Agrarpolitik und Umwelt: Partner wider Willen?

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Die neue Regierung hat die Umwelt nicht mehr mit der Familie, sondern mit der Landwirtschaft zusammengespannt. Klingt einleuchtend, eröffnet aber auch Spannungsfelder.

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Die neue Regierung hat die Umwelt nicht mehr mit der Familie, sondern mit der Landwirtschaft zusammengespannt. Klingt einleuchtend, eröffnet aber auch Spannungsfelder.

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Während im traditionsreichen Regierungsgebäude am Wiener Stubenring, seit 1949 Sitz des jeweiligen Landwirtschaftsministers, Agrarexperten und Naturschützer über Biodiversität und die ländliche Entwicklung diskutierten, wurde vor dem Gebäude rund um das Radetzkydenkmal sehr heftig gegen die neue Bundesregierung demonstriert, die eben beschloß, das Umwelt- mit dem Agrarressort zu vereinen.

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Gewässerschutz und Umwelt heißt nunmehr das erweiterte "Lebensministerium" mit für Wirtschaft und Gesellschaft bedeutenden Aufgaben. Agrarpolitik und Naturschutz, Gentechnik und Konsumentenschutz, Wasser und Wald, Fortschritt und Bewahrung, das alles ist politisch und sachlich unter einen Hut zu bringen.

Ein Blick in das Arbeitsprogramm der ÖVP/FPÖ-Koalition sowie in die Regierungserklärung von Kanzler Wolfgang Schüssel ("Der Reichtum Österreichs liegt auch in der Schönheit unseres Landes. Wir wollen daher unsere Naturräume erhalten, den ländlichen Raum stärken, eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Landwirtschaft. Grundlage der österreichischen Umweltpolitik ist das Leitbild der ökosozialen Marktwirtschaft.") untermauert, daß die agrar- und umweltpolitische Kontinuität gesichert bleibt. Der bisherige Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Wilhelm Molterer, seit 1995 im Amt, gilt als erfahrener und über den engeren Wirkungsbereich hinaus konsensfähiger Politiker, der sowohl national wie auch innerhalb der EU über hohe Reputation verfügt.

Unter dem Titel "Das Land muß leben" - so heißt auch das Aktionsprogramm des ÖVP-Bauernbundes - wird unmißverständlich ein Bekenntnis zur bäuerlichen Land- und Forstwirtschaft abgelegt, umweltorientiert, nachhaltig und flächendeckend soll sie sein.

Das Umweltkapitel ist im 125 Seiten starken Koalitionsübereinkommen noch umfangreicher ausgefallen als die Ausführungen zur Land- und Forstwirtschaft. Klima- und Gewässerschutz, die Verbesserung der Luftqualität, die Förderung erneuerbarer Energie und eine Reihe von Initiativen in der Abfallwirtschaft sowie auf dem Sektor des Umweltrechtes sind die Hauptanliegen der neuen Bundesregierung in diesem besonders sensiblen Politikbereich.

Wer zahlt aber die Ökologie? Umfragen bestätigen eine überwiegend positive Meinung zur Landwirtschaft. Kritisch ist aber anzumerken, daß die Agrarpolitik vielfach die Definitionsmacht darüber, was eine wettbewerbsfähige und trotzdem umweltschonende Landwirtschaft eigentlich ist, wer sie bezahlen soll und welche Aufgaben für Wirtschaft und Gesellschaft zu erfüllen sind, weitgehend verloren hat.

Über Bauernschicksale entscheiden vielfach andere politische Gruppierungen. Wichtige ökologische Begriffe werden oft einseitig und mißverständlich verwendet, der Bio-Landbau erhielt auf diese Weise den "Heiligenschein" des alleinigen umwelt- und ressourcenschonenden Landbaues, während für die Mehrzahl der Landwirte die Bezeichnung "konventionelle Landwirtschaft" übrig blieb, die mit öffentlichkeitswirksamen Effekten nicht selten, aber unzutreffend als die "umweltbelastende Agrarproduktion" abgestempelt wird.

Die Produktpreise sind zu niedrig Die ökologischen Leistungen der Landwirtschaft haben den Charakter "Öffentlicher Güter". Deshalb ist die Überwälzung der Kosten auf die Verbraucher nur zum Teil möglich. Umweltzahlungen machen in extrem gelegenen Bergbauernbetrieben etwa ein Viertel des Unternehmensertrags (1998: 590.000 Schilling) aus, in den leistungsfähigen Marktfruchtbetrieben nur zehn Prozent (Unternehmensertrag 1998: 1,100.000 Schilling).

Die Frage, wer Umweltleistungen der Land- und Forstwirtschaft zu honorieren hat, ist klar zu beantworten: der Konsument über Produktpreise, die zu niedrig sind, und die Gesellschaft als ganzes über Umverteilungsmechanismen in öffentlichen Haushalten, weil Umweltgüter nicht aufgeteilt und verkauft werden können, also keinen Markt und daher auch keinen Preis haben.

Die Fakten sind klar: Von der Gesamtfläche Österreichs im Ausmaß von 83.845 Quadratkilometer entfallen auf die benachteiligten Gebiete 80 Prozent, auf die Wasserschutz- und Schongebiete zehn Prozent und auf die politisch heiß umkämpften "Natura 2000"-Regionen 16 Prozent.

Die Flächennutzung hat sich stark verschoben. Während die landwirtschaftliche Nutzfläche in den letzten zehn Jahren (1990/1999) absolut um 94.000 Hektar auf 2,655.000 Hektar zurückging, stieg die Waldfläche um fünf Prozent auf 3,610.000 Hektar an, die Gewässerfläche expandierte um mehr als drei Prozent auf etwa 137.000 Hektar; die Verkehrsflächen haben viel Land gefressen und sich um 15 Prozent auf 190.000 Hektar erweitert, ebenso die Gebäudeflächen, die mittlerweile 44.000 Hektar der Staatsfläche einnehmen.

Bauern und Naturschutz sind aufeinander angewiesen und für die Gesellschaft unverzichtbare Partner im nächsten Jahrzehnt, aber nicht wider Willen. Daran führt kein Weg vorbei.

Die Reinhaltung der Gewässer, die Erhaltung der Artenvielfalt, Ressourcenmanagement, die nachhaltige Waldbewirtschaftung sowie die Erhaltung der Kulturlandschaft, insbesondere in den Bergregionen, vereinen Agrarpolitik, Natur- und Umweltschutz. Die Spannungsfelder sind aber groß.

Für den Agrar- und Umweltminister wird es daher am Beginn einer neuen politischen Ära nicht leicht sein, unterschiedliche Interessen zu vereinen, Emotionen abzubauen, Mißverständnisse aufzuklären und dazu beizutragen, daß dem kleiner werdenden Berufsstand der Bauern durch entsprechende Leistungsentgelte die Verantwortung für das sensible, angeschlagene und auch durch die Agrarpolitik gefährdete Ökosystem schmackhaft gemacht werden.

Bauern sind die größten Naturnutzer und damit zwangsläufig auch die größten Naturbesitzer. Es entspricht daher dem Auftrag des Europäischen Rates, den Belangen des Umweltschutzes und der nachhaltigen Entwicklung auf allen europäischen Politikfeldern verstärkt zu entsprechen.

Wird der Landwirt zum "Lebenswirt"?

Die neue Ratsverordnung 1257/99 bietet für Bauern und Umweltschutz attraktive Chancen. Die Vorleistungen der österreichischen Agrarpolitik für eine Harmonie zwischen Natur und Umweltschutz mit der Land- und Forstwirtschaft sind durchaus beachtenswert.

Der Biologische Landbau ist mittlerweile längst salonfähig und umfaßt 300.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche. Die Ausgleichszulage für die Bergbauern für 125.000 Betriebe mit mehr als drei Milliarden Schilling ist Motivation für die Landschaftspflege. Die gute fachliche Praxis als Voraussetzung für die Gewährung von Förderungen spannt den großen Bogen zwischen biologischen und konventionellem Landbau.

Allerdings dürfen Agrarpolitiker nicht in den Fehler verfallen, die Sympathie (Wohlgefallen, Zuneigung) für die Landwirtschaft mit dem Image (Bild in der öffentlichen Meinung) zu verwechseln. Der politische Auftrag heißt: Wer in Zukunft den "Lebenswirt" (Ernährung, Rohstoffe, Landschaftspflege, Bodenschutz) will, muß heute dem Landwirt eine Chance geben. Ökologie, Nachhaltigkeit und Pflege der Lebensgrundlagen sind aber nicht zum Nulltarif zu haben!

Der Autor ist Gruppenleiter ist Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Gewässerschutz und Umwelt.

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