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Verhärtete unnötigen Fronten im Energiekrieg

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In diesem Beitrag geht ein Sprecher der österreichischen Elektrizitätswirtschaft mit den Gegnern des Ausbaus der heimischen Wasserkraftwerke hart ins Gericht.

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In diesem Beitrag geht ein Sprecher der österreichischen Elektrizitätswirtschaft mit den Gegnern des Ausbaus der heimischen Wasserkraftwerke hart ins Gericht.

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Energie- und Umweltdiskussionen, Demonstrationen gegen Kern-, Kohle- und Wasserkraftwerke, Streit in allen politischen Lagern und auf allen politischen Ebenen, dazu täglich neue Berichte in den Medien von der „Energiefront", das ist die Begleitmusik, die uns seit elf Jahren täglich berieselt, seit uns die erste Ölkrise den Beginn des größten Desasters der Weltwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg ankündigte.

Der „Kaspanaze-Effekt" vom 20. Oktober hat die Energie- und Umweltdiskussion in Österreich um eine weitere Facette bereichert und den Parteien — ob in Regierung oder Opposition — zusätzliche Nervosität und Unsicherheit beschert; zu Recht.

Uberwunden und gelöst haben wir in der ganzen Welt — nicht nur in Österreich — das Energieproblem noch lange nicht. Wir schieben ein riesiges Paket ungelöster Fragen vor uns her.

Unsere Energieversorgung und damit unser gesamtes Wirt-schaftsgefüge hat sich sehr verwundbar gezeigt. Das haben uns zwei weltweite ölschocks drastisch vor Augen geführt: Nach 1973 wie nach 1979 haben Arbeitslosenraten. Zahlurigsbilanzdefizite und Verbraucherpreise neue Rekordhöhen und die Volkseinkommen der Industrie- und Entwicklungsländer wie der OPEC-Staaten Rekordtiefstände erreicht. Gleichzeitig wurden die Umweltprobleme schlagartig virulent.

Es wurde - und wird - zur Uberwindung dieser Schwierigkeiten auch in Österreich schon viel getan, nicht zuletzt die engagiert geführte Umwelt- und Energiediskussion trug viel Positives zur Meinungsbildung bei.

Daß in Dürnrohr das aus ökologischer Sicht modernste Kohlekraftwerk Europas gebaut wird und alle neuen Kohlekraftwerke in unserem Land diesem technischen Standard entsprechen werden, ist sicher mit ein Verdienst dieser Meinungsbildung.

Auch die behutsamere Trassierung von Starkstromleitungen, zum Beispiel statt mitten durch den Wienerwald auf einem wesentlich längeren und um einige hundert Millionen Schilling teureren Weg, ist der - äußerlich sichtbare — Ausdruck eines wachsenden Umweltbewußtseins, auch in der Elektrizitätswirtschaft.

Mit dem derzeit heiß umkämpften Bau von Wasserkraftwerken haben österreichische Ingenieure Weltruhm erlangt, nicht nur wegen der kurzen Bauzeiten und technisch perfekten Konstruktionen, sondern vor allem auch, weil es gelungen ist, Wunden, die beim Bau der Natur zugefügt worden sind, auch zu heilen. Die Stauseen am unteren Inn stehen heute wegen der einzigartigen, vielfältigen Flora und Fauna unter Naturschutz. Grundwasserverhältnisse und Wasserqualität konnten mit den fertiggestellten Donaustufen immer verbessert werden. Wie wäre es sonst möglich, das Grundwasser aus dem Bereich des Kraftwerkes Abwinden-Asten für die Trinkwasserversorgung der Stadt Linz zu nützen?

Oder denken die Gegner von Wasserkraftwerksprojekten auch manchmal daran, daß Hochwässer nicht nur dem Auwald helfen, sondern auch Menschen Schaden zufügen können? Viele Bauern im Zillertal erinnern sich noch an Zeiten vor dem Bau der Zemm-Ziller-Gruppe, als ihre Felder und Gehöfte zweimal im Jahr überschwemmt wurden.

Wer weiß schon, wenn er Kleinkraftwerke so liebt, daß hundert Kleinkraftwerke nötig sind, um die gleiche Kapazität zu erreichen wie die drei großen zur Zeit in Diskussion stehenden Wasserkraftwerke? Damit wäre bald jeder Bach verbaut.

Sicher hat — gerade im Zusammenhang mit dem Ausbau der Wasserkraft — die österreichische Elektrizitätswirtschaft Fehler gemacht und den vielfältigen Nutzen dieser Anlagen für unsere Umwelt zu wenig erklärt und dar-über nicht genug informiert. Alle westlichen Industriestaaten beneiden Österreich um die noch bestehenden Möglichkeiten, saubere, unerschöpfliche Wasserkräfte zur Erzeugung der umweltfreundlichsten Energie zu nützen. Die Schweiz, Italien, Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland nützen die Wasserkräfte schon fast zur Gänze, unser Land erst zu 60 Prozent.

Die Österreicher haben in den letzten Jahren auch gelernt, mit der Energie sparsamer umzugehen. Die Entkoppelung von Gesamtenergieverbrauch und Wirtschaftswachstum ist zum Teil bereits gelungen. Der Rückzug vom öl bedeutet allerdings eine Substitution durch andere — wirtschaftlich besser nutzbare — Energieträger. Das war auch der Grund dafür, daß der Stromverbrauch auch dann zugenommen hat, wenn der Gesamtenergieverbrauch rückläufig war.

Die in den vergangenen Monaten engagiert geführte Umwelt-und Energiediskussion hat zu unnötigen und unvernünftigen Frontbildungen geführt, die immer mehr zu verhärten drohen: Auf der einen Seite die Anhänger des Konrad-Lorenz-Volksbegehrens, auf der anderen Seite die Elektrizitätswirtschaft.

Der große Nutznießer auf der einen Seite wird das größte österreichische Massenblatt sein, das auf diese Art neue Leserschichten an Land zieht. Im Gleichschritt marschieren viele mit, denen die Umwelt ein ehrliches Anliegen ist und die davon überzeugt sind, daß nur Radikalkuren helfen können. Andere fahren als Trittbrettfahrer mit. Wie wäre es sonst zu erklären, daß ausgerechnet der Architekt einer der größten Energievernichtungsmaschinen unseres Landes — er ist auch Vorsitzender des österreichischen Kunstsenates — öffentlich zur Unterzeichnung eines Volksbegehrens aufruft, das sich zum Energiesparen bekennt?

Was sonst, als Popularitätshascherei, kann der Grund dafür sein, daß sich zahlreiche Künstler für eine Veranstaltung bis in das Herz der gefährdeten Au bemühen, nicht zu Fuß, sondern mit Benzin saufenden Luxuskarossen, die jenen Tieren die Atemluft stehlen, die vor dem Lärm noch nicht Reißaus genommen haben?

Und dann versuchen noch einige, sich öffentlichkeitswirksam hinter einen Zug zu werfen, der schon lange unterwegs ist. Das kann auch nicht zur Hebung der Glaubwürdigkeit einer Partei beitragen und vertreibt eher Wähler.

Warum sollte man nicht auch einmal darüber diskutieren, wie's das Massenblatt mit dem Energiesparen hält? Wissen eigentlich die um die Umwelt — sicher ehrlich — besorgten Schreiber, wie viele Bäume gefällt werden müssen, wie viele Hektoliter Schadstoffe die Gewässer aushalten müssen und wieviel Energie sonst noch verbraucht wird — auch mit Klimaanlagen, weil die Wärmedämmung mangelhaft ist —, bis eine Zeitungsausgabe die Leser erreicht? Fest steht jedenfalls, daß die Geschäfte der Druckereibranche florieren müssen. Wie wäre es sonst zu erklären, daß die gesamte österreichische Industrie von 1982 auf 1983 nur 1,4 Prozent mehr Strom verbraucht hat, der Stromverbrauch der Druckerei- und Verlagsbranche aber um 13 Prozent zugenommen hat?

Die 30.000 Mitarbeiter der Elektrizitätswirtschaft stehen auf der anderen Seite — fassungslos. Warum, das sollte man sich wenigstens bemühen, zu verstehen.

Mehr als 30 Jahre gehörte dieser Wirtschaftszweig zu jenen, deren Leistungen am meisten bewundert wurden. Sie wurden gefeiert als Pioniere des Wiederaufbaues, als verläßliche Techniker, die wissen, was sie tun, und genossen hohes soziales Ansehen. Kaum ein Staatsbesuch konnte Österreich verlassen, ohne eine der Glanzleistungen unserer Ingenieure und Bauarbeiter zu bewundern.

Heute werden sie als Naturmörder, Elektro- und Betonfaschisten beschimpft. Der Ausspruch Andre Hellers am 30. Oktober 1984 in einem Inserat für das. Konrad-Lorenz-Volksbegehren sagt alles:

„Ich habe keine Ambitionen, dereinst im Gedächtnis unserer Kinder und Kindeskinder als Verbrecher dazustehen". Das Genie him-self vergißt, daß es bei jedem seiner „Weltwunder" allen Errungenschaften elektronischer Technik hilflos ausgeliefert ist. Aber es ist halt einfacher, mit einem Flugticket an der Luftbelastung mitzuzahlen und den Strom für Lautsprecher und Scheinwerfer aus dem nächsten Verteilerkasten abzuzapfen, als darüber nachzudenken, daß Menschen dahinterstehen, die Tag und Nacht dafür arbeiten, daß er der Welt sein Licht auch zeigen kann.

Die Umweltschutzdiskussion, wie sie heute bei uns vorherrscht, macht betroffen.

In der Auseinandersetzung um Wirtschaftswachstum, Erhaltung der Natur, die gegenseitigen Anschuldigungen mit Hilfe wissenschaftlicher oder pseudo-wissen-schaftlicher Gutachten, der Anspruch aller Gruppen, jeweils Pächter der absoluten Wahrheit zu sein, haben zu einer Umweltzerstörung anderer Art geführt, die bislang unbeachtet geblieben ist, zur Zerstörung unserer kulturellen Umwelt.

Ob eine niederösterreichische Tierblutorgie den Idealen der neuen, selbsternannten Schönheitsapostel entspricht, mögen diese selbst beurteilen. Aber daß ein wichtiger Teil unserer Kultur bereits verlorengegangen ist, nämlich die Fähigkeit zur sinnvollen Kommunikation, dazu haben auch sie beigetragen.

Es ist grotesk, daß uns im Zeitalter der Information eine wesentliche Errungenschaft unserer Kultur verlorengegangen ist, die Beherrschung der Dialektik, der Kunst, nicht Wissen, sondern Verständnisbereitschaft dem anderen weiterzugeben. Von der römischen Kaiserzeit bis zur Renaissance war die Dialektik fast immer das wichtigste Ausbildungsfach in der Schule. Ohne eine vierjährige dialektische Ausbildung konnte eineinhalb Jahrtausende lang niemand ein Staatsamt oder eine akademische Funktion ausüben.

In welcher Diskussion kann man heute schon wenigstens Ansätze um ein Bemühen zum gegenseitigen Verständnis feststellen?

Ein neuer Anfang, eine Entkrampfung in der Umwelt- und Energiediskussion wäre dringend notwendig.

Wahrscheinlich ist er nicht. Aber Hoffen wird noch erlaubt sein, denn die Zeit ist schon da, wo nicht hohe Kapazitäten für den Erfolg eines Energieversorgungsunternehmens ausschlaggebend sind, sondern die bestmögliche Nutzung der Energie und zufriedene Kunden.

Der Autor ist Pressesprecher des Verbandes der Elektrizitätswerke Österreichs.

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