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Zu viel Papier

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Seit dem Herbst des Vorjahres reißen die Meldungen von geplanten Betriebsstillegungen von Papierfabriken nicht mehr ab. Ausgleichsverfahren über Betriebe der Papierindustrie sind keine Seltenheit.

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Seit dem Herbst des Vorjahres reißen die Meldungen von geplanten Betriebsstillegungen von Papierfabriken nicht mehr ab. Ausgleichsverfahren über Betriebe der Papierindustrie sind keine Seltenheit.

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Die Krise der österreichischen Papierindustrie ist kein rein österreichisches Problem: auch international kämpft man mit Überkapazitäten und Absatzschwierigkeiten. Hauptgrund dafür sind bereits lang zurückliegende Marktbewegungen. Am Höhepunkt des Koreakrieges gab es zu Anfang der fünfziger Jahre plötzlich einen unnatürlich starken Zuwachs der Papiernachfrage in aller Welt. Da aber Investitionen am Papiersektor zumeist Großinvestitionen sind, und der Bau einer einzigen neuen Papiermaschine bereits umfangreiche Neubauten wie etwa eine neue Halle erfordert, braucht man zur Realisierung einer Kapazitätsausweitung zumeist vier bis fünf Jahre. Papiermaschinen sind aber auch Großmaschinen. Die Inbetriebnahme einer Maschine erhöht die Kapazität eines Unternehmens gewaltig.

Das hatte aber zu Ende der fünfziger Jahre zur Folge, daß zu einem Zeitpunkt, zu dem von einer wachsenden Nachfrage nach Papier schon keine Rede mehr sein konnte, mit einem Schlag jene Kapazitäten zur Verfügung standen, die man während des Papier-Booms des Koreakrieges gebraucht hätte und daher in Auftrag gegeben hatte.

Dazu kommen aber noch zwei weitere Faktoren: Die Papierindustrie ist ungeheuer kostenintensiv. So erfordert die Errichtung einer einzigen Großmaschine zwischen 5 und 12 Millionen Schilling; Kapital, das aber erst sehr spät wieder zu arbeiten beginnt. Und zweitens geht seit dem Koreakrieg der Papierverbrauch ständig zurück, nicht zuletzt durch den zurückgehenden Bedarf an Zeitungspapier.

So gesehen konnte Österreich von dieser internationalen Krise nicht verschont bleiben, aber darüber hinaus gibt es noch eigene österreichische Schwierigkeiten, die die Sorgen der Papierindustrie noch verschärften.

Die österreichische Papierindustrie ist alt, sie wird zu einer der ältesten österreichischen Industrien überhaupt gezählt. In ihren Gründungszeiten hat sie an der Rohstoffbasis begonnen, also dort, wo es Wasser und Holz gibt; zumeist waren das aber abgelegene Seitentäler, die eine Expansion der Betriebe später nur schwer zuließen.

Kleinbetriebe

Damit ist auch zu erklären, warum die Masse der Betriebe nach internationalem Maß genommen, noch Kleinbetriebe sind. Während einer der größten Konkurrenten der österreichischen Papierindustrie, nämlich jene der Schweden, großzügig ausgebaut wurde und damit auch wesentlich kapitalkräftiger wurde, mußten Österreichs Betriebe in ihrer ursprünglichen Form weiterarbeiten. Dazu kommt nun noch die Tatsache, daß die Papierfabriken und ihr Holzbedarf zu groß für die österreichischen Waldbestände geworden sind. Das zur Papiererzeugung benötigte Schleifholz ist billig — das Interesse der Waldbesitzer an Verkäufen dementsprechend gering. Österreich muß daher große Importe aus den Oststaaten und Skandinavien tätigen, um seinen Holzbedarf zur Papiererzeugung einigermaßen decken zu können.

Die ständig steigenden Kosten haben zu einer erschreckenden Kapitalarmut und schließlich zu einer Verschuldung der meisten Papierunternehmen geführt.

In den letzten Jahren kommt dazu noch der ständig steigende Aufwand für den Umweltschutz, da ja gerade die Papierindustrie ein sehr abwasserintensiver Bereich ist.

Die Schließung der Zellulosefabrik in Hinterberg hat nun Gewerkschaft wie auch die Industrie veranlaßt, nach einem Ausweg zu suchen. Obwohl schon seit langem der Plan bestanden hatte, ein Papierkonzept zu erarbeiten, ist man erst jetzt daran gegangen, dies auch zu verwirklichen.

Der Plan sieht primär eine Strukturbereinigung vor, was aber zweifellos zu weiteren Betriebsstillegungen führen muß. Die Industrie wird daher die Schaffung eines Industrieförderungsgesetzes verlangen, sie hat dabei auch die Unterstützung der Gewerkschaft. Es soll ein Fonds errichtet werden, aus dem Arbeiter und Angestellte, die Opfer von Betriebsstillegungen wurden, unterstützt werden. Den Fabriken selbst sollen aber die Kosten für den Umweltschutz abgenommen werden, so daß sie sich ganz auf Rationalisierung und Investitionen konzentrieren können. Ob dadurch aber die Überkapazität erfolgreich bekämpft werden kann, bleibt offen.

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