Der unheimelige Bruder
FOKUSBayern-Österreich: Grenzfälle in Blau-Weiß-Rot
Sie sollen Brüder und Schwestern sein, sie sprechen halbwegs die gleiche Sprache, aber in der gemeinsamen Geschichte flogen zwischen Bayern und Österreich auch gerne einmal die Fetzen, Flüche und Kanonenkugeln. Horizonterweiterung zum Streit um Bayerns aktuelle Grenzsperren in der Pandemie.
Sie sollen Brüder und Schwestern sein, sie sprechen halbwegs die gleiche Sprache, aber in der gemeinsamen Geschichte flogen zwischen Bayern und Österreich auch gerne einmal die Fetzen, Flüche und Kanonenkugeln. Horizonterweiterung zum Streit um Bayerns aktuelle Grenzsperren in der Pandemie.
So grenzüberschreitend sich Corona ausweitet, so grenzschließend sind seine Auswirkungen zwischen Österreich und Deutschland. Beispiel Autobahngrenzübergang Salzburg-Walserberg: Der Rektor der Fachhochschule Salzburg und Berufspendler Gerhard Blechinger schert mit seinem Pkw aus der auf die Covid-Grenzabfertigung wartenden Autoschlange aus und reiht sich, in der Hoffnung, dass es schneller geht, in der Zollspur ein. Doch anstatt nach Corona-Test und Grund des Grenzübertritts fragt ihn der Beamte, ob er etwas zu verzollen habe. „Das habe ich seit 20 Jahren nicht mehr gehört“, sagt Blechinger im Telefonat mit der FURCHE und schimpft. Aber nicht gegen die Grenzpolizei. „Das ist keine Schikane, das sind ehrliche Leute. Die Politik hat sich da in ein Narrativ hineinmanövriert, aus dem sie nicht mehr herauskommt. Seit einem Jahr pendle ich zwischen roten Zonen hin und her. Ich bin wahnsinnig genervt.“
Mit seiner Klage über das Virus-Grenzmanagement zwischen Deutschland und Österreich ist Blechinger nicht allein. Anfang der Woche brachte eine Tiroler Friseurin Klage beim Verwaltungsgericht in München ein. Trotz eines negativen Testergebnisses sowie einer Online-Registrierung an der Grenze wurde ihr der Grenzübertritt verweigert, konnte sie nicht von Kufstein zur Arbeit ins bayerische Kiefersfelden pendeln. Seit 14. Februar, nachdem Deutschland Tirol zum Virusvariantengebiet erklärte, gibt es an den Grenzen stationäre Kontrollen, die erst kürzlich wieder bis Ende März verlängert wurden. Deutlich länger wäre dadurch auch für den Tiroler Landeshauptmann Günther Platter die Fahrzeit nach Wien geworden. Seine Reise in die Bundeshauptstadt zu einem Bund-Länder- Gipfel über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie wurde von der bayerischen Staatskanzlei unter „keine der definierten Ausnahmen“ gereiht. Anstatt der Abkürzung über das „Große Deutsche Eck“ blieb dem Landeshauptmann lediglich eine Video-Schaltung nach Wien und großer Ärger über den großen Nachbarn.
Aus dem gleichen Holz geschnitzt
Tirol werde „bewusst an den Pranger gestellt“, warf Platter der bayerischen Regierung nach Verlängerung des strengen Grenzregimes vor und verlangte Unterstützung von der Europäischen Kommission und der österreichischen Bundesregierung, damit beide „ein Ende dieser ungerechtfertigten Schikane gegen Tirol erwirken und Deutschland diese Kontrollen umgehend beendet“. Vorbei die Zeiten, als Platter der Süddeutschen Zeitung trotz dem einen oder anderen Verkehrspolitik-Scharmützel erklärte: „Ich verstehe mich mit den bayerischen Freunden gut, wir sind aus dem gleichen Holz geschnitzt.“
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