Rupert Sheldrake: Paranormaler Grenzgänger
Rupert Sheldrake geht davon aus, dass Menschen wie Tiere über einen siebten Sinn verfügen. Ist er eine Galionsfigur für Wissenschaftsskeptiker? Oder ein Visionär für eine erneuerte Wissenschaft?
Rupert Sheldrake geht davon aus, dass Menschen wie Tiere über einen siebten Sinn verfügen. Ist er eine Galionsfigur für Wissenschaftsskeptiker? Oder ein Visionär für eine erneuerte Wissenschaft?
Die „Wiederentdeckung von Gott“ ist nicht unbedingt ein Thema, das man sich von einem gestandenen Biologen erwarten würde. Es sei denn, es handelt sich um Rupert Sheldrake, der auch als 81-Jähriger auf Konferenzen, in Workshops und Onlinekursen hoch aktiv ist. In einem Vortrag am 20. März in der St. James’s Church in London wird der englische Bestsellerautor auf das eigene Leben zurückblicken. Dieses ist nicht nur abenteuerlich, sondern steht tatsächlich im Zeichen einer „Wiederentdeckung der Spiritualität“ (so der Titel eines seiner Bücher). Denn als Sheldrake an der Universität Cambridge Biologie studierte, war er noch ein knochentrockener Naturwissenschafter und überzeugter Atheist.
Das änderte sich nach einer Indien-Reise im Jahr 1968, als die Hippiekultur ihre Blütezeit hatte. Wie viele Zeitgenossen geriet auch Sheldrake in den Bann der „mystischen Morgenlandfahrt“. 1974 kehrte er nach Indien zurück, um an tropischen Gemüsepflanzen zu forschen. Nicht nur das: Im südlichen Bundesstaat Tamil Nadu lebte er knapp zwei Jahre im Ashram des ausgewanderten britischen Benediktinermönchs Bede Griffiths, der sich dem Dialog zwischen Christentum und Hinduismus verschrieben hatte. Als Sheldrake 1985 aus Indien zurückkehrte, war er wie Griffiths zum Wandler zwischen den Welten geworden – nur auf einer anderen Ebene: ein fantasievoller Forscher, der mit wissenschaftlicher Methodik in das Eck der Esoterik und Spiritualität hineingeht.
Dort fand er rätselhafte Phänomene wie Gedankenübertragung, Hellsehen oder Vorahnungen und bemühte sich in exotischen Experimenten um nachvollziehbare Erklärungen. Das Weltbild des „mechanistischen Materialismus“ hat er dabei gründlich abgelegt – und seinen Weg als Sonderling im Wissenschaftsbetrieb bewusst angetreten.
Das Gedächtnis der Natur
Außergewöhnliche Wege haben mittlerweile auch seine beiden Söhne eingeschlagen: Merlin Sheldrake ist ebenfalls Biologe; er hat sich auf das innovative Feld der Pilzforschung spezialisiert und mit „Verwobenes Leben“ (2021) ein vielbeachtetes Wissenschaftsbuch vorgelegt. Cosmo Sheldrake ist Musiker, der unter anderem mit Vogelstimmen experimentiert und sich künstlerisch für den Artenschutz engagiert. 2021 hat er den schrullig-meditativen Soundtrack für den Neo-Psychedelik-Film „Descending the Mountain“ beigesteuert.
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