6536212-1946_17_07.jpg
Digital In Arbeit

Nochmals die Neuen Psalmen

Werbung
Werbung
Werbung

Seit dem ersten Artikel über die „N e u e n Piilmtn“ in der „Furche“ Nr. 6 vom 9. Februar ind *us Rom nähere Nachrichten tmgetaufen, die un* nun ein vollständiges Bild des großzügigen Unternehmens des wahrhaft „engelsgleichen Hirten“, Papst Pius XII. gewähren. In einem eigenen Beiheft zu der führenden römischen Bibelzeitschrift „Biblica“ gibt der Leiter des päpstlichen Bibelinstitutes P. Bea S. J. Rechenschaft über die gesamte Arbeit.

Schon am 19. Jänner 1941 hatte der Heilige Vater dem päpstlichen Bibelinstitut den Auftrag gegeben, eine neue Psalmenübersetzung zu besorgen. Zugleich wies er auch die allgemeinen Richtlinien der Arbeit an. Die neue Übersetzung sollte eine getreue Wiedergabe des Urtextes sein, zugleich aber Rücksicht nehmen auf die in der Kirche durch die langen Jahrhunderte eingelebte Vugataübersetzung. Darauf bildete sich unter Leitung von Prof. Bea eine Arbeitsgemeinschaft von sechs Professoren des Bibelinstitutes, von denen jedem ein besonderes Spezialgebiet übertragen wurde. So arbeitete jeder in seiner Sparte unermüdlich und. gewissenhaft Tag um Tag am heiligen TelR. Zu bestimmten Zeiten kam man zur Vollsitzung zusammen, wo jeder Psalm gemeinsam durchberaten wurde. Schwierigere Psalmen mußte man vier oder fünfftal vornehmen. Nach einer Arbeit von dreieinhalb Jahren konnte im August 1944 dem Heiligen Vater das Manuskript der Neuübersetzung vorgelegt werden, der während der ganzen Zeit die Arbeit mit wärmstem Interesse verfolgt hatte. Am 8. September 1944 gab er dann den Befehl zum Druck der „Neuen Psalmen“. Es erfolgte eine zweifache Ausgabe, die eine mit textkritischem hebräischen Apparat, die inzwischen schon die zweite Auflage erlebte, und eine andere für den Gebetsgebrauch der Kirche.

Der Urtext:

Welchen Text haben nun die sechs Männer der Übersetzung zugrunde gelegt? Haben sie einfach den heutigen, sogenannten hebräisch-masoretischen Text kritiklos übernommen? — Nein! Die bahnbrechende Bibelenzyklika des jetzigen Papstes hat auch hier die Wege bereitet, indem er erklärte, daß sich die Autorität der Vulgataübersetzung nicht auf textkritische Fragen bezöge; es seien vielmehr viele dunkle Stellen durch die moderne Textforschung und Textkritik zu erhellen und sicherzustellen. Die katholische Kirche war ja nie gegen die Textkritik gewesen; im Gegenteil, einer der ersten großen Textkritiker war der französische Oratorianer Richard Simon [f 1712). Als aber die Textkritik durch den Rationalismus zu einer vornehmlichen Waffe gegen die Heilige Schrift ausgebaut wurde, legte sich die katholische Kirche ihr gegenüber selbstverständlich eine abwehrende Reserve auf. Da heute aber auch in der Schriftwisseiv“ schaft dir einseitige Rationalismus als überwunden betrachtet werden kann, und die Gefahr der Mißdeutung nicht mehr da ist, erfolgte von höchster katholischer Autorität ein Bekenntnis zur Textkritik. Für einen deutschen Leser des obengenannten „Beiheftes der Biblica“ fällt es auf, in welch großem Maße die protestantische Textforschung in der neuen Psalmenübersetzung verarbeitet wird. Offenbart sich nicht auch in dieser Weise das große Herz der römischen Mutter Kirche, die die Samen des Guten, wo immer sie dieselben findet, in Ehrfurcht aufnimmt und so zur Vollendung führt. So hat sie ja auch im Altertum den Arianismus überwunden, indem sie das Gute an ihm heiligte. So erscheint auch heute mehr denn je die Stunde der Begegnung auf Grund der Bibel mit der getrennten protestantischen Kirche kommen zu sein. Vielleicht hat auch in dieser Richtung die neue Psalmenübersetzung noch eine Mission zu erfüllen. — Die Psalmenübersetzer gehen also textkritisch zu Werke. Da die ältesten Handschriften des heutigen hebräischen maso-retischen Textes erst aus dem 9. nachchristlichen Jahrhundert stammen, mußte er einer gewissenhaften Revision unterzogen werden. Sehr behilflich und in ihrem Werte nicht zu unterschätzen sind hier die alten griechischen und lateinischen Übersetzungen, so daß an manchen zweifelhaften Stellen auch gegen den hebräischen Text entschieden werden mußte. Denn der alte Ubersetzer hat den Urtext noch besser bewahrt als der heutige hebräische Text.

Da die altlateinische Übersetzung nach einer griechischen Vorlage gemacht worden war, sind auch die Eigenheiten des Griechi-

schen ins Lateinische übernommen worden; wir meinen hier nicht das Sprachliche, sondern das Inhaltliche. Der Grieche hatte von jeher eine Abneigung gegen das Erdhaft-sinnliche. Er ist der Vertreter der „Idee“ und des „Geistigen“. Daher stieß sich der alte Übersetzer zu sehr an den menschlichen Formen und Bildern, mit denen die Bibel von Gott redete. Er gebrauchte für das konkrete Bild lieber einen geistigen Ausdruck. So übersetzte er im Psalm 17,2: „Gott, meine Stärke, meine Zuflucht bist du“. — Der Lateiner übernahm das gleiche. Im Hebräischen stehen aber für diese „geistigen“ Worte konkrete Bilder, die aus der kriegerischen Zeit des hebräischen Mittelalters stammen: „Gott, mein Fels, meine Burg bist du!“ Die Beispiele ließen sich vermehren. In der neuen Psalmenübersetzung kommen nun diese urkräftigen Bilder wieder zum Vorschein. Eine besonders schöne Neuform findet sich im De profun-dis-Psalm 129,5: Früher las man: „Meine Seele harrte auf sein Wort; es hoffte meine Seele auf den Herrn!“ Der neue Text: „Nach dem Herrn hält Ausschau meine Seele mehr als die Wächter nach dem Morgenrot!“ — Soweit nur ein paar kurze Hinweise.

Das Latein der neuen Psalmen:

Als der Meister der lateinischen Übersetzung gilt der heilige Hieronymus. Nur zu bekannt ist die klassische Eleganz, mit der er die lateinische Sprache handhabt. Daher stellte er als Prinzip seiner Ubersetzung auf: „Wo es möglich ist, wollen wir die Ele ganz, den Wohlklang und die Eigenheit unserer Sprache bewahren.“ — Aber trotzdem wagte er es nicht, den überkommenen altlateinischen Text der Psalmen von grund-auf zu ändern, sondern er begnügte sich bei seiner Revision mit den notwendigsten Textverbesserungen. An der spätlateinischen Sprachform änderte er aber nichts. Bei der Neuübersetzung der Psalmen tauchte nun das Problem auf, in welcher Sprache soll man übersetzen; soll man sich weiterhin der spätlateinischen Art anschließen oder soll man' nicht besser dem klassischen Ideal folgen? Die sechs Männer der Ubersetzung entschieden sich für das letztere. Und sie haben gewichtige Gründe für sich. Denn zum ersteh ist es nicht wahr, daß sich die Kirche in ihrer Sprache auf das Spätlatein festgelegt hätte, das man als „Kirchenlatein“ bezeichnet; man lese nur die klassische Art der Genesisübersetzung der Vulgata und rufe ich sich in Erinnerung, in welch klassischer Höhe die Enzykliken der letzten Päpste abgefaßt waren. Dazu ist die ganze Bildung, vor allem der Priesterstudenten, auf der Lektüre der Klassiker aufgebaut. Aus diesen Erwägungen heraus nähert sich die neue lateinische Psalmen-Übersetzung dem klassischen Sprachideal. Typisch spätlateinische Ausdrucksweisen wurden daher ausgeschieden. — Mag auch die neue Psalmenübersetzung als Werk von Professoren nicht immer den sprachlichen Schwung eines altlateinischen Dichters, der aus der Fülle seiner lebenden Sprache noch schöpfen konnte, aufweisen, so sind sie doch ein würdigeres Werkzeug im heiligen Gebets-

Benst icr Kirche, für den m erster Linie

bestimmt sind, als der bisherige altlateinische Text.

Probleme einer Psalmenübersetzung: Durch die römische Psalmenausgabe sind nun alle unsere deutschen Ubersetzungen fraglich geworden. Denn sie haben sich entweder streng an den altlateinischen Text gehalten und sind dadurch von selber überholt; oder sie wollten eine gewissenhafte Übersetzung aus dem hebräischen Urtext liefern. Mögen diese auch sprachlich und künstlerisch noch so auf der Höhe stehen, sie bedürfen mindestens einer Revision auf Grund des neuen römischen Psalters. Doch eine solche Überholung wird immer etwas fragwürdig bleiben. Wenn Rom daher schon so unerhört kühn zu Werke gegangen ist, dürften wir denn dann nicht auch ein wenig kühn sein und ebenfalls eine Neuübersetzung wagen? Wir sind uns der Schwierigkeit eines solchen Unternehmens voll bewußt; denn eine Übersetzung der Psalmen aus dem Lateinischen muß immer zugleich eine Übersetzung aus der hebräischen Urspradie sein, so daß das lateinische Wort erst aus der Fülle der Ursprache seinen Klang und seine

Färbung erhält Dann muß vor allem der Rhythmus der Ursprache, das Grundgesetz -aller Poesie, auch in der Übersetzung zum Vorschein kommen. Es muß eine strenge Übersetzung sein, die sidi an das Wort gebunden weiß; zugleich aber müßte es ein neuer dichterisdier Aufbruch in unserer Mutterspradie sein. — Den Wiener Freunden der „Neuen Psalmen.“ soll daher am kommenden 19. Mai, 10,30.Uhr vormittags, im Prälatensaal des Schottenstiftes durch die „Wiener katholisdie Akademie“, die als Vorkämpferin des Geisteslebens aus unserer Stadt nicht mehr weggedacht werden kann, gerade in dieser so widi-tigen Frage des Psalmentextes Gelegenheit zur Kritik geboten werden. Wir rufen die Zweifelnden auf, scharf zu hören; wir rufen die Glaubenden, sidi dem Worte zu neigen. Diese heiligsten Texte zu lesen, sind nur die besten Sprecher des Wortes gut genug. Daher hat sich Kammerschauspieler Ewald Baiser und Burgsdiau-spielerin Julia 1 Janssen bereit erklärt, den Psalmen ihr Wort zu leihen. Der Chor der Seipel-Dollfuß-Gedächtniskirche wird unter Leitung von Prof. Viktor M | c k alte Meister zum Vortrag bringen; denn gerade sie schufen aus der Kraft der Psalmen ihre schönsten Werke. — Diese Zeilen seien gleichsam mit einem heiligen Schwur beschlossen: „ O daß es uns doch gelänge, das Lied, das heilige, wachzurufen, das Gottes Heiliger Geist auf der Harfe der Mensdien gespielt!“

Nach einem über den sinnlichen Antrieb der Furcht und Hoffnung hinausliegenden Bildungsmittel, nach einer Erziehung der Nation zu einem ganz neuen Leben, nach einer gönzlichen Veränderung des bisherigen Erziehungswesens lasset uns suchen als dem einzigen Mittel, um die deutsche Nation im Dasein zu erhaltenl Einen festen und nicht weiter schwankenden Willen muß die neue Erziehung hervorbringen. Sie muß als festes und unwandelbares Sein ihres Zöglings ein so inniges Wohlgefallen am Guten schaffen, daß man dadurch getrieben werde, es in seinem eigenen Leben darzustellen.

Johann Gottlieb Ficht, Bruchstücke aus seinen philosophischen Werken. 1808

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung