Auch wenn die endgültige Vorgangsweise der katholischen Kirche in Deutschland noch unklar ist, dürfte der Ausstieg aus dem staatlichen System der Schwangerenberatung bevorstehen. Der Münchner Kardinal Friedrich Wetter etwa erklärte, daß in Bayern - nach einer nicht näher bestimmten Übergangsfrist - keine Beratungsscheine mehr ausgestellt werden. Derartige Scheine sind notwendig, um eine Abtreibung straffrei durchführen zu können.
In mehreren Stellungnahmen machte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Mainzer Oberhirte Karl Lehmann, deutlich, welch großer Schaden für die katholische Kirche in Deutschland durch die Diskussionen der letzten Monate entstanden ist - nicht zuletzt für das ökumenische Klima. Lehmann klagte in diesem Zusammenhang, daß Frauen immer wieder auf die Beratungsstellen der evangelischen "Diakonie" verwiesen würden - mit dem Hinweis, dort fände die Frau mehr Verständnis.
Der Konflikt um die Schwangerenberatung in Deutschland scheint wegen der klaren Intervention des Papstes zwar entschieden, beendet dürfte er aber noch lange nicht sein. Die vorletzte Runde in der Auseinandersetzung war im Juni durch einen Brief Johannes Pauls II. eingeläutet worden: Darin verlangte der Papst von den kirchlichen Beratungsstellen, nur dann eine Bescheinung über die erfolgte Beratung auszustellen, wenn darauf der Zusatz "Die Bescheinigung darf nicht zur Durchführung straffreier Abtreibungen verwendet werden" abgedruckt ist. Diese an sich klare, wenn auch in ihrer Detailliertheit ungewöhnliche Anweisung wurde vom Ständigen Rat der Bischofskonferenz - unter Stimmenthaltung des Fuldaer Erzbischofs Johannes Dyba - dahingehend interpretiert, daß der vom Papst geforderte Vermerk auf dem Beratungsschein angebracht werden sollte; wenn der Staat den Schein für straffreie Abtreibungen weiter akzeptieren würde, so sei das seine Sache.
Diese Lösung, so suggerierte ein Brief des Apostolischen Nuntius, Erzbischof Giovanni Lajolo, würde dem Anliegen des Papstes genügen. Doch in den Sommermonaten entbrannte eine heftige Diskussion, vor allem Erzbischof Dyba sparte nicht mit harscher Kritik und direkten Angriffen auf Bischof Lehmann, der den "Schein"-Kompromiß zustande gebracht hatte. Schließlich stellte sich auch Kölns Kardinal Joachim Meisner gegen die von ihm mitbeschlossene Regelung.
Am 18. September traf aus Rom ein Schreiben der Kardinäle Ratzinger und Sodano ein, in dem der Papst den Ausstieg der Kirche aus dem staatlichen Beratungssystem fordert. Bei der Herbstsitzung der Bischofskonferenz wurde zwar kein formeller Beschluß gefaßt, es scheint aber der katholischen Kirche kaum mehr möglich zu sein, im "System" zu verbleiben.
Wann der Ausstieg vollzogen wird, dürfte in den einzelnen Diözesen unterschiedlich gelöst werden. Einige Bischöfe - darunter Heinrich Mussinghoff (Aachen), Oskar Saier (Freiburg), Josef Homeyer (Hildesheim), Paul-Werner Scheele (Würzburg) - wollen beim Ad-limina-Besuch im November dem Papst noch einmal ihre Bedenken gegen den Ausstieg aus der Beratung vortragen. In der Zwischenzeit haben prominente Laien den Verein "Donum Vitae" gegründet, der die katholische Beratung übernehmen will. Ob das allerdings - finanziell wie rechtlich - möglich sein wird, ist zweifelhaft.
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