Die meisten Konflikte im Raum der Schule, an denen muslimische und nichtmuslimische Kinder beteiligt sind, können als primär sozial und kulturell bedingte erkannt werden. Eher selten haben sie ihre Ursache in der religiösen Tradition. Keine Religion legitimiert herabsetzendes Verhalten. "Friede" (Salaam) ist nicht nur der Gruß der Muslime ...
Wieviel Platz hat kulturelle und religiöse Verschiedenheit? Gilt "Normal ist, verschieden zu sein", dann ist der Lebens- und Lernraum für alle weiter; gilt Anpassung, dann ist er für alle sehr eng. Nach dem katholischen Religionspädagogen Hans Zirker kann es nicht die Aufgabe sein, "den" Islam zu verstehen, sondern es geht darum, sich ansprechen zu lassen von Menschen, die sich zum Islam bekennen oder wenigstens in ihrer Herkunft von ihm geprägt sind. Dabei wird und kann vieles fremd bleiben, aber die Existenzberechtigung von anderem und anderen kann nicht abhängig sein von der Möglichkeit des Verstehens, sonst wäre Toleranz ein schönfärbendes Wort für Ignoranz.
Der evangelische Religionspädagoge Karl Ernst Nipkow betont den gegenseitigen Respekt, der nicht vorausgesetzt werden kann, sondern ständig neu geübt werden muss. Die Kinder sollten angeleitet werden, über eine fremde Religion so miteinander zu kommunizieren, dass das, was religiös anders ist, anders bleiben darf, "eine abwertende Ausgrenzung" oder eine Vereinnahmung vermieden werden.
Tipps für den Umgang mit muslimischen Kindern:
* Beachten Sie muslimische Speisevorschriften und -gewohnheiten, sie werden bevorzugt im Raum der Schule beim Mittagessen ("sie essen halt nur die Beilage") und in Lehrplänen für Hauswirtschaft ignoriert.
* Beachten Sie die muslimischen Feste und ihre Auswirkungen auf die Kinder. Auch wenn Kinder nicht zum Fasten verpflichtet sind, hat der Ramadan einen großen Einfluss auf ihr Alltagsleben. In dieser Zeit sollte von entscheidenden Prüfungen oder belastenden Aufgaben Abstand genommen werden.
* Es gibt Aufgabenstellungen, die ein Affront sei können. So widerspricht die unterrichtliche Produktion eines Weihnachtsengels dem traditionellen muslimischen Bilderverbot, die Gestaltung eines Weihnachtssternes jedoch nicht.
* Immer wieder kann es zu Konflikten wegen des Schwimmunterrichts der Mädchen oder ihrer Teilnahme an Projektwochen kommen. Ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Schule und Familie sowie die gemeinsame und rechtzeitige Suche nach einer Lösung waren bisher in der Regel sehr erfolgreich.
* Grundsätzlich gilt: Auch ein muslimisches Kind ist primär ein Kind.
Martin Jäggle, Professor an der Religionspädagogischen Akademie der Erzdiözese Wien
Buchtipp:
ISLAMISCHE BILDUNGSLEHRE
Von Harry H. Behr. Verlag Dâr-us-Salâm, Garching b. München 1998. 251 Seiten, geb., öS 260,-/e 18,89
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