Jetzt aber ja, was?

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Mit Johannes Voggenhuber ist das Sextett der österreichischen Spitzenkandidaten für die Wahlen zum Europäischen Parlament komplett. Fast alles andere ist noch offen.

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Mit Johannes Voggenhuber ist das Sextett der österreichischen Spitzenkandidaten für die Wahlen zum Europäischen Parlament komplett. Fast alles andere ist noch offen.

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Johannes Voggenhuber also. Ein altes Schlachtross der Linksalternativen aus der Generation Daniel Cohn-Bendit oder Joschka Fischer. Mit allen politischen Wassern gewaschen, kampferprobt, vom Profil einst gar als "grüner Ajatollah" apostrophiert. Nun kehrt er auf die Politbühne zurück, gealtert, ein wenig übel gelaunt, aber offensichtlich unvermindert streitlustig und von seiner Mission überzeugt.

Mit seiner Einschätzung der desaströsen Lage seiner ehemaligen Partei, der Grünen, hat er gewiss recht. Ob er die noch deutlich desaströsere Lage der Liste Jetzt (Pilz), vor deren Karren er sich nun für die Europawahlen spannen lässt, bei diesem Urnengang zum Besseren wenden kann, bleibt abzuwarten. Für die Grünen wird es jedenfalls dadurch gewiss noch schlimmer: Voggenhuber hat zumindest europapolitisch deutlich mehr Gewicht als Werner Kogler. Und dass jemand, der links wählen will, dem SP-Spitzenkandidaten Andreas Schieder den Vorzug gegenüber Voggenhuber gibt, ist wohl nur im Sinne eines taktischen Wählens vorstellbar: weil man das Kreuz bei der mit Abstand größten Linksfraktion machen möchte, um deren zu erwartenden Abstand zu den europäischen Christdemokraten (EVP) möglichst gering zu halten.

Seriöses Angebot für Linkswähler

Johannes Voggenhuber ist also mit Sicherheit ein seriöses Angebot für österreichische Linkswähler, welches die anderen Linksparteien (inklusive NEOS) etliche Stimmen kosten wird. Mit seinen ersten Wortspenden hat er an seiner ideologischen Positionierung keine Zweifel gelassen. In der Migrationsfrage etwa beklagte er deren Instrumentalisierung durch die Rechten, ohne freilich über die Standard-Versatzstücke "Problem in den Herkunftsländern lösen" und "mehr Integration" hinaus Lösungen anzubieten. Und mit Blick auf die gerade aktuelle Venezuela-Thematik griff er auf den genuin altlinken Antiamerikanismus zurück. Keine Rede freilich davon, dass einmal mehr die sozialistische Utopie krachend gescheitert ist, dass auch der "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" wie schon der des 20. Jahrhunderts das "Rendezvous mit der Realität"(um es vornehm mit Wolfgang Schäuble zu sagen) nicht bestanden und dieser in seinen extremen ("realsozialistischen") Ausprägungen stets Not, Elend und Schlimmeres hervorgebracht hat. (Immerhin: eine Eloge auf das segensreiche Wirken von Nicolás Maduro oder dessen Vorgänger Hugo Chávez stimmte Voggenhuber nicht an )

Rechte Mehrheit im Europaparlament

Zur Zeit sind die Linksparteien im Europäischen Parlament klar in der Minderheit. Selbst unter Einbeziehung der liberalen ALDE (welche links-wie rechtsliberale Parteien umfasst, u. a. NEOS oder die deutsche FDP) gibt es keine Mehrheit. Europäische Grüne und Linke (etwa die deutsche "Linke", Österreich ist hier nicht vertreten) rangieren weit abgeschlagen an fünfter Stelle, dahinter kommen nur noch die Rechtsaußen-Fraktionen und die Fraktionslosen. Sowohl AL-DE als auch die rechtsliberale bis nationalkonservative Fraktion EKR sind deutlich größer.

In der öffentlichen Diskussion wird gerne zwischen proeuropäischen und EU-skeptischen bis -feindlichen Parteien unterschieden. Die diesbezüglichen Trennlinien laufen freilich quer durch die Fraktionen im Europaparlament, zum Teil auch quer durch die nationalen Parteien. Wer definiert, was EU-Skepsis bedeutet, welches Ausmaß an Kritik an der gegenwärtigen EU gilt noch als zulässig? Ist jemand, der die (Euro-, Griechenland-etc.)Rettungs-oder die Migrationspolitik der letzten Jahre für verfehlt hält, ein EU-Skeptiker oder -Feind, gar ein übler, ressentimentgeladener Nationalist? Das den Mainstream-Diskurs beherrschende Narrativ suggeriert ebendies. Johannes Voggenhuber dürfte sich in dieses Narrativ bruchlos einfügen. Es steht indes zu vermuten, dass es bei den Wählerinnen und Wählern definitiv nicht mehrheitsfähig ist.

rudolf.mitloehner@furche.at

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