Vorwürfe gegen Papst Wojtyła
In Polen ist vollends eine Debatte darüber entbrannt, wie Papst Johannes Paul II. in seiner Zeit als Erzbischof von Krakau mit pädophilen Priestern umging. Neue Recherchen rücken ihn in ein schlechtes Licht – aber kein schwarz-weißes, wie es Gegner und Verteidiger zeichnen.
In Polen ist vollends eine Debatte darüber entbrannt, wie Papst Johannes Paul II. in seiner Zeit als Erzbischof von Krakau mit pädophilen Priestern umging. Neue Recherchen rücken ihn in ein schlechtes Licht – aber kein schwarz-weißes, wie es Gegner und Verteidiger zeichnen.
Es ist Freitagmorgen im südpolnischen Wadowice. Vor dem Eingang zum Johannes-Paul-II.-Museum steht eine Gruppe von Schulkindern, sie warten mit ihren Erzieherinnen auf Einlass. Die Kinder kichern, unterhalten sich über alles Mögliche, nur nicht über den 2005 verstorbenen Papst.
Direkt neben dem Geburtshaus des späteren Papstes steht die Basilika der Darstellung der Hl. Jungfrau Maria, und auch hier ist der Papst allgegenwärtig: in Bildern, Zitaten, Gedenktafeln. Am Tag zuvor, am 16. März, fand hier und vor dem Gotteshaus unter dem Motto „Verteidigen wir den Papst“ eine Messe statt, dann ein Appell und um 21.37 Uhr, der Todesstunde des Papstes, das Singen der „Barke“. Nahezu jeder Pole und jede Polin weiß, dass dies das Lieblingslied ist, das er bereits in Jugendjahren sang. „Oh Herr, du hast mich angesehen / Deine Lippen sprachen heute meinen Namen aus.“
„Johannes Paul II. wusste es“
Ähnliche „Verteidigungs“-Aktionen fanden in den letzten Tagen im gesamten Land statt. Anlass sind zwei Publikationen, die Anfang März für großes Aufsehen sorgten: das Buch „Maxima Culpa. Johannes Paul II. wusste es“ des in Polen arbeitenden und niederländischen Journalisten Ekke Overbeek; und „Franciszkańska 3“, ein Filmdokument des Investigativjournalisten Marcin Gutowski aus der TV-Dokureihe „Bielmo“ über Pädophiliefälle in Polens Kirche und die Rolle von Johannes Paul II. bzw. von Karol Wojtyła. Denn es geht explizit um die Zeit 1964–78, als der spätere Papst Erzbischof von Krakau war. Ergebnis beider Recherchen: Zumindest in vier Fällen hatte Erzbischof Wojtyła Kenntnis von pädophilen Priestern seines Erzbistums, die sich aktiv an Kindern vergingen. Er ging da teilweise so vor, wie es das kanonische Recht seiner Zeit verlangte – und disziplinierte sie. Teilweise ließ er sie an Orte versetzen, wo ihnen der Kontakt mit Kindern nicht gestattet war. Härtere Strafen, ein Kümmern um die Opfer oder gar Übergabe an staatliche Behörden: Fehlanzeige.
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