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WIRTSCHAFTEN AUF DIE UMWELT ABSTIMMEN

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Das Bewußtsein, daß unser wirtschaftliches Tun der Umwelt nachhaltig schweren Schaden zufügt, ist relativ jung. Noch in den späten sechziger Jahren wurden in den Wirtschaftswissenschaften stolz Modelle unbeschränkten Wirtschaftswachstums als selbstverständliche Perspektive gehandelt: Man sprach vom „Golden Age", vom goldenen Zeitalter unbegrenzter wirtschaftlicher Expansion.

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Das Bewußtsein, daß unser wirtschaftliches Tun der Umwelt nachhaltig schweren Schaden zufügt, ist relativ jung. Noch in den späten sechziger Jahren wurden in den Wirtschaftswissenschaften stolz Modelle unbeschränkten Wirtschaftswachstums als selbstverständliche Perspektive gehandelt: Man sprach vom „Golden Age", vom goldenen Zeitalter unbegrenzter wirtschaftlicher Expansion.

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Der Bericht des Club von Rom über die „Grenzen des Wachstums" und die beiden Erdölschocks erschütterten vorübergehend dieses Konzept. Man begann, sich für die Ökologie, die Lehre vom Funktionieren der natürlichen Systeme rund um uns, zu interessieren. Die aus diesem Forschen abgeleiteten Forderungen gerieten vielfach in Widerspruch zu dem, was wirtschaftlich sinnvoll erschien. Eine Art Frontstellung zwischen Ökonomie und Ökologie entstand.

Die achtziger Jahre brachten nach einem Jahrzehnt der wirtschaftlichen Stagnation eine neue Periode des Wirtschaftsbooms. Die Existenz von Grenzen des Wachstums schien widerlegt. An die Stelle der strikten Konfrontation ökologischer und ökonomischer Forderungen trat die Vorstellung von der Versöhnung von Wirtschaft und Ökologie. Man müsse beide Ansätze verknüpfen, war die Parole. Worum geht es bei diesem Anliegen?

Zur Beantwortung dieser Frage ist es notwendig, das ökologische und das ökonomische Denken kurz zu kennzeichnen. Die Ökologie beschreibt das Zusammenleben von lebenden Organismen. Sie stehen in einer unüberblickbaren Vielfalt von Beziehungen. Diese können insgesamt nur schwer erfaßt werden.

Eines aber läßt sich jedenfalls festhalten: Diese Organismen stehen in Austauschbeziehungen, deren wesentliches Kennzeichen darin besteht, daß die Stoffe, die Gegenstand dieses Austausches sind, im Kreis geführt werden. Es kommt zu einem komplexen Zusammenwirken von Organismen, von denen einige komplexe Strukturen aufbauen und andere diese Gebilde wieder zerlegen. Die für diese Vorgänge notwendige Energie beziehen die Lebewesen von der Sonne. Deren Energie wird von den Pflanzen, die den Großteil der organischen Substanz aufbauen, in Form von chemischer Energie gespeichert und über die Nahrungskette an Mensch und Tiere weitergereicht. Am Ende der Kette stehen Bakterien und andere „Destruenten", die organische Abfallprodukte wieder in ihre Bestandteile zerlegen und zur neuerlichen Synthese aufbereiten.

In welcher Beziehung steht nun unser wirtschaftliches Tun zu diesem vorgegebenen Geschehen? Auch unser Wirtschaftsmodell geht vom Kreislaufprinzip aus. Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) beobachtet das wirtschaftliche Geschehen auf den verschiedenen Stufen der Entstehung von Werten und anschließend deren Verwendung. Allerdings geht es ihr nicht um Stoffoder Produkt-, sondern um Geldströme. Denn volkswirtschaftlich relevant ist nur, was Geldwert besitzt. Nur dann ist es Gegenstand einer Betrachtung. Da vieles, wie Luft, konstantes Wettergeschehen, Wasser keinen Geldwert besitzt, geht es auch nicht in wirtschaftliche Überlegungen ein.

Endstation Konsument So wird zwar, was die Geldströme anbelangt wohl ein geschlossener Kreislauf betrachtet: über Löhne und Gewinne in der Produktion erwirtschaftete Mittel fließen durch Konsum oder Investitionen in die Produktion zurück. Was die stoffliche Seite jedoch anbelangt, interessiert sich die Wirtschaft nur für einen Teil des tatsächlichen Geschehens: für die Herstellung von Gütern und für deren Absatz an den Konsumenten. Sobald das Produkt ordnungsgemäß beim Letztverbraucher gelandet ist, scheidet es weitgehend aus der wirtschaftlichen Betrachtung aus, ökologisch wird es als Abfall hingegen zum Problem.

Das wirtschaftliche Denken ist also, was die Güterströme anbelangt, linear und gerät daher notwendiger Weise mit dem ökologischen Kreislaufgeschehen in Widerspruch. Es hat die Tendenz, die natürlichen Kreisläufe durch Einbahn-Güterströme aufzubrechen. Am markantesten ist die Einbahn des Kohlenstoffs, der in fossilen Brennstoffen gespeichert ist und nach Verbrennung in der Atmosphäre landet.

Diese Tendenz zur Einbahn wird besonders noch dadurch verstärkt, daß unsere Art des Wirtschaftens durch Förderung des Wachsens die Entstehung von großen Einheiten und daher von Ballungszentren fördert. Damit kommt es zur großräumigen Umlage-rung von Stoffen in die städtischen Großräume. Denn nach Ge- und Verbrauch lösen sich die wirtschaftlichen Produkte nicht auf, sondern werden zu Abfällen. In einer im wesentlichen agrarisch strukturierten, materiell unterversorgten Welt, mag das Abfallproblem relativ unbedeutend sein. Problematisch aber wird es in den Zeiten der Überversorgung, wie wir sie seit längerem erleben.

Wie lassen sich nun beide Systeme in Einklang bringen? Nicht nur in Österreich gibt es Bemühungen, eine Ökologische VGR zu erarbeiten. Angepeilt wird dabei, einige Aspekte der Ümweltfolgen wirtschaftlichen Tuns zahlenmäßig zu erfassen (siehe Seiten 14 und 15). Auch auf der Ebene der Betriebe gibt es Bemühungen, Umweltaspekte in das System der Bilanz einzubauen (siehe Seite 17). Die Stoßrichtung ist, grob gesprochen, folgende: Man versucht, Umweltschäden zu erkennen, sie in Geld zu bewerten und somit als Kosten in die betriebswirtschaftlichen Überlegungen einzuführen.

Diese Vorgangsweise erscheint in vieler Hinsicht sinnvoll. Vor allem erweitert sie den Entscheidungshorizont der Unternehmen. Raubbau an der Umwelt kann nicht mehr zu Schleuderpreisen oder gratis erfolgen. Diesen Weg einzuschlagen, ist im Vergleich zum bisherigen Vorgehen jedenfalls ein Fortschritt.

Nur mittelfristig sinnvoll Diese Vorgangsweise wirft aber auch eine grundsätzliche Frage auf: Kann man mit der Einbeziehung der Umwelt in die wirtschaftliche Berechnung das Auslangen finden? Denn dadurch behält das wirtschaftliche Prinzip der Nutzenmaximierung weiterhin den Vorrang. Produktionsorien-tiertes Wachstumsdenken wird zwar durch zusätzliche Kosten gedämpft, aber nicht verhindert. In einem begrenzten Lebensraum aber hat fortgesetztes Wachstum eines Teilsystems einfach keinen Platz. Es muß zu Umweltschädigungen führen, die in ihrem vollem Ausmaß niemals ganz vorhersehbar sind. Umweltkosten rechenbar zu machen kann somit bestenfalls ein mittelfristig sinnvolles System sein.

Langfristig gilt es, unser Wirtschaf -ten an die Gesetzmäßigkeiten unseres Lebensraumes anzupassen. Das bedeutet insbesondere: Beschränkung auf Nutzung der Sonnenenergie und Einrichtung von Stoffkreisläufen. Das ist keine Unterwerfung unter die Natur, sondern die Berücksichtigung der Gesetze des Lebens. Denn diese sind uns vorgegeben, während die ökonomischen Gesetze, die ja Produkte des menschlichen Geistes sind, zu unserer Disposition stehen.

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