"Wir würden eine Vereinigung begrüßen"

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Sehr umstritten ist auch die Reise Papst Johannes Paul II. vom 23. bis 27. Juni in die Ukraine: Strikt ist die Ablehnung durch das Moskauer Patriarchat.Was diese Papst-Reise ökumenisch so brisant macht, erklärt der Groß-Erzbischof von Lemberg im folgenden Gespräch.

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Sehr umstritten ist auch die Reise Papst Johannes Paul II. vom 23. bis 27. Juni in die Ukraine: Strikt ist die Ablehnung durch das Moskauer Patriarchat.Was diese Papst-Reise ökumenisch so brisant macht, erklärt der Groß-Erzbischof von Lemberg im folgenden Gespräch.

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die furche: Papst Johannes Paul II. reist demnächst in die Ukraine. Was bedeutet dieser Besuch für die ukrainischen Katholiken?

Kardinal Lubomyr Husar: Große Freude für viele Menschen. Wir haben doch so viel wegen unserer Hingabe, unserer Loyalität zum Heiligen Stuhl gelitten. Unsere Gläubigen haben viel vom Papst gehört, sie haben an ihn geglaubt und jetzt können sie ihn endlich sehen. Sehr wichtig ist für uns auch, dass der Papst ein Wort an die Leute richtet, die keiner Kirche angehören, aber doch Gott suchen. Der Papst kann sehr gut, sehr menschlich mit den Leuten sprechen. Wir haben die Hoffnung, dass er viele Bewohner der Ukraine religiös und menschlich anspricht und vielleicht für sie eine neue Hoffnung bringt, sie zumindest auf Gott aufmerksam macht und darauf, was im Leben wirklich zählt.

die furche: Gibt es denn sehr viele kirchenferne Menschen in der Ukraine?

Husar: Bei den Umfragen von vor ungefähr zwei Jahren hat sich fast die Hälfte der Bevölkerung zu keiner Kirche bekennen können. Das heißt nicht, dass sie Atheisten, dass sie gottfeindlich sind. Wir versuchen, besonders auch mit Hilfe des Radios, die Leute auch in den östlichen Teilen der Ukraine anzusprechen. Aber natürlich wird die Anwesenheit des Papstes und die Aufmerksamkeit, die man ihm schenken wird, viel wichtiger sein, als das, was wir selbst tun können.

die furche: Die größte Glaubensgemeinschaft der Ukraine, die Russisch-Orthodoxe Kirche, protestiert immer wieder gegen den Papstbesuch. Wie beurteilen Sie diesen Konflikt?

Husar: Ich glaube, man soll das nicht überschätzen. Wir wissen nicht wirklich, wie die Gläubigen der Russisch-Orthodoxen Kirche darüber denken. Wir haben nur die Aussagen der Bischöfe, haben ihre kirchlichen Dokumente. Ich bin aber nicht sicher, wie treu das Volk seinen Bischöfen ist. Einige Bruderschaften sind natürlich sehr aggressiv eingestellt, aber das ist eine sehr kleine Gruppe in der großen orthodoxen Kirche.

die furche: Steckt hinter dem Widerstand der russisch-orthodoxen Kirchenführung gegen den Papstbesuch möglicherweise auch Angst vor der Wirkung des Papstes auf die einfachen Gläubigen?

Husar: Ich glaube schon, ja.

die furche: Seit Jahrhunderten gibt es schwere Streitigkeiten zwischen christlichen Konfessionen in der Ukraine. Wie kann man da ein ökumenisches Bewusstsein schaffen?

Husar: Die Geistlichkeit muss aufhören, die Leute aufzuhetzen. Wenn das aufhört, glaube ich, sind die Gläubigen nicht wirklich feindlich gegeneinander eingestellt.

die furche: Die Vorbehalte der Orthodoxie hängen auch mit Ihrer Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche zusammen. Sie war seit 1946 mit der Russisch-Orthodoxen Kirche zwangsvereinigt, als selbständige Kirche verboten und wurde grausam verfolgt. Seit ihrer Wiederzulassung 1989 nahm sie einen rasanten Aufschwung. In ihrem alten Kerngebiet Galizien ist die Ukrainisch Griechisch-Katholische Kirche mittlerweile stärker als die Orthodoxie, die sich darüber bitter beklagt und dies als Hindernis für Fortschritte in der Ökumene mit Rom sieht. Wie berechtigt sind diese Vorwürfe?

Husar: Die Russisch-Orthodoxe Kirche ist beleidigt, dass sie in den Jahren von 1989 bis 1991 über 1.000 Gemeinden verloren hat. Sie sagt immer, dass ihr über 1.000 Pfarren gewaltsam weggenommen worden seien. Obwohl viele Leute an Sonn- und Feiertagen auch in die zugelassenen, die orthodoxen Kirchen gegangen sind, sind sie doch im Herzen katholisch geblieben. Als sich die erste Möglichkeit eröffnete, haben sie sich wieder öffentlich zu ihrer eigenen Kirche bekannt. In einigen Gemeinden ist es wirklich zu Zusammenstößen gekommen. Man stritt um das Kirchengebäude oder man hat den Priester wirklich verdrängt. Aber das geschah in einem sehr, sehr kleinen Teil der Fälle und es ist schon vor zehn Jahren geschehen. Die Wunde ist allerdings geblieben.

die furche: Wie sieht es umgekehrt aus, wenn Ihre Griechisch-Katholische Kirche in der Zentral- oder der Ost-Ukraine Gemeinden bilden will? Gibt es da Behinderungen durch den Staat?

Husar: Im Allgemeinen können wir uns frei bewegen. Es hat schon Fälle gegeben und es gibt sie auch heute, wo die weltliche Verwaltung uns nicht sehr freundlich gesonnen war und die Bildung einer Gemeinde nicht zulassen wollte. Aber das sind Einzelfälle, im Allgemeinen ist die Situation nicht schlecht.

die furche: Wir haben bisher von der Russisch-Orthodoxen Kirche gesprochen. Nun gibt es ja in der Ukraine außer ihr noch zwei weitere orthodoxe Kirchen, die jedoch von Moskau unabhängig sind. Die größere von ihnen, die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats, hat sich für den Papstbesuch ausgesprochen. Woher kommt diese Spaltung der Orthodoxie?

Husar: Die Spaltung ist Anfang der neunziger Jahre entstanden. Sie hat einen politischen und einen persönlichen Hintergrund. Ich glaube, der tiefste Grund von allen ist die menschliche Schwäche, durch die man wirklich mehr an diese äußerlichen politischen und emotionalen Schwierigkeiten denkt, als an das echte Gut der Kirche. Natürlich müssen sich viele Leute ändern, um eine wirkliche Zusammenarbeit und vielleicht sogar die Einheit wieder aufzubauen.

die furche: Prälat Iwan Dacko, der für die Außenbeziehungen Ihrer Kirche zuständig ist, hat kürzlich gesagt, seine Vision sei ein Zusammenschluss der orthodoxen Kirchen der Ukraine mit den ukrainischen Katholiken in einer Art Kiewer Patriarchat. Ist es denn vorstellbar, dass es eine Kirche gibt, die von Rom und von Konstantinopel gleichzeitig anerkannt wird?

Husar: Persönlich bin ich davon nicht überzeugt. Ich glaube, man kann von vielen anerkannt sein, aber man kann nicht vielen gegenüber loyal sein. Vom Patriarchat von Konstantinopel ist zwar unsere Tradition gekommen. Aber wir sind natürlich katholisch. Wir erkennen den Papst als das Zentrum, als den Nachfolger des Heiligen Apostels Petrus an. Eine Vereinigung würden wir natürlich sehr begrüßen. Wir würden uns als Katholiken nicht aufdrängen, denn die Orthodoxen sind zahlreicher als wir. Unsere einzige Bedingung ist, dass das vereinigte Patriarchat in der Ukraine mit dem Apostolischen Stuhl in Rom in Gemeinschaft, in Kommunion ist.

die furche: Und das ist in den nächsten Jahrzehnten ja kaum zu erwarten ...

Husar: Der Untergang der Sowjetunion war auch nicht zu erwarten. Menschlich gesehen haben Sie recht. Aber es gibt nichts rein Menschliches.

die furche: Halten Sie es angesichts der Spannungen, über die wir gesprochen haben, für klug, dass der Papst kommt? Könnte ein solcher Besuch nicht das Verhältnis zwischen Katholiken und Orthodoxen auf längere Zeit trüben?

Husar: Ich glaube, die Situation ist nicht so aufgeheizt, wie man sie macht. Die Stellung der russisch-orthodoxen Hierarchie ist klar. Sie ist gegen die Reise des Papstes. Aber ich habe Zweifel, ob auch das Volk dagegen ist. Die Umfragen, von denen man nicht weiß, wie viel sie wert sind, zeigen, dass die Leute zumindest neugierig sind, den Papst zu sehen. Ich glaube, die Situation ist nicht ganz so eindeutig, wie sie im Westen geschildert wird.

die furche: Erwarten Sie besondere Gesten des Papstes gegenüber der Orthodoxie?

Husar: Das wäre sehr schön, denn es würde den Weg ein bisschen ebnen. Weder der Papst noch wir haben den Wunsch, die Situation zu verschlimmern. Ganz im Gegenteil. Wir möchten, dass dieser Besuch wie in so vielen anderen Ländern zu etwas Besserem führt.

Das Gespräch führte Michael Ragg.

Zur Person: Ökumenisch aufgeschlossen Kardinal Lubomyr Husar wurde am 26. Februar 1933 in Lemberg geboren. Nach der Vertreibung seiner Familie hielt er sich in Österreich auf, bis er 1949 in die USA emigrierte. Dort studiert er Philosophie und Theologie. 1958 erhält er die Weihe zum Priester der Diözese Stamford. Von 1958 bis 1969 wirkt Husar als Lehrer und Präfekt am Seminar des Hl. Basilius in Stamford. Ab 1965 ist er Pfarrer in Kerhonkson. Gleichzeitig setzt er seine Studien der Philosophie fort, promoviert 1972 und tritt in das Kloster des Hl. Theodor in Grottaferrata ein.

Zum Bischof geweiht wird Husar 1977. Von 1984 bis 1991 amtiert er als Generalvikar der Lemberger Erz-Eparchie im Exil in Rom. 1994 kehrt er in die Ukraine zurück. Seit 1996 ist Husar Weihbischof in Lemberg. Nach Kardinal Lubachivskyjs Tod wählt ihn die Synode der ukrainisch-katholischen Kirche am 25.1.2001 zum Groß-Erzbischof von Lemberg, also zum Oberhaupt dieser Kirche. Im Konsistorium vom 21.02. erhebt ihn Papst Johannes Paul II. in den Kardinalsstand.

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