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Wiener Medizin-ein Weltbegriff

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Dem wissenschaftlichen Weltruf, den sich die Wiener medizinische Schule errungen hat, werden die ärztlichen Forscher der österreichischen Bundeshauptstadt auch heute gerecht. Es kommt nicht von ungefähr, daß Wien alljährlich eine stattliche Reihe medizinischer Weltkongresse beherbergt. Heuer sind es beispielsweise der Internationale Kongreß für Chemotherapie im Juni, die europäische Krebsforschertagung im Juli, der Internationale Chirurgenkongreß im August, der Kongreß der Internationalen Cardiovascu-lären Gesellschaft im September, die Tagung der deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde ebenfalls im September und die Van-Swieten-Tagung im Oktober. Zu diesen Tagungen werden mehr als 10.000 Fachleute aus aller Welt erwartet.

In den Wiener Spitälern bemüht man sich auch sehr, die technischen Einrichtungen den Anforderungen der neuzeitlichen Medizin anzupassen. In einigen Abteilungen wird sogar an ganz neuen Geräten Pionierarbeit geleistet.

Die aufwendigste medizinische Großanlage, die in letzter Zeit errichtet wurde, steht in der Strahlenabteilung des Krankenhauses Lainz. Es ist das sogenannte Betatron, für das die Stadt Wien rund 8,6 Millionen Schilling aufgewendet hat. Das Gerät zeichnet sich dadurch aus, daß es zwei verschiedene Strahlenarten erzeugen kann, nämlich die Betastrahlen und energiereiche Elektronenstrahlen. Beide finden in der modernen Behandlung von Tumoren und Krebsgeschwülsten Anwendung. Die vom Betatron erzeugte hohe Energiemenge läßt die Strahlen bis in große Tiefen des Körpers eindringen. Die Strahlenenergie kann dabei genau auf einen Punkt im Körper eingestellt werden, so daß man beispielsweise auch Wucherungen in der Bauchspeicheldrüse behandeln kann. Das gesunde Gewebe rund um die erkrankte Stelle wird dabei weitgehend geschont.

Neben dem Betatron werden im Krankenhaus Lainz, aber auch in anderen Wiener Spitälern sogenannte Kobaltkanonen verwendet, die ebenfalls der Geschwulstbehandlung dienen.

Nur wenige Wiener werden wissen, daß sich in ihrer Stadt die älteste Urologische Abteilung der Welt befindet. Bereits 1882 wurde an der Allgemeinen Poliklinik dem damals noch ganz jungen medizinischen Fach der Urologie eine eigene Abteilung gewidmet. Sie ist mit ihren 44 Betten heute relativ' klein, das hier arbeitende Ärzteteam aber hat sich durch seine Behandlungsmethoden und seine Fachpublikationen einen internationalen Ruf erworben. Darum hat eine europäische Großfirma für medizinische Geräte die Urologie an der Wiener Poliklinik als „Musterabteilung“ ausersehen. Sie will die Abteilung auf ihre Kosten mit den modernsten Geräten ausstatten, um sie Ärzten aus anderen Ländern zeigen zu können. In Tätigkeit ist bereits ein Spezialinstrument zur Prostatabehandlung, das es in Europa bislang nur in Kopenhagen gab. Der Apparat, der einen Wert von einer halben Million Schilling darstellt, ermöglicht ein ganz neues Verfahren der Prostata-,vereisung, die in vielen Fällen eine Operation überflüssig macht.

Ferner erhält die Abteilung ein sogenanntes Zystoskop; das ist ein optisches Gerät zur Blasenuntersuchung, das statt optischer Linsen Bündel von feinsten Glasfasern aufweist. Die hier verwendete Methode der Kaltlichtoptik hat sich die Medizin übrigens von der Astronautik abgeguckt. Das Gerät ermöglicht unter anderem, die Harnblase von innen zu photographieren.

Bewundernswerte Leistungen werden auch an der I. Chirurgischen Universitätsklinik erbracht. Hier gibt es die sogenannte Intensivstation, wo die schwersten Verletzungen und Schockzustände nach Unfällen behandelt werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei der „Dialysator“, besser bekannt unter dem Namen „Künstliche Niere“. Dieses Gerät kann eine verletzte Niere so lange ersetzen, bis sie wieder funktionsfähig ist. Auch an der III. Internen Abteilung des Wilhelminenspitals und an der Urologischen Universitätsklinik gibt es solche „Künstliche Nieren“, die außerordentlich kostspielige Apparate sind.

Nicht weniger aufwendig ist die Herz-Lungen-Maschine an der II. Chirurgischen Universitätsklinik, die Operationen am offenen Herzen ermöglicht und schon vielen Kranken das Leben gerettet hat, die noch bis vor kurzem unweigerlich dem Tode verfallen gewesen wären. Die Herz-Lungen-Maschine ermöglicht auch die Einsetzung sogenannter „Schrittmacher“, das sind winzige Apparate im Körperinneren, die den Herzrhythmus normal erhalten.

Für die medizinische Forschung von großer Bedeutung ist das Elektronenmikroskop der II. Medizinischen Universitätsklinik, in dem kleinste Viren sichtbar gemacht werden.

Sensationell sind auch die Erfolge der Frühgeborenenabteilungen des Preyerschen Kinderspitals und der Kinderklinik Glanzing. Hier werden mit modernen Inkubatoren und Brutschränken Frühgeburten am Leben erhalten und großgezogen, wie das bis vor kurzem noch für unmöglich gehalten wurde.

Internationalen Ruf genießt auch die Neurochirurgische Klinik im Allgemeinen Krankenhaus, an der mit elektrochirurgischen Apparaten gearbeitet wird, die Eingriffe in das Gehirn, aber auch in das Rückenmark ermöglichen. Sogenannte Angiographiegeräte verfeinern die Diagnoseerstellung: Unter dem Fernsehschirm werden Kontrastmittel in die Blutgefäße gespritzt, wodurch viele verborgene Geschwüre und andere krankhafte Veränderungen festgestellt werden können.

Das Fernsehen hat der Medizin ganz neue Möglichkeiten erschlossen. Im Wiener Zentralröntgeninstitut und in anderen Röntgenabteilungen arbeitet man schon geraume Zeit mit der Television: Das Röntgenbild wird vergrößert auf einem Fernsehschirm abgebildet, der in einem gesonderten Raum steht. Dadurch werden auch Strahlungsschäden an Röntgenschwestern und -ärzten vermieden.

Andere moderne medizinische Geräte in Wiener Spitälern sind beispielsweise das „Flammenphoto-meter“ für Blutanalysen, atemphysiologische Apparate zur Prüfung der Lungenfunktionen oder die sogenannten Dekubitusbetten, die immer mehr die bisherigen Wasserbetten für schwere Hautverletzungen ersetzen.

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