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Gibt es morgen noch Trinkwasser?

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Seit Jahrenwamt die UNO: Wasser wird nicht nur in Wüstengebieten zu einem der kostbarsten Güter. Umweltprobleme beeinträchtigen Menge und Qualität des Angebots.

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Seit Jahrenwamt die UNO: Wasser wird nicht nur in Wüstengebieten zu einem der kostbarsten Güter. Umweltprobleme beeinträchtigen Menge und Qualität des Angebots.

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Österreich ist dank seiner geographischen Lage am Schnittpunkt der Klimagebiete West-, Ost- und Südeuropas und seiner starken Gebirgs- und Flußlaufgliederung insgesamt ein wasserreiches Land.

Durch seine Vegetationsausstattung und die Wasserspeicherfähigkeit seiner Böden, hier vor allem der Waldböden, ist es ein auch wasserwirtschaftlich glückliches Land. Geraten diese Vegetationsausstattung und damit auch die Böden in Gefahr, so ist eine Steinwüste, wie sie uns der Karst zeigt, das zu erwartende bittere Ergebnis der ausgelösten Wirkungsketten.

Die Karstlandschaften Europas und die mit künstlicher Bewässe-

rung den Steinwüsten des Himalajas abgetrotzten Gerstenkulturen sollten uns in Erinnerung rufen, wie gut es uns derzeit geht und was wir aufs Spiel setzen, wenn wir weiterhin in der Natur herumtrampeln wie die sprichwörtlich gewordenen Elefanten im Porzellanladen. Wassermenge und Wasserqualität werden von der Natur nicht unabhängig von unserem Verhalten garantiert.

Zur besseren Einschätzung der Bedeutung des Waldes für die österreichische Wasserwirtschaft darf darauf verwiesen werden, daß angenommen werden kann, daß der österreichische Waldboden im Durchschnitt je Hektar etwa 3.000 Kubikmeter zu speichern vermag.

Dies ergibt bei rund 3,75 Millionen Hektar Waldfläche ein nutzbares Wasserspeichervermögen von rund elf Milliarden Kubikmeter, dessen Funktion im Rahmen der österreichischen Wasserbilanz zu veranschlagen ist.

Das heißt in anderen Worten: Die Wasserspeicherfähigkeit der Waldfläche entspricht fast elf Prozent der jährlichen Gesamtniederschläge und mehr als dem Zehnfachen des Trink- und Nutz-

Wasserbedarfes der Österreicher im Haushalt.

Der Wald hat in der Regel die doppelte Wasserspeicherfähigkeit eines Ackerbodens. Hiezu kommt noch die klimatische Regelungsfunktion aufgrund einer durchschnittlichen Verdunstung von 10.000 bis 15.000 Kubikmeter je Hektar und Jahr. Es ist daher geboten, die Gesunderhaltung des Waldes an die Spitze der Betrachtung zu stellen.

Auf die einzelnen Bereiche der neuartigen Waldschäden kann in diesem Rahmen leider nicht näher eingegangen werden. Es muß aber die Dramatik der Situation aufgezeigt werden. Da die höchsten Niederschläge im westlichen Teil der nördlichen Kalkalpen fallen und dort die Schäden am stärksten sind (Stau der Fernimmissionen plus lokale Luftverschmutzung), ist unser bisheriger wasserwirtschaftlicher Wohlstand ernsthaft bedroht...

Daß 27 Prozent der Staatsfläche Grünland sind, wird meist zu wenig beachtet. Auch hier treten in letzter Zeit besondere Gefährdungen auf: Die „Tourismusindustrie“ beansprucht Straßen, Bauplätze, Skipisten sowie mechanische Aufstieghilfen. (Österreich hat mit etwa 5.800 Kilometer bereits mehr präparierte Skipisten als Italien und die Schweiz zusammen.) Absoluter Bodenverlust sowie Rillen- und Grabenerosion sind die Folge.

Auch die Entwicklung der Viehdichte und der Güllewirtschaft bereitet Sorgen. Da die Grünlandbetriebe, wenn sie keinen Fremdenverkehr haben, sehr knapp (oft unter dem Existenzmini-

mum) wirtschaften, müssen sie intensivieren und Kosten sparen. Mehr als zwei Großvieheinheiten je Hektar Futterfläche sind aber nicht mehr im natürlichen Gleichgewicht.

Holland ist da mit seiner aus dem ökologischen Gleichgewicht ausgebrochenen Viehwirtschaft ein mahnendes Beispiel. Durch überhöhte Viehdichte und Futter-zukauf aus dem Ausland weiden die holländischen Rinder in Ubersee, aber misten in Holland. Das Ergebnis ist eine nationale Katastrophe.

Ich zitiere den Generaldirektor des holländischen Umweltbundesamtes wörtlich: „Unser Grundwasser ist als Trinkwasser bereits tot, was wir jetzt tun, ist Rettung des Brauchwassers...“

Die Gülle wird nämlich meist im Herbst oder im Frühjahr ausgebracht - also in Zeiten, in denen Pflanzen- und Bodenleben nicht in voller Aktivität stehen und der Grundwasserschluß bevorsteht oder noch vorhanden ist. Die Folge ist ein Durchschlagen der Gülle in die Wasserabflüsse oder ins Grundwasser.

Die notwendige Therapie? Wir brauchen Speicherraum für die im Winter anfallende Gülle und nachgeschaltete Biogasanlagen. Ein solches System ermöglicht die portionsweise Ausbringung von pflanzenverträglicher Gülle in der Vegetationsperiode.

Diese Infrastruktur kann aber nicht den Grünlandbauern zuge-

mutet werden, sonst würden wir alle unsere Bergbauern von den Höfen treiben. Sie ist eine nationale Investition zur Sicherung der Wasserqualität und würde auch einen kleinen Beitrag zur Energieautarkie leisten...

Ein besonderes Problem stellen die Zentralkläranlagen dar. In rein anlagetechnischem Effizienzdenken hat man ganze Talschaften zusammengefaßt, ohne zu überlegen, daß man hiedurch nicht nur die Verantwortung und Selbstkontrolle verdünnt, sondern die Böden rund um die Kläranlage hoffnungslos überfordert. Sie können ganz einfach das Ubermaß an Zufuhr von organischer Masse nicht mehr verdauen — auch wenn der Klärschlamm bezüglich der Schwermetalle und toxischen organischen Substanzen unbedenklich ist.

Das „Grundgesetz“ des Umweltschutzes heißt Belastungen verteilen und nicht konzentrieren. Es wird uns aufgrund unserer Planungsblindheit das Los der langen Ausbringungswege für den Klärschlamm nicht erspart bleiben, wenn wir nicht wollen, daß die Belastungen in den Wasserbereich durchschlagen.

Unvermeidbarer Müll muß verdichtet (zum Beispiel durch Verbrennen) und chemisch inerti-siert (Einschließung in chemisch nicht reagierende Behältnisse und Substanzen) auf bestens abgesicherte Deponien gebracht werden. Die Massendeponien als unkontrollierte Alchimistenküchen unserer Zivilisation gehören daher zu den großen Risikofaktoren. Auf Ackerflächen entstehen durch extreme und nicht porti-

onsweise Düngung (Düngungsaufteilung nach den Entwicklungsstadien der Pflanzen) Nitrateinträge ins Grundwasser (vor allem auch während der Winterbrache). Nicht pflanzen-, bedarf s- und bodengerechte Beregnung kann auch Nitratsaustrag ins Grundwasser bewirken.

Ein weiterer Gefahrenbereich ist der Intensivgemüsebau. Hier sollte die Halbinsel Reichenau bei Konstanz in Deutschland als warnendes Beispiel dienen. Durch den Nitrateintrag aus dem dort gepflogenen Intensivgemüsebau muß die Trinkwasserversorgung nunmehr vom Festland aus erfolgen.

Dauerbelastungen

Während zu hohe Einträge von organischen Pflanzenschutzmitteln nur reversible Schäden verursachen, sind schwermetallhaltige Mittel (zum Beispiel Kupferpräparate im Wein- und Obstbau) irreversible Bodenbeiaster.

Hier ergibt sich nicht nur eine Auswaschgefahr, sondern auch ein Eintrag in die Nahrungsmittelkette.

Noch schwieriger ist die Situation bei chlorierten Kohlenwasserstoffen, die eine Persistenz (Zeitraum des Abbaues von mindestens 75 Prozent) von ein bis 15 Jahren erreichen. Sie können sowohl durch Erosion in die Fließgewässer als auch über die Bodenlösung ins Grundwasser gelangen.

Der Autor ist Generaldirektor der „Österreichischen Agrarindustrie“, sein Beitrag ein Auszug aus Heft 3/1987 der Schriftenreihe des .Club Niederösterreich“.

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