Corona und unser Ziel - In der Covid-19-Krise ist unser Ziel, möglichst wenige Tote zu haben. Aber die Rechnung ändert sich, wenn nicht nur „Corona-Tote“ sondern die Gesamtheit der Toten als Ziel genommen werden. - © Foto: Getty Images / Europa Press News

Corona: Das Unberechenbare bewältigen

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Wir agieren auch in dieser Krise mit Methoden aus Maria Theresias Zeiten, anstatt zeitgemäß wirksam zu sein. Wenn wir heil aus der Corona-Mühsal herauskommen wollen, müssen wir unseren Umgang mit Komplexität überdenken.

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Wir agieren auch in dieser Krise mit Methoden aus Maria Theresias Zeiten, anstatt zeitgemäß wirksam zu sein. Wenn wir heil aus der Corona-Mühsal herauskommen wollen, müssen wir unseren Umgang mit Komplexität überdenken.

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Was war sie für eine Errungenschaft – die Naturwissenschaft, als diese schrittweise aufkam. Endlich konnten sich die Menschen die Welt unabhängig von Gott erklären, das Schicksal durch Verständnismodelle ersetzen und scheinbar mehr und mehr selbst steuern. Als Pendant dieses Selbstverständnisses setzte sich die Demokratie durch. Eine Befreiung für viele Menschen, die bis dahin Regeln nur befolgen, aber nicht gestalten konnten. Später entstand über Industrialisierung und internationalen Handelsaustausch ein bis dahin noch nie dagewesener Wohlstand – und damit verbunden immer mehr Komplexität.

Was jedoch seit der Renaissance erhalten geblieben ist, ist eine Grundmaxime didaktischer Vorstellungen in unseren Ausbildungsstätten: Man müsse ein Problem zunächst verstehen, also analysieren können, um dann darauf aufbauend eine Lösung dafür zu finden. Doch dieses Verständnis greift zu kurz und führt zu Fehlleistungen, wenn es darum geht, komplexe, lebende Systeme wirksam zu steuern – also im Management oder auch der politischen Führung.

Deshalb gibt es, wie auch am aktuellen Beispiel der Coronakrise so anschaulich, viele Fehlprognosen und -Entscheidungen. Wir vertrauen auf und agieren nach dem technisch-naturwissenschaftlichen Ansatz von Ursache und Wirkung. Dabei agieren lebende Systeme wie Menschen und Viren viel zu komplex, um sie berechnen, oder gar mit diesem Ansatz noch steuern zu können. So passiert es, dass wir auf Grundlage der Meinung einiger Virologen enorme soziale und wirtschaftliche Kollateralschäden in Kauf nehmen, die den Gesamtkontext der Situation betrachtend von Anfang an absehbar waren. Das lebende Gesamtsystem wurde zu lange außer Acht gelassen. Am nun vorliegenden Ergebnis werden wir noch lange zu arbeiten haben.

Das Gesamtergebnis betrachten

Die Entscheidungslogik dahinter ist nicht die eines bestmöglichen Gesamtergebnisses, sondern die einer Absicherung und Legitimation über Zahlen und Daten. Obwohl heute innerhalb kürzester Zeit nachweisbar ist, dass die angenommenen Entscheidungsgrundlagen (Zahlen und Daten) nicht gestimmt haben, wird an der Vorgangsweise festgehalten, weil zeitgemäße Alternativen bis heute in vielen Führungs- und Entscheidungsgremien nicht bekannt sind.

Man kann auch mit einem alten VW-Käfer von Wien nach Hamburg fahren. Aber mit einem zeitgemäßen Mittelklasse-PKW geht es deutlich sicherer, schneller, besser. Warum wird unsere Denkweise in den gewohnten Bahnen belassen und nicht hinterfragt? Warum fahren wir trotz veränderter Verkehrsbedingungen weiterhin mit dem alten Käfer? Heute leben viel mehr Menschen mit vielseitigeren Ansprüchen als zu Maria Theresias oder VW Käfers Zeiten. Das Wesen einer Krise ist, dass sie nicht planbar, nicht bekannt und nicht gewohnt ist. In der Krise ist jeder mit etwas Neuem konfrontiert. Das erzeugt zunächst Verwirrung, manchmal Verzweiflung und Desorientierung. Selbstredend kann ein solcher neuer Zustand nicht über ein Wissen steuerbar sein, das erst viel später verfügbar sein wird.

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