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Digital In Arbeit

Vom Einzelkämpfer zum Teamarbeiter

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Beide Berufe rangieren am Ende der öffentlichen Wertschätzung. Fällt es deshalb leichter, von einem Metier ins andere zu wechseln? Oder ist der Wechsel von einer journalistischen in eine politische Funktion Ausdruck der Mediendemokratie?

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Beide Berufe rangieren am Ende der öffentlichen Wertschätzung. Fällt es deshalb leichter, von einem Metier ins andere zu wechseln? Oder ist der Wechsel von einer journalistischen in eine politische Funktion Ausdruck der Mediendemokratie?

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Warum sollten sich JournaUsten nicht politisch engagieren? Jeder betrachtet es zu Recht als selbstverständlich, daß Bankdirektoren, Rechtsanwälte, Gewerkschaftsangestellte, Kammerbeamte, Eisenbahner, Lehrer, Universitätsprofessoren und andere politische Funktionen annehmen. Niemand stellt die Frage, ob sie durch ihren Beruf dazu mehr oder weniger qualifiziert sind.

Bei Journalisten wird diese Frage dagegen immer wieder gestellt. Die folgenden Überlegungen stützen sich auf eigene Erfahrungen und kritische Beobachtungen.

Ein tüchtiger Politiker sollte ebenso wie ein tüchtiger politischer Journalist über eine breite

Bildung verfügen, er sollte bereit sein, möglichst viel zu erfahren und zu wissen und permanent Neues aufzunehmen.

Sowohl der Politiker als auch der Journalist sollten in einem bestimmten Gebiet Spezialwissen besitzen, aber nicht so sehr um es anzuwenden, sondern um selbst erlebt zu haben, wie schwierig es ist, den Dingen wirklich auf den Grund zu gehen. Beide erliegen nämhch leicht der Verführung, sich mit der Oberfläche zufrieden zu geben.

Politiker und politische Journalisten brauchen ein starkes Interesse für öffentliche Aufgaben und für die Gestaltung des Zusammenlebens. Beide empfinden Po-htik als Herausforderung, sonst wären sie nicht, was sie sind. Beide besitzen das Bedürfnis, eine Meinung zu haben, diese zu arti-kuberen und in der Öffentlichkeit zu vertreten.

Politische Journalisten stehen täglich in Kontakt mit der Politik. Sie kennen die Probleme und besitzen Einsicht in die Zusammenhänge und Entscheidungsstrukturen. Daraus entsteht das Bedürfnis, selbst zu handeln und dabei die erkannten Fehler zu vermeiden.

Wer als Journalist nicht über ein hohes Maß an Selbstkritik verfügt, kann auf die Dauer nicht erfolgreich sein.

Wer die Beachtung, die ihm geschenkt wird, überwiegend der eigenen glänzenden Persönlichkeit zuschreibt, was viele tun, und nicht dem Medium und dem Bedürfnis vieler, in diesem Medium aufzuscheinen — was die Realität ist —, der verliert das notwendige Augenmaß, die unentbehrliche Bescheidenheit und die unerläßliche Korrektheit in der Sache. Genau vor demselben Problem steht der Politiker.

Journalisten, die zu einem ehrlichen kritischen Selbstverständnis gefunden haben, bewahren sich dieses auch in ihrer politischen Funktion und verfügen damit über eine meiner Ansicht nach sehr wesentliche Qualifikation.

Gute Journalisten haben daher einige Aussicht, tüchtige Politiker zu werden, wenn sie bereit sind, viel zu lernen:

Die politische Praxis ist ganz anders als die journalistische. Journalisten sind von Natur aus ungeduldige Menschen. Politiker müssen geduldig sein. Erfolge treten im Journalismus rasch ein, in der Politik langsam.

Zwischen der Idee zu einer guten „Geschichte“ und der Ausführung liegt beim Journalisten meist nur ein Tag. Das Produkt seiner Arbeit findet er am nächsten Morgen gedruckt in seiner Zeitung oder gesprochen im Hörfunk oder optisch gestaltet im Fernsehen vor. Politiker brauchen manchmal Jahre, um Ideen in Taten umzusetzen.

Journalisten sind gegenüber Kritik oft ebenso empfindlich, wie sie selbst unempfindlich austeilen. Politiker werden täglich kritisiert und oft für Entscheidungen, die sie selbst nicht zu verantworten haben.

Viele Journalisten sind aus Uberzeugung oppositionell. Sie stehen an der Seite des Schwachen gegen den Starken und glauben an die Kontrollfunktion der Medien. Wer erfolgreich und glaubwürdig opponiert, darf daraus aber nicht den Schluß ableiten, er besitze genügend Durchschlagskraft und Führungsqualität, um seine Ideen durchzusetzen.

Journalisten sind, wenn sie nicht als Chefredakteure große Redaktionen leiten, Einzelkämpfer. Politiker brauchen das Teamwork. Vom Denken zum Tun ist ein weiter, schwieriger Weg, den der Journalist beinahe nie gehen muß, der Politiker aber immer gehen soll.

Wenn Journalisten in die Politik geholt werden, ist manchmal ein vordergründiges Motiv dafür verantwortlich, die Erwartung nämlich, der Journalist sei bekannt und mögbcherweise auch populär. Dieser Startvorteil ist sicher vorhanden, aber kurzlebig.

Darüber hinaus traut man dem in die Pohtik geholten Journalisten zu, er könne besonders gut mit den Medien umgehen und verfüge daher aus diesem Titel über hohe Umwegrentabilität. Diese Spekulationen enden freilich meist mit Enttäuschung.

Viele Journalisten verabscheuen aus eigener Erfahrung die permanente politische Intervention und wollen ihren ehemaligen Kollegen das nicht antun, was sie selbst als widerlich erlebt haben.

Dazu kommt oft ein aus der journalistischen Arbeit und der

Beobachtung politischer Praxis resultierender Widerwille gegen jene, die sich vordrängen, jedes Gesichtsbad nehmen, wenn es mit Berichterstattung — und sei es auf der Klatschseite - verbunden ist, ihre politische Arbeit der Öffentlichkeitsarbeit unterordnen und als Hans Dampf in allen Gassen die politische Show der politischen Idee vorziehen.

Der Autor ist Landesrat in Salzburg. Er war zuvor Leiter der Abteilung „Information“ im ORF-Landesstudio Salzburg.

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