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Eine Fundgrube katholischer Bibelwissenschaft

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Als die katholische Bibelwissenschaft vor mehr als einem Jahrhundert sich ebenfalls anschickte, die profanwissenschaftlichen Erkenntnisse zu verarbeiten und zu bereichern, geriet der theologische Inhalt, das heißt die spezifisch biblische Aussage, aus begreiflichen Gründen manchmal ins Hintertreffen. Inzwischen konnte sie die richtige Position wieder einnehmen und — ohne den historisch-philologischen Unterbau zu vernachlässigen — doch ihr Hauptaugenmerk auf den Offenbarungsinhalt, auf die eigentliche Botschaft und den Anruf Gottes richten. Eine der wertvollsten Früchte dieser Neubesinnung ist die biblische Theologie, die auch im protestantischen Lager starke Beachtung fand und daselbst sogar zur Veröffentlichung des großangelegten und von G. Kittel herausgegebenen „Theologischen Wörter-’ buchs zum Neuen Testament” geführt hat. Auch die katholische Bibelwissenschaft hat jahrelang aus dieser mehrbändigen, rein fachwissenschaftlichen Fundgrube geschöpft, sei es auch mit dem gebotenen kritischen Vorbehalt. Zwar verfügte sie über Gallings „Biblisches Lexikon”, über Haags „Bibellexikon”, das auf Grund eines holländischen Wörterbuchs vollständig neugestaltet wurde, und vor allem gab es in Frankreich ein „Dictionnaire de la Bible”, dessen „Supplement” die neuerworbenen Erkenntnisse regelmäßig in erstaunlicher Fülle verarbeitete, aber noch immer besaß sie kein eigenes bibeltheologisches Wörterbuch — bis vor kurzem das hier angezeigte Werk erschien.

Vierzig anerkannte Exegeten — darunter ein evangelischer Theologe — haben hiermit ein für breitere Kreise bestimmtes Wörterbuch von beträchtlichem Umfang (8 59 Seiten) geschaffen, in dem die wichtigsten bibeltheologischen Begriffe ausführlich erläutert werden. Oesterreich hat ein Viertel der Mitarbeiter beigesteuert, darunter den Herausgeber — und Lückenbüßer — Joh. Bauer, A. Auer (Stich-wort: Welt u. a.), J. Gabriel (Zucht), J. Kosnetter (Freiheit), G. M o 1 i n, der die Qumran- Texte besonders berücksichtigt hat (Berufung, Herrlichkeit u. a.), H. Stöger (Dank, Eucharistie). Unter den zwanzig deutschen und den übrigen Autoren aus anderen Ländern begegnet man sehr bekannten Namen, wie O. Schilling (Auferstehung), Schnackenburg (Gott, Licht), H. Chaselles (Gesetz, Knecht Gottes, Opfer), Daniflou (Kreuz, Tausendjähriges Reich), Č. S p i c q (Mittlerschaft), J. Schmid (Blut Christi), J. Schildenberger (Bund, Erfüllen, Gnade, Prophet), J. M i c h 1 (Dämon, Engel) und besonders K. P r ü m m, dessen Beitrag über Mysterien ein Muster tiefgründiger und doch überaus verständlicher Einführung in dieses komplizierte Problem darstellt. Nur selten kommen „außerbiblische” Stichwörter zur Sprache, wie Solidarität und Entmytho- logisierung. Ersteres verdient Beachtung als Beispiel einer umfassenden Ueberschau verschiedener, einander überschneidender Begriffe, letzteres ist in der Aktualität des Problems begründet; es besticht durch die ehrliche, informative Darstellung, läßt jedoch den „Anfänger” zu stark im unklaren über die katholische Stellungnahme.

Der Herausgeber hat auf eine Vielzahl von Stichwörtern verzichtet und nur die wirklich wichtigsten zur Bearbeitung aufgenommen, damit möglichst viele Benützer die wesentlichen Züge der biblischen Denk- und Gefühlsstruktur kennenlernen. Daher finden neben den bereits erwähnten vor allem Begriffe wie Leben, Licht, Leiden, Fleisch, Welt, Erkennen, Geist, Gerechtigkeit, Gesetz, Kirche, Glaube, Liebe, Reich Gottes usw.. eine sehr eingehende Erläuterung, in der die Entfaltung des Begriffes in den Wesenszügen nachgezeichnet wird. Die konkrete Durcharbeitung zeigt in den verschiedenen Beiträgen eine gewisse Differenz. Manche Bearbeiter lieben das Det..il und sparen nicht mit Belegstellen und Nachweisen; andere wieder — darunter anerkannte Autoritäten — lassen die wesentlichen Zusammenhänge durchblicken und berücksichtigen einen breiteren Leserkreis, der auch eine klare - Glaubensposition erwartet. In der heutigen Zeit, da gerade die theologische Aussage der Heiligen Schrift wieder ins Blickfeld gerückt wird, füllt dieses Werk eine Lücke, die viele Theologen, Seelsorger und Bibelleser schmerzlich empfunden haben. Wie das Vorwort erklärt, lernen sie aus diesem Werk, wie der Herr, die Apostel und die Ur- christen sich Welt und Dinge dachten, welcher Begriffe, Anschauungen und Bilder sie sich dabei bedienten. Durch dieses ausgezeichnete Hilfsmittel ist es ihnen möglich, zum eigentlichen Kern bzw. Hintergrund der Offenbarung vorzudringen. Als Ganzes ist das Werk ein Beweis dafür, daß die katholische Bibelwissenschaft sich ihrer eigentlichen Berufung bewußt geblieben ist und auf diesem schwierigen Gebiet über die nötigen Kräfte verfügt, die ihre Aufgabe vorzüglich erfüllen konnten. Gleichzeitig ist es ein Zeugnis echter universaler — das heißt katholischer — Zusammenarbeit, nicht nur, weil die Beiträge vom gleichen Glaubensgeist getragen sind, sondern auch deshalb, weil Fachgelehrte aus verschiedenen Ländern zur Mitarbeit herangezogen wurden. Darüber hinaus wird das katholische Oesterreich mit Befriedigung feststellen, daß österreichische Gelehrte zu einem beachtlichen Teil unter den Mitarbeitern vertreten sind und daß ein Grazer Verlag dieses stattliche und wichtige Werk so vorbildlich herausgegeben hat.

Druckfehlerberichtigung. In der Besprechung des Werkes „Ferdinand Schmutzer” (Verlag Gebrüder Rosenbaum), die in der letzten Nummer der „Furche” veröffentlicht wurde, ist der Name des Autors unrichtig wiedergegebeą worden. Er lautet richtig: Christian Ludwig Martin.

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