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Im Burgenland beginnt die Industrie

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im üungemana ist tue Tendenz aer ÖVP seit dem Jahre 1949 ständig fallend. Ihr Prozentanteil fiel von 52,6 auf 46,6 Prozent. Im gleichen Zeitraum stieg die SPÖ von 40,4 auf 50,3 Prozent.

Diese Ergebnisse sind — weil sie der österreichischen Durchschnitts- entwicklumig widersprechen — ohne Frage strukturell bedingt. Jahrhundertelanger Feudalismus der westungarischen Provinz und ein zähes Kleinbauerntum lassen heulte das Burgenland nicht nur als wirtschaf- liches Schlußlicht Österreichs erscheinen, sondern ermöglichen erst jetzt überhaupt eine Phase der Industrialisierung. Industrialisierung aber bedeutet Tendenz in Richtung auf sozialistische Parteien.

Landeshauptmann Kery personifiziert als SPÖ-Spitzenkandidat schon vom Typ her eher diese neue Tendenz des jüngsten Bundeslandes, während Landesrat Polster schon physiognomisch der Kleinagrarier ist.

Zuwenig Information

Meinungsforschungen haben ergeben, daß der Burgenländer in den Parteien Institutionen sieht, vor denen man Respekt haben muß, und daher zu Verpolitisierung neigt.

Auch die Information über politische Ereignisse kann im Burgenland als ungenügend bezeichnet werden.

Eine Untersuchung für die Burgenländische Arbeiterkammer hat ergeben, daß im Durchschnitt nur 38 Prozent der Burgenländer eine Tageszeitung lesen. Freilich, 59 Prozent der Bewohner unter 25 Jahren lesen täglich eine Zeitung, während dies in der Altersgruppe mit mehr als 65 Jahren nur 24 Prozent tun.

Resümee der Arbeiterkammeruntersuchung:

„Es ergibt sich, daß nur die Industrialisierung des Burgenlandes als aktuelle Frage wirklich allgemein bekannt ist “

In Graz haben die Wahlen der dortigen Stadtparteileitung ein Fiasko bereitet. Die Grazer Volkspartei ließ sich weder von der Landes- noch von der Bundesorganisation der ÖVP beraten oder behilflich sein.

Sie hat aber auch das Dilemma der Volkspartei (das nun schon an der dritten Landeshauptstadt nach Klagenfurt und Salzburg demonstriert wurde) bewiesen: den erschreckenden Mangel an Kommunalpolitikern, die der ÖVP-Nachwuchs scheinbar nicht produzieren kann. Während sich die besten Kräfte der Regierungspartei auf Bundes- und Landespolitik konzentrieren, bleibt auf Gemeindeebene scheinbar nicht einmal mehr ein Rest von Vitalität über.

Die nächsten Prüfungen

Das Jahr 1967 hat, wenn man der Meinungsforschung folgen kann, der ÖVP nicht gerade Sympathien eingebracht.

War noah im Frühjahr 1967 die Unzufriedenheit mit der Alleinregierung nicht allzu groß, passierte im Frühsommer 1967 ein arger Einbruch, der die ÖVP im letzten Herbst und in diesem Frühjahr in eine Talsohle führte. Im Frühsommer 1967 zerstörte das italienische Veto gegen die EWG-Assoziation das außenpolitische Ziel der Regierung, brachten Steuer- und Wohnungsgesetze Unruhe in die Bevölkerung, wurden die Kfz-Haftpflicht und die Rund funkgebühren erhöht, erfolgten erste Entlassungen in mehreren Betrieben und las man fast täglich Krisenmeldungen von der internationalen Konjunkturverflachung und von Einnahmeausfällen. Im Sommer kam zu dieser Häufung an Unpopularität noch die innerparteiliche Auseinandersetzung um die Budgetstruktur, deren Höhepunkt ein öffentliches Duell des ÖVP-Finanzministers mit den schwarzen Agrariern war.

Steuer klar!

So kann man rückschauend auf diesen Abschnitt nun feststellen, daß die ÖVP unglaubwürdig in der Handhabung des Steuerrades war und das Staatsschiff mit sieben Millionen Österreichern an Bord nicht recht wußte, wohin Kapitän, Steuermann und Matrosen eigentlich segeln wollten.

Die Regierungsumbildung und die Verabschiedung der Budgetgrundsätze für den nächstjährigen Staatshaushalt schon im Frühjahr dieses Jahres lassen erkennen, daß man jetzt weiß, wohin das Staatsschiff segelt.

Neue Opfer — glaubhaft machen!

Auch Belastungen wie etwa die neuen großen Steueropfer, die man von der Öffentlichkeit verlangt, werden der Volkspartei solange nicht allzuviel schaden, als sie deren Berechtigung glaubhaft machen kann.

Außer den Gemeinderatswahlen in Innsbruck stehen den Parteien in diesem Jahr keine Prüfungen mehr ins Haus.

Erst zu Beginn 1969 wählen (außer den Studenten) die Bewohner Salzburgs ihren Landtag. Die große Probe kommt erst im Herbst 1969, wenn Wien, Niederösterreich und Vorarlberg ihren Landtag bestimmen.

Da spätestens am 1. März 1970 Nationalratswahlen sind, muß man sich vor einem permanenten Wahlkampf ab dem Sommer 1969 fürchten. Es wäre überdies durchaus möglich, daß die Nationalratswahlen vorgezogen werden könnten, obwohl die Volkspartei ihre Legislaturperiode sicherlich bis zum letzten Tag ausnützen will.

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