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Schulstreit - was steckt dahinter?
Jedes Jahr zum Schulschluß, wenn schlechte Noten Anlaß zu familiären Auseinandersetzungen geben (1993 wurden 50 Selbstmordversuche registriert, sieben haben zum Tod geführt), wird wieder die Frage aufgeworfen, wie gerecht die Leistungsbeurteilung durch Noten sei. Als Alternativen werden eine verbale Beurteilung gefordert oder neuerdings eine „direkte Leistungsvorlage' (so der oberösterreichische Pädagoge Rupert Vieriinger, der derzeit in Passau lehrt), nach der nicht mehr Zeugnisse für Inskription oder Anstellung vorzulegen wären, sondern „Arbeitsmappen", die die jeweiligen Fähigkeiten erkennen lassen. Ob solche Systeme gerechter sind und den Kern des Problems überhaupt treffen?
Hängt die Angst der Schüler vor schlechten Noten vom System ab, oder nicht eher von der Art der Erziehung? Man müßte Jugendlichen wieder mehr Mut zur Leistung machen, sie erleben lassen, wie Leistung glücklich machen kann, daß davor aber Anstrengung und Durchhaltevermögen stehen. Das ist keine „Disziplinierung" für möglichst angepaßte Schüler, sondern Schule für das rechte Engagement im Leben.
Dann sollte man Jugendlichen helfen, auch mit Schwierigkeiten fertig zu werden. Viele wachsen heute im Bewußtsein auf, man könne alles haben, was man möchte, hätte sogar ein Recht darauf. Schülerselbstmorde sind ein alarmierendes Zeichen, wie gering die. seelische Belastbarkeit eines jungen Menschen ist. Wer nicht schon in der Schule Mißerfolge zu deuten und zu ertragen lernt, wird im Leben sehr bald kläglich scheitern.
Vor allem aber müßten Jugendliche in Schule und Familie Vertrauen erleben, das man in sie setzt. Wo sie einem Lehrer vertrauen, werden sie sich auch bei aller nötigen Strenge gerecht behandelt fühlen. Wo eine Vertrauensbasis zu den Eltern da ist, wird es keine unerwarteten „Familiendramen" geben. Die Schulbehörde will die Zeit für Hausaufgaben kürzen, um der Begegnung in der Familie mehr Zeit zu geben. Wer aber nimmt sich dann mehr Zeit für das Kind? Bleibt wieder nur der Fernseh-schirm, das Fernsehspiel als „Partner"?
Zum Schulschluß werden nicht nur Schülern Zeugnisse ausgestellt, sondern auch Lehrern, Eltern, der Gesellschaft insgesamt. Nach welchen Werten wurde im letzten Schuljahr erzogen? Und was ist man den Jugendlichen da wie dort schuldig geblieben?
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