6856656-1977_18_06.jpg
Digital In Arbeit

Podgorni gab Startzeichen für künftige Aktionen

Werbung
Werbung
Werbung

Vor einigen Wochen unternahm der sowjetische Staatspräsident eine Afrikatour und besuchte drei der sogenannten „Frontstaaten” gegen Rhodesien: Tansania, Sambia und Moęambi- que. Immer noch ist die Frage offen, welchem Zweck die Reise diente. Aus den Konferenzzimmern drang nichts Genaues an die Öffentlichkeit, aber aus verschiedenen Beobachtungen läßt sich schließen, was die Welt in Zukunft zu erwarten hat.

Nach der kommunistischen Intervention in Angola verhielt Moskau sich zunächst abwartend, um die Reaktionen zu studieren. Kissinger trat damals mit seinem Rhodesienplan hervor, aber die folgende Genfem Konferenz scheiterte an immer neuen Forderungen der afrikanischen Nationalisten. Die Vermutung, daß sie von den Sowjets zur Maßlosigkeit ermuntert wurden, liegt nahe.

Diese für seine Politik ermutigenden Erfahrungen bewogen den Kreml, im Sinne schon lange gehegter Pläne das Startzeichen zu einer großangelegten Offensive zu geben. Das Endziel ist offenbar nicht mehr und nicht weniger als die sowjetische Dominanz im ganzen südafrikanischen Raum.

Schon Podgornis Trinksprüche, bei denen man hören konnte, den „Rassisten” und „Unterdrückern” schlage jetzt die Stunde, waren dazu bestimmt, die Emotionen anzuheizen. Der freundschaftliche Händedruck für den Nationalistenführer Nkomo und den geächteten Revolutionär Nujoma verriet die Absicht, die Befreiungsbewegungen und die Guerillaverbände anzuspronen und aufzuwerten. Die Afrikaner selber sollen kämpfen, aber sie sollen auch wissen, daß die mächtige Sowjetunion hinter ihnen steht, bereit, sie nachhaltig zu unterstützen.

Welcher Art die russische Hilfe sein wird, läßt sich aus der Zusammensetzung der Delegation Podgornis able-. sen_In der Begleitung ihrqsStaafsp’rä-. sidemen’ Dėfahden sich ‘ Verteidigungsminister Sokolow, der Chef der Handelsflotte, Guschenkow, und der stellvertretende Außenhandelsminister Smeljakow.

Die UdSSR wird Waffen liefern und Instruktoren entsenden. An ein Eingreifen sowjetischer Truppen ist allem Anschein nach nicht gedacht, es ist jedoch eine andere Frage, wie sich die Kubaner, die nach wie vor in Angola stehen, verhalten werden.

Um die „Frontstaaten” wirtschaftlich zu stärken und gegen westliche Angebote zu immunisieren, wird der Handel mit diesen Ländern intensiviert. Niemand rechnet damit, daß die müitanten Schwarzen die Weißen im südlichen Afrika bald in die Knie zwingen könnten. Bisher ist sogar die kleine rhodesische Armee ohne große Schwierigkeiten Herr der Lage geblieben. Die Republik Südafrika wird sich, sollte es einmal notwendig werden, erst recht zu wehren wissen.

Man baut in Moskau aber darauf, daß langanhaltende Wirren und Kämpfe das Vertrauen in die Stabilität der südafrikanischen Wirtschaft erschüttern werden, so daß Kredite und Investitionen ausbleiben. Massenarbeitslosigkeit unter den schwarzen Südafrikanern, gekoppelt mit entsprechender Agitation, könnte die Gärung in den großen Satellitenstädten zum Überkochen bringen. Das wäre, so rechnet man, ein Chaos und der Zusammenbruch des Regimes.

In diesem großangelegten Plan fallt auch den Vereinten Nationen eine bedeutende Aufgabe zu. Das Weltforum, beherrscht von den sozialistischen Ländern und vom afro-asiatischen Block, soll die verfemte Republik Südafrika in die vollständige Isolierung treiben und ihren bisherigen Handelspartnern die Aufrechterhaltung der Beziehungen unmöglich machen.

Jedes Konzept von derartigen Dimensionen weist schwache Stellen auf. Im gegenständlichen Fall erhebt sich erstens die Frage, ob das militärische Potential Südafrikas nicht doch unterschätzt wird; zweitens, ob der Plan eines totalen wirtschaftlichen Boykotts nicht an der Realität vorbeigeht.

Schon bisher konnte man beobachten, daß verschiedene afrikanische Staaten, deren Vertreter im New Yorker Glaspalast pathetisch gegen Südafrika polemisierten, ihre Handelsbe ziehungen mit diesem Land ausbau- ten, weü sie darauf angewiesen sind. In Zukunft wird sich in dieser Hinsicht nicht allzuviel ändern. Die Sowjetunion wird nicht überall einsp ringen können; die Lebensinteressen der Völker werden stärker sein als ideologische Rücksichten.

So hat der Westen ausreichende Möglichkeiten für Gegenzüge. Nur wenn er weiterhin untätig bleibt, könnte die Rechnung der Kremlherren aufgehen. Anzeichen für ein Umdenken sind vorhanden, wie die französische Luftbrücke nach Zaire beweist. Aber die westlichen Regierungen befinden sich in ungünstiger Position: Zu lange würde die öffentliche

Meinung in der freien Welt durch abgeschmackte Parolen irregeleitet, und allzusehr hat die Radikalisierung in Afrika zugenommen.

Ausgangspunkt aller Überlegungen muß die Erkenntnis sein, daß es den Sowjets bitterer Emst ist, die Kontrolle über Afrika an sich zu reißen, und daß sie dabei eben die Politik verfolgen, die ihren Interessen entspricht. Demgegenüber gilt es auch klar zu sehen, daß seitens der freien Nationen bisher eine Politik betrieben wurde, die ihren wahren Interessen diametral widersprach.

Der Fehler der Westmächte bestand darin, daß sie andauernd versuchten, die Freundschaft der radikalen Afrikaner zu gewinnen, indem sie deren übersteigerte Ansprüche anerkannten. Ein solches Bemühen ist nicht zielführend. Es gilt vielmehr, sich mit den Gemäßigten zu verbünden, besonnene schwarze Politiker und deren Parteien zu unterstützen.

Das heißt hinsichtlich Rhodesiens: abwarten, ob Smith neue Gesprächs-

partner findet; in bezug auf Südwestafrika: die Tumhallenkonferenz als legitime Repräsentation der Bevölkerung anerkennen, die SWAPO aber ablehnen; im Hinblick auf Südafrika schließlich: die Abmachungen der Regierung mit den Führern der Homelands gutheißen und die Transkei als selbständigen Staat akzeptieren.

Wenn der Westen sich in Afrika zu wenig engagiert und diesen Kontinent den Sowjetrussen als Interessensphäreüberläßt, setzt er seine Freiheit aufs Spiel. Besonders die Position in Südafrika ist sowohl globalstrategisch als auch wegen der Seeroute um das Kap unaufgebbar.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung