Franz Essl - © Foto: APA / Georg Hochmuth

Franz Essl: „Es braucht Anreize für Landbesitzer“

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Der Österreichische Biodiversitätsrat legt heuer wieder seine Einschätzung der politischen Maßnahmen vor: Es mangelt an systemischer Veränderung, Fortschritte bleiben punktuell.

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Der Österreichische Biodiversitätsrat legt heuer wieder seine Einschätzung der politischen Maßnahmen vor: Es mangelt an systemischer Veränderung, Fortschritte bleiben punktuell.

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In „ungünstigem Erhaltungszustand“: So beschreibt das Umweltbundesamt rund vier Fünftel aller Arten und Lebensräume in Österreich. Konkret bedeutet das etwa, dass die Bestände der Brutvögel in den letzten 25 Jahren um 48 Prozent zurückgegangen sind. Circa jede dritte Art steht bereits auf der Roten Liste und ist damit vom Aussterben bedroht. Aber auch am Boden, in Flüssen und Seen zeigt sich ein drastisches Bild. Angesichts dieser Krise haben die Umweltforscher(innen) im österreichischen Biodiversitätsrat fünf Kernforderungen erstellt, um einen Stopp des Biodiversitätsverlusts bis spätestens 2030 zu erreichen. Wie auch die Klimakrise sei die Bedrohung der Arten als „politische Herausforderung höchster Priorität anzunehmen“. Auch heuer präsentiert das Expertengremium ein Barometer, in dem die heimische Biodiversitätspolitik evaluiert wird. „In unserem Ampelsystem zeigt sich eine starke Tendenz zu den Farben rot und gelb; der Fortschritt in Richtung grün ist leider noch sehr punktuell“, berichtet Franz Essl im Gespräch mit der FURCHE. „Das bedeutet, dass auf der systemischen Ebene viel zu wenig passiert. Noch fehlt der Mut zur politischen Umsetzung“, sagt der Biologie-Professor von der Universität Wien.

Schutz der Lebensräume

Vielsagend ist ein Beispiel aus der niederösterreichischen Landespolitik: Im flächengrößten Bundesland wurden im Jahr 2021 ca. 450 Millionen Euro für das Straßennetz zur Verfügung gestellt – die über den Bund finanzierte ASFINAG ist da noch gar nicht mit eingerechnet. Demgegenüber lag das Naturschutzbudget bei ca. 15 Millionen Euro. „Solche Budgetrelationen verdeutlichen, dass Straßen 30-mal wichtiger genommen werden als der Naturschutz. Dieses Verhältnis ist nicht mehr zeitgemäß“, bemerkt Essl. „Ich gehe davon aus, dass es heute auch in der Bevölkerung ein großes Bewusstsein für eine Aufwertung des Naturschutzes gibt.“ Österreichs „Wissenschaftler des Jahres 2022“ kritisiert Fehlanreize bei den öffentlichen Förderungen: Schließlich sei der Schutz der Lebensräume ein „gesamtgesellschaftlicher Mehrwert, der sich auch rechnen muss“. So könne die nachhaltige Bewirtschaftung von Feuchtgebieten zum Klimaschutz beitragen, indem der Kohlenstoff im Boden bleibt. Auch die Prävention von Hochwasser und anderen Naturgefahren, die Sicherung der Nahrungsmittelproduktion oder der Grundwasserschutz zählen zu diesem Mehrwert, so Essl: „Durch entsprechende Anreizsysteme sollte Naturschutz bei den Landbesitzern eine attraktive Option sein.“

Immerhin gibt es auch Lichtblicke: Das Klimaschutzministerium (BMK) hat den neu errichteten Biodiversitätsfonds mit 80 Millionen Euro dotiert, und dieser Fonds sei bereits „ein wesentliches Instrument für heimische Naturschutzprojekte“ geworden, berichtet der Biologe. Und der Nationalpark Gesäuse soll nun durch einen Vertragsabschluss mit der ÖBB um 113 Hektar erweitert werden – das wurde Ende Oktober bei den Feierlichkeiten zum 21-jährigen Jubiläum des Nationalparks verkündet.

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