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„WIR BRAUCHEN EINE DACHMARKE FÜR FLEISCH"

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FURCHE: Herr Minister, wenn Sie in einem Restaurant ein Schnitzel oder Steak bestellen, welches österreichische Qualitätsfleisch bevorzugen Sie ?

LANDWIRTSCHAFTSMINISTER FRANZ FISCHLER: Je nachdem ob es ein Schnitzel oder ein Steak ist. Ich esse normalerweise ein Schweinsschnitzel, sehr selten ein Kalbsschnitzel, beim Steak bin ich einer, der Rindersteak bevorzugt. Beim Rindfleisch würde ich zum Beispiel ein Steak von einem Almochsen bevorzugen. Beim Kalbfleisch bin ich ein Lokalpatriot. Hier gibt es schon seit langem ein Markenfleischpro-gramm, das „Tiroler Vollmilchkalb". Das sind leichtgewichtige, ausschließlich mit Vollmilch gefütterte und umweltfreundlich gehaltene Kälber. Bei Schweinefleisch gibt es eine Reihe von Marken, wobei es hier im wesentlichen darauf ankommt, daß es ein kerniges Schweinefleisch ist. Das ist in Österreich in der Zwischenzeit kein Problem.

FURCHE: Heute essen die Konsumenten gerne leicht, sie greifen verstärkt zu Geflügel, Lammfleisch et cetera. Welche Folgen hat das für die heimischen Rinder- und Schweinezüchter?

FISCHLER: Derzeit geht leider vor allem der Absatz von Rindfleisch zurück. Wir haben einen Marktverlust von fünf Prozent im Inland im heurigen Jahr. Das macht uns große Schwierigkeiten, weil wir diese Rindermengen mit hohen Kosten und großen Exportschwierigkeiten zusätzlich exportieren müssen. Wir versuchen, diese Situation zu bewältigen. Es gibt, beginnend mit Oktober, eine Werbeaktion mit einem Aufwand von 15 Millionen Schilling Bundesmittel, wo der heimische Rindfleischabsatz beworben werden soll, und wo es mir vor allem darum geht, Qualität zu bewerben und eben gerade aufmerksam zu machen, daß wir in Österreich zum Beispiel mit unseren Almochsenprogrammen ein Rindfleisch anzubieten haben, das eigentlich sehr naturnah produziert worden ist.

FURCHE: Immer mehr Fleischerzeuger steigen auf sogenanntes Markenfleisch um. Mittlerweile gibt es über 30 Marken, die für den Konsumenten kaum noch überschaubar sind.

FISCHLER: Ich bin auch hier der Meinung, daß es da eine Art Flurbereinigung brauchen wird, denn es kann nicht das Ziel einer wirksamen Marketingstrategie sein, daß wir am Schluß einen riesigen Gemüsegarten von Kleinstmarken haben, die kaum beworben werden können, weiters unterschiedliche Ansprüche und Produktionsvoraussetzungen haben und den Konsumenten eher verwirren als eine Zusatzinformation bieten.

FURCHE: Wer bestimmt eigentlich die Qualitätskriterien für Markenfleisch?

FISCHLER: Das Problem liegt darin, daß es in puncto Marketing noch keine einheitlichen Richtlinien gibt und es derzeit beim Rindfleisch kein Qualitätsklassifizierung beim Fleisch gibt, da haben wir einen Handlungsbedarf. Es wird hier schon seit zwei Jahren diese Frage unter den verschiedenen Beteiligten -Heischer, Schlachtbetriebe, Produktionsvertreter, Wirtschaft und Handel - diskutiert. Ich werde hier darauf drängen, daß diese Diskussionen möglichst bald abgeschlossen werden, daß zumindest einmal das, was am Schlachtkörper objektiv an Qualität beurteilbar ist, in die Qualitätsbeurteilung einfließt. Das ist auch deshalb wichtig, weil man darauf auch eine Qualitätsbezahlung für den Bauern aufbauen

kann. Qualität ist heute mehr als nur die Genußqualität, die Inhaltsstoffe das Fleisches oder wie hoch der Fettanteil ist. Es gibt viel mehr Faktoren, die die Qualität entscheidend beeinflussen, als man das gemeinhin angenommen hat.

□ Sicher ist ein Einflußfaktor die Fütterung. Hier glaube ich, können wir in fast allen Bereichen nachweisen, daß wir nur Futtermittel zulassen, die absolut unproblematisch sind, daß wir ein strenges Hormonfütterungsverbot und dergleichen haben.

□ Das zweite Element, das Qualität ausmacht, ist die Frage der Zucht. Beim Schweinefleisch nützt das, bei noch so natürlicher Haltung, bei noch so gutem Futter nichts, wenn es die sogenannte PSE-Anfälligkeit (PSE für engl. pale=blaß, soft=weich, exudative=wäßrig, das „Schrumpf-schnitzel", entsteht durch streßbedingte Qualitätsverschlechterung,

Anm. d. Red.) aufweist.

□ Das dritte Element, welches mir besonders wichtig erscheint, ist die Schlachtung. Eine unsachgemäße und vor allem auch riesige Massenschlachtung führt automatisch zu Qualitätsverlust, vor allem wenn dieses Tier vor der Schlachtung gestreßt wird. Eine tiergerechte Schlachtmethode ist ein wesentlicher Punkt.

□ Der vierte Punkt ist die Fleischbehandlung, wobei es gerade beim Rindfleisch ganz entscheidend ist, ob dieses Fleisch ausreichend abgehangen wird oder nicht, das ist für die Mürbe des Fleisches ein entscheidender Faktor.

□ Weiters gewinnt zunehmend an Bedeutung, daß auch die Art und Weise der Haltung vom Konsumenten her mitbeurteilt wird, ob er zu dem einen oder zu einem anderen Fleisch greift. Hier gibt es derzeit noch keine einheitlichen Normen. Nachdem wir im Ministerium keine Gesetzgebungskompetenz haben, können wir nur in der Förderung darauf Rücksicht nehmen. Es ist bei uns so, daß jetzt besonders artgerechte oder tierfreundliche Haltungsformen eine günstigere Förderung bei der Investition erhalten als die landläufigen Haltungsformen.

FURCHE: Viele Firmen werben für

ihre Produkte gerne mit „artgerechter Tierhaltung", „naturnaher Aufzucht" und „kontrollierter Qualität", um beim Konsumenten den Eindruck zu erwecken, hier handelt es sich tatsächlich um Qualitätsfleisch ersten Ranges. Es mehren sich aber jene kritischen Stimmen, die diese Aussagen stark in Zweifel ziehen.

FISCHLER: Esjibt hier eine Reihe von Vorwürfen, das stimmt. Andererseits gibt es nach wie vor verschiedenste Vorstellungen davon, was eigentlich „tiergerecht" ist, beziehungsweise wo die Grenzen sind. Das ist die eigentliche Schwierigkeit. Natürlich fühlt sich ein Schwein wohl, das einen Auslauf und eine Weide hat, suhlen kann und alle seine natürlichen Reaktionen ausleben kann. Die Frage*ist, wie normiert man solche Dinge, wie legt man fest, ob eine Haltungsform als artgerecht zu bezeichnen und ab wann sie nicht mehr als solche zu bezeichnen ist. Diese Frage ist derzeit auch international nicht ausdiskutiert. Daher gibt es da automatisch gewisse Streitereien.

FURCHE: Welchen Beitrag werden Sie hier als zuständiger Minister leisten?

FISCHLER: Wir vom Landwirtschaftsministerium können hier einen wesentlichen Beitrag leisten. Ich stelle mir vor, daß man eine Art Dachmarke schaffen muß. Der Konsument kann dann auf sehr einfache Art und Weise beurteilen und muß nicht jeder einzelnen Regionalmarke nachlaufen. Ich glaube, daß man mit einem solchen Konzept weiterkommt.

Dann gibt es noch das spezielle Problem der Geflügelhaltung. Wir konnten jetzt endlich eine Verordnung schaffen, mit der eine gesetzlich anerkannte Kennzeichnung von Hühnern, die aus Bodenhaltung stammen, durchgeführt werden kann. Die Pha-

se, die jetzt eintreten müßte, ist die, daß man für diese Eier versucht, einen Markt aufzubauen. Hier lade ich auch die Tierschutzverbände dazu ein, und ich bin sehr froh, daß der Wiener Tierschutzverband (mit seiner Nest-Eier GmbH., siehe Kasten) initiativ geworden ist. Denn selbst wenn die Länder sich durchringen und die Käfighaltung gemeinsam verbieten, würde das nur dazu führen, daß die jetzigen Käfigeier aus heimischer Produktion durch Käfigimporteier ersetzt werden. Dann haben wir tierschützerisch überhaupt nichts gewonnen.

Daher sage ich, als erste Voraussetzung muß man die Möglichkeit schaffen, daß der Konsument auswählen kann zwischen Freilandeiern und Eiern von Batteriehühnern. Weiters muß für diese umweltfreundlichere Haltungsform auch entsprechend Werbung betrieben werden und zwar eine Werbung, die den Käufer ani-.miert, diese Preisdifferenz, die zwangsläufig da ist, zu überspringen.

FURCHE: Innerhalb des Landwirtschaftsministeriums gibt es seit kurzem auch eine „Arbeitsgruppe Qualitätsfleisch ", die aufgrund verstärkter Konsumentenkritik ins Leben gerufen wurde.

FISCHLER: ...das ist nichtnur eine ministerielle Angelegenheit, da sind auch die Vieh- und Fleischkommission und verschiedene andere Institutionen eingebunden.

FURCHE: Welche Zielsetzungen hat diese Arbeitsgruppe? FISCHLER: Wir müssen Modelle

entwickeln, wo sowohl ökologische, tierschützerische und haltungsmäßige Ziele, die wir anstreben, auch ökonomisch vertretbar sind. Daher muß der erste Schritt beim Rindfleisch sein, daß wir versuchen, eine Klassifizierung der Schlachtkörper zustande zu bringen, - da ist uns ja beispielsweise die EG voraus, die das schon hat - und danach auch eine Qualitätsbezahlung aufzubauen. Dann haben wir automatisch das ökonomische Interesse, Qualität zu produzieren. Solange ein B auer unabhängig davon, ob sein Tier gute oder schlechte Qualität hat, für das Kilo Fleisch gleich viel bekommt, ist das für ihn uninteressant. Ich glaube, daß der ökonomische Anreiz, noch dazu bei den derzeit enorm unter Druck geratenen Fleischpreisen beim Rindermarkt, eine gute Sache ist.

FURCHE: In Österreich schließen täglich 16 landwirtschaftliche Betriebe. In Zukunft werden, wie Fachleute prognostizieren, nur mehr ganz große oder spezialisierte Kleinbetriebe übrig bleiben. Wie schätzten Sie die Chancen der heimischen Viehzüchter bei einem EG-Beitritt Österreichs und damit unter veränderten Marktbedingungen ein?

FISCHLER: Unser Grundproblem ist, wir müssen das ehrlich zugeben, daß die Probleme eines schärferen Wettbewerbs nicht nur kommen, wenn wir der EG beitreten, sondern schon durch O stöffnung gegeben sind. Daher müssen wir uns auf jeden Fall strategisch entscheiden, wie wir diesem schärferen Wettbewerb begegnen. Und K im Prinzip gibt es nur zwei m Möglichkeiten: Wenn ich V dasselbe produziere wie viele W andere, dann kann ich keinen W anderen Preis auf Dauer von | den Konsumenten dafür verlan-* gen. Wenn Marktanteile erweitert werden sollen, dann muß versucht werden, die anderen preislich zu unterbieten. Es ist jedem in Europa klar, daß ein Land mit Strukturen wie sie Österreich hat, also kleinen Betrieben, großen Anteilen an Berggebieten und so weiter, wir im Kostenwettbewerb keine Chance haben. Wir haben nur die Chance, daß wir versuchen, höhere Preise zu erzielen. Damit können wir den Bauern eine Chance geben, denn diese höheren Preise sind nur mit Qualitätsargumenten erzielbar.

Ich glaube daher, daß es die wichtigste Zukunftsvorbereitung ist, eine konsequente Qualitätsschiene zu entwickeln und mit dieser Schiene auch konsequent am Markt aufzutreten. Wir haben einerseits den Nachteil, daß Österreich als Nahrungsmittelproduzent in der Welt eigentlich kaum jemand kennt. Wir haben aber aufgrund dessen aber noch kein schlechtes oder festgelegtes Image. Wir können unser Image noch selber festlegen, das müssen wir aber sehr rasch tun, sonst läuft uns die Zeit davon. Das halte ich natürlich auch für die strategisch wichtigste EG-Vorbereitung.

Das Gespräch mit Landwirtschaftsminister Franz Fischler führte Josef Graisy.

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