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Nach André Glucksmann ist Hass der ständige Begleiter des Menschen

Wer hasst ist frei - frei von aller Zurückhaltung, von allen Regeln. Und wer hasst ist auch blind - für alle Unterschiede, für alle Gründe. Wer hasst, braucht nicht zu fragen, nicht zu denken - nur zu handeln, furchtbar zu handeln. Das furchtbare Handeln unserer Gegenwart, die Kriege, Menschenrechtsverletzungen, die Gewalt und alles Unrecht erklären sich für den Pariser Philosophen André Glucksmann durch den Hass: "Grenzenloser Hass geht um die Welt: mal glühend und schonungslos, mal schleichend und kalt. Hartnäckig und verbohrt richtet er in privaten Beziehungen und im öffentlichen Leben Zerstörungen an." Mit dieser Feststellung beginnt Glucksmann sein neues Buch "Hass".

Bei Glucksmann ist der Hass, was er schon bei Freud war: der ständige Begleiter des Menschen, der nur notdürftig von einem brüchigen Firnis Kultur und Sozialisation im Bann gehalten wird. Doch entwickelt der Autor eine sozialphilosophisch interessante These: Hass habe nichts mit dem zu tun, der gehasst wird. Denn im Normalfall, so Glucksmann, kenne der Hassende sein Hassobjekt nicht - zumindest nicht wirklich. Und tatsächlich sind die Amerikaner oder Juden, die weltweit massenhaft gehasst werden, denen völlig unbekannt, die sie hassen. Natürlich, man kennt die Politik von us-Präsident George W. Bush; man weiß etwas über die Besatzungspolitik Israels: mit dem Judenhass oder dem Hass auf die usa habe das meistens aber wenig zu tun, schreibt Glucksmann.

Er findet die Ursache, den Grund für den Hass vielmehr im Hassenden selbst: wer hasst, wer so sehr hasst, dass er alle Bindungen und Beschränkungen abstreifen könne, der habe ein schweres Problem - mit sich selbst. Bei den antiken Tragödiendichtern findet Glucksmann so manche Erklärung für aktuelle politische Probleme: So sei beim Feldzug gegen Troja Ajax in einen Blutrausch geraten, weil Odysseus und nicht er zum Heeresführer ernannt wurde. Gekränkte Eitelkeit also als Auslöser. Und stand nicht auch Osama bin Laden, als er noch in Afghanistan gegen die Rote Armee kämpfte, auf der Gehaltsliste der cia und wurde dann schnöde fallen gelassen?

Vor diesem Hintergrund aber ist nicht so ganz nachzuvollziehen, warum Glucksmann offensive die Außenpolitik der usa verteidigt - und die europäische Idee der Nichteinmischung als "unsinnig" verurteilt. Schließlich seien es die usa, die gegen die Despoten dieser Welt kämpften, während das alte Europa die Augen vor den notwendigen Schritten und auch Schnitten verschließe, so Glucksmann. Eine Blindheit, die sich hierzulande laut Glucksmann zu einer "antiamerikanischen Religion" verfestigt habe.

Was Glucksmann fordert, ist ein engagiertes, auch mit Waffengewalt engagiertes, "Nation-Building". Denn das Schicksal des 21. Jahrhunderts werde sich "in den riesigen Elendsvierteln [entscheiden], die überall wie Pilze aus dem Boden schießen." Das ist aber zu bezweifeln: dass eine lokale Form des waffenbewährten "Nation-Buildings" die richtige Reaktion darstellt ...

Hass - Die Rückkehr

einer elementaren Gewalt

Von André Glucksmann

Verlag Nagel & Kimche, München 2005 286 Seiten, geb., e 20,50

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