Vage Hoffnung für bosnische Heimkehrer

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Mit dem neuen Regierungschef der Serbischen Republik, Milorad Dodik, scheint eine Lösung der Flüchtlingsfrage im ehemaligen Jugoslawien zumindest theoretisch möglich.

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Mit dem neuen Regierungschef der Serbischen Republik, Milorad Dodik, scheint eine Lösung der Flüchtlingsfrage im ehemaligen Jugoslawien zumindest theoretisch möglich.

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Vor wenigen Wochen hätte es niemand für möglich gehalten, daß wir sowas wie heute erleben", freute sich Ende Jänner der stellvertretende Chefkoordinator für die Wiederaufbauhilfe in Bosnien, Hanns Schumacher. Die Abgeordneten der Republika Srpska hatten Milorad Dodik zum neuen Regierungschef gewählt, einen "Sozialdemokraten", der Kooperationsbereitschaft mit dem Westen signalisiert und das Daytoner Friedensabkommen in der Serbenrepublik tatsächlich umsetzen will.

Bislang hatten nationalistische bosnische Serben aus dem Umfeld des gesuchten Kriegsverbrechers Radovan Karadzic' jegliche Zusammenarbeit mit den friedensbildenden und -erhaltenden Organisationen der internationalen Gemeinschaft abgelehnt. Im Gegenzug hat die internationale Gemeinschaft die bosnischen Serben nur mit dem Allernötigsten versorgt, während sie Milliarden in den Wiederaufbau der kooperationsbereiten moslemisch-kroatischen Föderation gesteckt hat.

Diese Milliarden für den Wiederaufbau der Serbenrepublik erwartet jetzt auch der neue Regierungschef, der gleich nach seiner Wahl bei einigen westlichen Staatsoberhäuptern die Prämie für seinen politischen Gehorsam eingefordert hat.

Die Geberländer wiederum haben ein massives Interesse daran, auch aus der Serbischen Republik ein demokratisches Land zu machen. Allein in Deutschland leben noch 232.000 Kriegsflüchtlinge, zwei Drittel stammen aus dem Gebiet der jetzigen Serbenrepublik.

Die Bevölkerung dort ist mehrheitlich serbisch, während die in Deutschland verbliebenen Flüchtlinge größtenteils Bosniaken, also bosnische Moslems sind. Deren Rückkehr galt bisher als unmöglich, weil die bosnischen Serben den andersethnischen Volksgruppen die Heimkehr verwehrt haben.

Trotz der veränderten politischen Lage sind die Flüchtlingsbeauftragten der Gastländer aber noch skeptisch bezüglich der Minderheitenrückkehr geblieben.

Im September vergangenen Jahres wurde ein Rückkehrer in einem moslemischen Ort in der Nähe von Travnik ohne Vorwarnung durch das Fenster seines Hauses erschossen, er war Kroate. Das Haus des Flüchtlings war erst wenige Wochen zuvor im Rahmen eines österreichischen Wiederaufbauprojektes fertiggestellt worden.

Um solche Szenarien gar nicht erst zu provozieren, hat Österreich den Flüchtlingsstatus der potentiellen Minderheitenrückkehrer bis zum 30. Juni dieses Jahres verlängert. Innenminister Karl Schlögl hat darüber hinaus versprochen, für die knapp 5.000 noch in Bundesbetreuung befindlichen Bosnienflüchtlinge eine Sonderquote für einen legalen Aufenthalt in Österreich zu schaffen (siehe Kasten).

Aus einer Studie der Universität Bern geht hervor, daß rückkehrende Flüchtlinge fast immer Schwierigkeiten mit den Behörden haben. Sie weigern sich zum Beispiel, rückkehrende Minderheiten zu registrieren, auch wenn diese nachweisen können, vorher dort gelebt zu haben. Das bedeutet für den Rückkehrer, daß er keinen Anspruch auf eine Wohnung oder Sozialleistungen hat. Höhere Stellen werden in der Regel an Dagebliebene vergeben oder an Armeemitglieder, dasselbe gilt bei der Wohnraumvergabe. Flüchtlinge aus dem Westen gelten als reich und werden zusätzlich zur Kasse gebeten, auch für ganz normale Dienstleistungen auf Ämtern.

Seltene Minderheiten Auf der "Sarajewo Return" Konferenz Anfang Februar kamen einige dieser Mißstände zur Sprache. Vertreter aller Volksgruppen, der internationalen Gemeinschaft und der Hilfsorganisationen haben daraufhin Besserung und mehr Zusammenarbeit gelobt.

Sarajewo, die frühere Musterstadt für multikulturelles Leben, soll als Vorbild für alle anderen Städte und Gemeinden in Bosnien dienen, deren Bevölkerungsstruktur nach dem Plan von Dayton annähernd wieder dem Vorkriegszustand entsprechen soll.

Zur Zeit sind aber etwa 90 Prozent der Bevölkerung Moslems, religiöse Minderheiten sind auch in Sarajewo selten. Viele bosnische Serben, die längst schon wieder in der Stadt arbeiten, pendeln jeden Tag mit den UNO-Bussen zwischen Serbenrepublik und Föderation, weil sie sich dort nicht niederlassen können.

Politischer Druck Daß die Regierung keinerlei Interesse an den Flüchtlingen zeige, beklagt die Menschenrechtlerin Bärbel Bohley, die von Sarajevo aus die gemischtethnische Rückkehrerbewegung "Koalizija za Povratak" leitet. Die Flüchtlingsfrage sei erst im Parlament behandelt worden, als Deutschland die ersten Flüchtlinge abgeschoben hat. "Für den einzelnen ist das natürlich hart", meint die Menschenrechtlerin, "andererseits ist dieser politische Druck notwendig. Sonst bewegt sich nichts."

Seitens der Regierung, deren Mitglieder schon im Krieg mitgemischt haben, besteht wenig Interesse daran, den ehemaligen Vielvölkerstaat wiederaufzubauen. Der Krieg sollte Kroaten, Bosniaken und Serben trennen und neue, nationale Staaten und Identitäten hervorbringen. Kroaten und Serben haben diesbezüglich, abgesehen von wenigen Ausnahmegebieten, ihr Ziel erreicht, nur die Föderation und die Serbenrepublik sollen spätestens im Zuge der Flüchtlingsrückkehr wieder gemischtethnisch werden.

Seit Milorad Dodik in der Serbenrepublik Premierminister ist, scheint die Gesamtlösung der Flüchtlingfrage zumindest theoretisch möglich. Lediglich Kroatien könnte das Unternehmen zum Scheitern bringen.

Die Krajina, jenes Grenzgebiet im Osten von Kroatien, war vor dem Krieg überwiegend von Serben bewohnt. Während des Krieges wurden sie vertrieben. Bis heute hat sich niemand dort angesiedelt, die Städte sind leer, zerbombt und ausgebrannt. Könnten Serben, die jetzt in der Föderation oder der Serbischen Republik leben, dorthin zurückkehren, wäre dort Platz für Rückkehrer aus dem Ausland.

Premierminister Milorad Dodik hat diesbezüglich schon Verhandlungen geführt, nachdem Deutschlands Außenminister Klaus Kinkel schon vor Wochen bei den Kroaten vorgefühlt hat.

Der deutsche Flüchtlingsbeauftragte Dietmar Schlee hat für heuer die Rückkehr von 170.000 Flüchtlingen angekündigt, ohne eine Öffnung der Serbischen Republik für Minderheiten und die platzbedingte Bevölkerungsumschichtung dürfte das nach Ansicht von Experten unmöglich sein.

Es bewegt sich etwas Jetzt setzen die Innenminister der Bundesländer ihre Hoffnungen in Dodiks Versprechungen und schicken die Kriegsflüchtlinge zurück. Die sind aber verunsichert und wehren sich. Den deutschen Verwaltungsgerichten liegen jetzt schon unzählige Klagen wegen der Ausweisungsbescheide vor. Chancen auf eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bestehen allerdings kaum.

Die Serbenrepublik ist abgewirtschaftet, die Arbeitslosenrate liegt in manchen Gebieten bei 80 Prozent, der Duchschnittslohn bei 500 Schilling. Mafiaähnliche Organisationen beherrschen den Handel mit Zigaretten und Lebensmitteln, der gesuchte Kriegsverbrecher Radovan Karadzic' gilt nach wie vor zumindest im Ostteil der Republik als politischer Drahtzieher. Die nationalistischen Hardliner verhindern nach wie vor die Minderheitenrückkehr.

Aber selbst auf diesem Gebiet bewegt sich was. Im März haben sich zwei serbische Kriegsverbrecher freiwillig dem Haager Menschenrechtstribunal gestellt, ein Tatbestand, der den Status des neuen Premierministers Milorad Dodik weiter stärkt.

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