EU-reformierte Bauern?

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Umweltaktivistin gegen Bauernvertreter - eine explosive Kombination in dieser Furche-Debatte. Anlass war EU-Kommissar Franz Fischlers aktueller Vorschlag zur EU-Agrarreform. Diskutiert haben Iris Strutzmann von Global 2000 und August Astl, Generalsekretär der Landwirtschaftskammern.

Die Furche: Im letzten Jahr haben Österreichs Bauernvertreter den Vorschlag zur EU-Agrarreform von Kommissar Franz Fischler noch rundweg abgelehnt. Jetzt ist man vorsichtig optimistisch. Warum dieser Wandel?

August Astl: Den Vertretern der Landwirtschaft wird zu Unrecht vorgeworfen, sie seien nicht reformfreudig. Aber die Bauern haben Probleme, wenn alle zwei, drei Jahre die Rahmenbedingungen völlig geändert werden. Und seit dem EU-Beitritt haben sich für die österreichischen Bauern so gut wie alle Regeln verändert.

Die Furche: Und die aktuelle Reform macht wieder alles anders?

Astl: Die aktuellen Vorschläge unterscheiden sich in einigen Kernbereichen substanziell von denen im Vorjahr. Der wichtigste Punkt: die Erhaltung der Milchquoten-Regelung. Sie ist von größter Bedeutung für die benachteiligten Gebiete in Österreich. Außerdem wird im neuen Vorschlag ein Unterschied gemacht, ob ein Bauer zehn bis 20 oder 1.000 Hektar hat. Da gibt es jetzt eine Abstufung.

Iris Strutzmann: Wir haben den ersten Vorschlag von Fischler unterstützt und gedacht: Jetzt gibt es eine wirkliche Agrarreform. Mittlerweile sind wir aus Sicht der Umwelt der Meinung, dass die EU-Agrarreform diesen Namen nicht mehr verdient.

Die Furche: Was stört Sie?

Strutzmann: Ursprünglich war mehr Geld für die biologische Landwirtschaft und für strukturschwache Gebiete vorgesehen. Davon ist jetzt nur mehr sehr wenig übrig geblieben. Ein zweiter Punkt: Es war eine langjährige Forderung der Umweltorganisationen, die Direktzahlungen an Umweltauflagen zu binden. Immerhin werden pro Jahr 45 Milliarden Euro von der EU für Agrarförderungen ausgegeben. Und obwohl es in den letzten Jahren viele Skandale in der Landwirtschaft gegeben hat - BSE, illegaler Einsatz von Pestiziden, Hormonen, usw. - kommt es hier zu keiner substanziellen Änderung.

Die Furche: Geht es nach Franz Fischler, sollen Subventionen in Zukunft nicht mehr an die Produktion gebunden sein. Es geht also in Richtung Grundgehalt für Bauern - ist das keine substanzielle Änderung?

Strutzmann: Nur wenn es strenge Auflagen in Sachen Tier- und Umweltschutz sowie Lebensmittelsicherheit gibt.

Astl: In Österreich gibt es unendlich viele Auflagen. In den anderen EU-Ländern ist das zum Teil ganz anders - und in den Beitrittsländern sind die Standards noch niedriger. Für uns ist wichtig, dass die Regeln möglichst einheitlich sind und kontrolliert werden. Die Umweltorganisationen vernachlässigen den Punkt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Es nützt nichts, wenn man in Österreich strenge Regeln aufstellt, die jenseits der Grenze schon nicht mehr gelten. In Österreich hatten wir die von Ihnen erwähnten Skandale nicht. Gab es aber irgendwo in der EU einen Skandal, dann haben die Umweltorganisationen nach Auflagen geschrieen - und der Schaden war für die Bauern im deutschen Sprachraum am größten.

Strutzmann: Wir essen sehr viele Produkte, die in Europa hergestellt werden. Und wenn wir Millionen an Steuergeldern für die Agrarförderung ausgeben, ist es wohl nicht zu viel verlangt, wenn dafür auch auf die Einhaltung von Umweltstandards gepocht wird. Unser Ziel muss sein, nur mehr Subventionen zu erlauben, die an Umweltmaßnahmen gebunden sind. Das ist doch positiv.

Astl: Sie gehen auf mein zentrales Argument nicht ein: die Marktöffnung. Der europäische Lebensmittelmarkt ist der größte und offenste der Welt. Dem Verbraucher ist nicht gedient, nur zu verlangen, dass der österreichische Bauer tollen Auflagen gerecht wird, während man sich in den USA kaum mit Auflagen herumschlagen muss. Auf dem Markt trifft dann der österreichische Weizen auf den aus den USA. Da ist die Politik verlogen. Bei diesem Punkt könnten wir beide doch zusammenkommen und sagen: Die Regeln sollten für alle gelten und nicht nur für ein paar arme österreichische Bergbauern.

Strutzmann: Da stimme ich Ihnen total zu. Deswegen fordern wir ja, dass Umweltstandards europaweit eingehalten werden. Und darüber kann und muss man dann auch bei der WTO (Welthandelsorganisation) verhandeln. Aber wir müssen uns doch auch die Umweltsituation vor Augen halten: In Europa sind fast 50 Prozent des Grundwassers nitratverseucht. Auch in Österreich gibt es das Problem. Da kann ich doch nicht so wie Sie sagen: Es geht um den Weltmarkt und da müssen wir halt in Europa die Standards herunterschrauben.

Astl: Sie sollten bei dem bleiben, was ich gesagt habe. Wir vertreten nicht niedrigere Standards. Hohe Standards sind okay - aber für alle. Unser Eindruck ist nur, dass die Verbraucher- und Umweltorganisationen einäugig agieren.

Furche: Werden die Standards durch die Fischler-Vorschläge eher befördert?

Astl: Für uns ist es großer Fortschritt, dass einheitliche europäische Standards in den neuen Formulierungen vorgesehen sind.

Strutzmann: Wenn Sie von neuen Standards sprechen, wüsste ich gerne, was Sie damit meinen. Was da gefordert wird, daran müssen sich die Bauern ohnedies halten. Fischler schlägt vor, 38 bestehende Gesetze als Kriterium heranzuziehen. Das wird als Neuerung verkauft. Was ist daran neu?

Astl: Neu ist, dass alle Mitgliedsländer zur Einhaltung der Standards gezwungen werden.

Furche: Zurück zur Entkoppelung von Subvention und Produktion: Ist dieses Konzept zukunftsweisend?

Strutzmann: Die Entkoppelung ist zukunftsweisend, wenn sie an strenge Auflagen für Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit und Tierschutz gebunden ist und kann dazu führen, dass die Überproduktion in der Landwirtschaft zurückgeht. Es muss aber nicht sein. Niemand weiß, ob die Steuerzahler nicht nach zehn, 15 Jahren fragen: Wozu zahlen wir so viel für die Bauern? Daher sollen, unserem Verständnis nach, langfristig gesehen die Bauern überhaupt keine Förderung mehr bekommen, sondern letztendlich von ihren Produkten leben können.

Astl: Das hören alle Bauern gern. Tatsache ist aber, dass die weltweite Agrarpolitik in die Gegenrichtung geht. Es gibt keine kostendeckenden Preise. Für einen Euro, den der Konsument ausgibt, erhält der Bauer 20 Cent, in Österreich vielleicht ein bisschen mehr.

Furche: Der Bauer als Landschaftspfleger - wie sollen diese Leistungen vergütet werden?

Strutzmann: Landschaftspflege und biologische Landwirtschaft - das sollte in jedem Fall weiterhin bezahlt werden. Wir sind ja auch dafür, dass man die Mittel zur Stärkung des ländlichen Raums erhöht. Das bringt eine Verbesserung der regionalen Vermarktungsstrukturen und braucht Förderung, weil es auf dem Weltmarkt keinen Platz hat.

Astl: Landschaftspflege allein ist zuwenig. Eine Mindestbewirtschaftung ist weiterhin notwendig, um den ländlichen Raum intakt zu halten und die Kulturlandschaft zu prägen. In der Diskussion zur Entkoppelung von Subventionen und Produktion wird zwar vorgegaukelt, dieses Konzept nütze den benachteiligten Gebieten. Unsere Studien lassen aber eindeutig erkennen, dass die Bergbauern in schwierigen Lagen dann die Milchproduktion aufgeben werden. Wenn im EU-Agrarministerrat Holland, Dänemark, Schweden und Großbritannien die Entkoppelung befürworten, muss das doch nachdenklich machen. Die sind in Gunstlagen und erwarten sich Vorteile. Die sagen uns: Bleibt beim Fremdenverkehr und überlasst uns die Erzeugung von Fleisch und Milch.

Strutzmann: Wir begrüßen die Entkoppelung nur unter der Voraussetzung strenger Umweltauflagen: Beispielsweise eine Begrenzung auf zwei Großvieh-Einheiten, wenn man weiterhin Fördergelder bekommen will. Das müsste für jeden Bauern in der EU gelten, nicht nur in Österreich.

Astl: Diese Regelung wird es in Europa in 100 Jahren nicht geben. Sie sind so weit von der Realität entfernt, dass Sie in Europa nur belächelt werden. In Österreich gibt es eine Förderung nur, wenn flächengebundene Viehhaltung betrieben wird. Die Deutschen, die Dänen, die Holländer, die Franzosen gehen einen anderen Weg - sie werden sich ja auch nicht selbst umbringen. In Brandenburg ist gerade ein Stall für 70.000 Schweine gebaut worden - mit null Fläche ...

Furche: Sind gemeinsame europäische Standards demnach eine Illusion?

Astl: In Europa hat es eine Auseinanderentwicklung gegeben. Manche Länder haben die intensive Landwirtschaft forciert. In anderen Regionen wurde die naturnahe Landwirtschaft gut verwirklicht, was nicht heißt, dass das im Preis der Produkte ausreichenden Niederschlag gefunden hat.

Furche: Unterschiede wohin man schaut - ist eine einheitliche EU-Landwirtschaftspolitik möglich?

Astl: Die Kommission versucht eigentlich das Unmögliche: trotz enormer Unterschiede die Dinge auf einen Nenner zu bringen.

Strutzmann: Das ist mir viel zu einseitig. Die Intensivierung der Landwirtschaft in der EU ist von der Agrarpolitik durch Förderungen unterstützt worden. Daher bekommen heute 20 Prozent der Bauern 80 Prozent der Förderungen. Fischler steht vor der Aufgabe, diese soziale Ungerechtigkeit zu verringern. Will Europa eine nachhaltige Landwirtschaft, sowohl ökologisch wie sozial, dann ist eine entsprechende Politik sehr wohl möglich. Es kommt darauf an, welche Ziele ich mir stecke. Wenn ich sage, Biolandwirtschaft ist mir wichtig, dann geht eben ein Teil der Agrarförderungen dorthin. Und dafür muss man eben Mehrheiten finden.

Das Gespräch moderierten Christof Gaspari und Wolfgang Machreich.

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