Schwindlige Verteidigung

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Wieder steht dem Bundesheer eine Reform ins Haus. Ein sinnloses Unterfangen, solange ungeklärt ist, welche Rolle Österreich im internationalen Konzert spielen soll.

Kein Regierungsprogramm ohne wohlklingende Worte zur Landesverteidigung. Das gilt auch für Schüssel II: "Die Bundesregierung wird ... alles daran setzen, um die Leistungsfähigkeit des Bundesheeres weiter anzuheben ..." Weiter anheben - soll heißen: Ein bisher erfolgreicher Weg wird fortgesetzt.

Tatsache ist, dass es Österreich im Jahr 2000 gelang, Luxemburg vom letzten Platz im Aufwand für die Verteidigung zu verdrängen - ein günstiger Ausgangspunkt für den versprochenen Aufschwung im Heer, um das es entsprechend schlecht bestellt ist. Höchstrangige Offiziere sagten ihm im vorigen Oktober den "Hungertod" voraus.

Kommt jetzt die Wende?

Höchste Zeit also, umzusetzen, was das Regierungsprogramm fordert: "Die militärische Landesverteidigung muss auch in Österreich den Bedrohungen und Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden." Eine Reformkommission unter der Federführung des neuen Verteidigungsministers Günter Platter werde sich der Aufgabe widmen.

Wer dies unvoreingenommen liest, könnte meinen, jetzt zeichne sich eine Wende ab. Der geübte Österreicher aber weiß, dass da nur eine lange Tradition fortgesetzt wird: Eine Regierung, die etwas auf sich hält, reformiert das Heer, ohne dass sich Bedeutsames ändert. Schwarz-Blau II macht da keine Ausnahme. Die Platter-Reform wird die vierte seit Beginn der neunziger Jahre sein und ebenso wenig eine Wende bringen wie ihre Vorgängerinnen.

Das machen Meldungen deutlich, die seit voriger Woche kursieren. Demnach werden angepeilt: ein kürzerer Wehrdienst, die Schließung von Kasernen, Einsparungen bei den Truppenkosten um bis zu 30 Prozent, ein Abbau der überdimensionierten Militärverwaltung, so die Presse.

Trotz aller Dementis sprechen Indizien dafür, dass alles wie erwartet laufen wird. Wenn Ex-Verteidigungsminister Herbert Scheibner feststellte, er habe das Ministeramt nicht mehr angestrebt, weil es ihm nicht gelungen sei, für die neue Periode einen nachvollziehbaren Budgetrahmen auszuverhandeln, spricht das Bände. Und die Ankündigung von Innenminister Ernst Strasser, er werde die Dauer des Zivildienstes kürzen, sollte der Wehrdienst von acht auf sechs Monate reduziert werden, lässt den Schluss zu, dass die Reform tatsächlich nicht aus der Reihe bisheriger "Bemühungen" um das Bundesheer tanzen wird.

Es bleibt also bei Landesverteidigung zu Ausverkaufspreisen. Daran ändert auch das Festhalten an den Abfangjägern nichts.

Wann wird endlich mit dieser Tradition der Alibi-Handlungen in der Landesverteidigung gebrochen? Auf der einen Seite werden große Töne gespuckt: die "äußere Sicherheit" und die "militärische Landesverteidigung" seien "wesentlich", ja "unverzichtbar". Auf der anderen Seite sind fundamentale Fragen ungeklärt, etwa Österreichs außenpolitischer Status. Aber was sollen Heeresreformen, wenn nicht einmal geklärt ist, ob das Land nun neutral ist oder nicht, ob es sich in eine europäische Verteidigung oder in die Nato integrieren soll.

Pseudo-neutral

Mehr als ein Jahrzehnt ist es her, seitdem der Zerfall des Warschauer Paktes den Rahmen für die Landesverteidigung total verändert hat. Und immer noch herrscht keine Klarheit über die künftige Ausrichtung! Immer noch gilt ein Landesverteidigungsplan aus den frühen achtziger Jahren. Der Versuch, parteienübergreifend eine Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin zu beschließen, scheiterte im Jahr 2001.

Aber selbst die Doktrin, auf die sich die Regierung damals einigte, lässt Fragen offen. Da wird zwar neutral durch allianzfrei ersetzt, es bleibt aber unklar, was das rechtlich bedeutet. Immer noch gilt ja das Neutralitätsgesetz, das die "immerwährende Neutralität" in der Verfassung verankert - mit allen "zu Gebote stehenden Mitteln aufrecht(zu)erhalten" und dem Verbot, militärischen Bündnissen beizutreten.

In dieser Frage herrscht auch unter der Bevölkerung eine Riesenverwirrung, wie erst kürzlich eine Umfrage zeigte: 63 Prozent der Befragten waren für eine Beteiligung Österreichs an einer europäischen Armee. 69 Prozent meinten, Österreich dürfe seine Neutralität nicht aufgeben. Beides lässt sich aber nicht unter einen Hut bringen.

Um die Klärung dieser zentralen Frage hat sich Österreich lang genug herumgeschwindelt. Es ist an der Zeit, hier eine klare Linie zu finden. Erst dann kann man das Heer sinnvoll reformieren, dann wird es möglich klarzustellen, ob Österreich Abfangjäger braucht und wenn, wieviele.

Solange Reform ident ist mit Schlankheitskur für das Heer, ist zu fragen, ob man jungen Österreichern überhaupt zumuten kann, auch nur sechs Monate in dem demoralisierten Alibi-Heer zu vergeuden. Wie sagte doch Innenminister Strasser? Der Staat muss "behutsam mit der Lebenszeit seiner Bürger" umgehen.

christof.gaspari@furche.at

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