Wiener Staatsoper, waren im Kleinen Festspielhaus teils in Doppelbesetzung zu erleben. Dirigiert hat, mitunter etwas eigenwillig, Leopold Hager. Die (zeitlich) erste Garnitur hatte in Kunz' Papageno ihren un-wiederholbaren Höhepunkt. Horst Laubenthal und Judith Beckmann stellten ihren Tamino bzw. ihre Pamina, Arleen Augers Königin der Nacht unternahm den Versuch, ohne Koloraturen und Spitzentöne durchzukommen. Er gelang, leider.

Am zweiten Abend bestand Heinz Holecek als Papageno die heikle Nachfolge in Ehren durch Persönlichkeit und aus ihr gekeltertem Humor. Das große Liebespaar Tamino-Pamina kann derzeit kaum deckender besetzt sein als mit Peter Schreier und Edith Mathis. Hingegen ist Edda Moser als Königin der Nacht in der ersten Arie zu sehr mit der Lautstärke beschäftigt, als daß sie ihren Vortrag künstlerisch verdichten könnte. Die zweite Arie bereitet ihr keine Mühe. In beiden Vorstellungen weiß •Walter Kreppel ohne falsches Pathos in Wort und Ton einen Sarastro von schlichter Würde und gütiger Weisheit zum Mittelpunkt zu machen.

Knapp, bevor der Abend zu Ende gegangen war, schnurrte es wieder Schneeregen über die Stadt. Vielleicht bringt er dem jungen Paar am Ende seines Prüfungsweges Glück.

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