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Markus Hinterhäuser über die Schwerpunkte der heurigen Salzburger Festspiele, Fragen der Programmierung, Starkult, Publikum und seine Bestellung zum Chef der Wiener Festwochen.

Eher durch Zufall ist der Pianist Markus Hinterhäuser zu den Salzburger Festspielen gekommen. Jetzt ist er ihr Intendant. Er bildet damit die Klammer zwischen Jürgen Flimm und Alexander Pereira, der ab Herbst von Zürich nach Salzburg wechselt. Wie schon als Konzertdirektor wartet Hinterhäuser auch in seiner neuen Aufgabe mit zahlreichen unkonventionellen Programmen auf. Zur offensichtlichen Freude des Publikums, denn noch nie wurden die Salzburger Festspiele so gestürmt wie diesen Sommer.

Die Furche: Herr Intendant, als Motto der kommenden Salzburger Festspiele steht ein Satz von Luigi Nono. Wohl kein Zufall?

Markus Hinterhäuser: Das ist kein Zufall. Nono ist ein Komponist, eine Denkart, die immer wichtig für mich war. Ich glaube, dass er mittlerweile auch für die Salzburger Festspiele einen hohen Grad von Identifikation gefunden hat. Es gibt keine Stadt auf der Welt, die sich so intensiv um das Werk von Nono gekümmert hat. In der Kollegenkirche wurde fast sein ganzes Werk aufgeführt, bis auf die Oper "Intolleranza“. Wir hatten gemeinsam mit Jürgen Flimm immer Motti gehabt. Ich musste ein Motto für ein Programm finden, das in einer gewissen Weise heterogen ist, weil es nicht allein von mir geplant wurde, denn ich habe auch Konstellationen übernommen, die Jürgen Flimm geplant hat. Das Motto sollte stark sein und eine gewisse Allgemeinheit haben im Sinne eines Aufrufs: Worum geht es, wenn wir uns mit Kunst beschäftigen? Um Offenheit, um Denken, ein Aufruf, Augen und Ohren zu öffnen, Dinge zu sich zu lassen, die vielleicht auch verstörend sind, die im Moment schwieriger erscheinen, als sie sind.

Die Furche: Begonnen hat Ihre Beziehung zu den Salzburger Festspielen mit Nonos "Prometeo“. Wie ist es dazu gekommen?

Hinterhäuser: Das war 1993. Thomas Zierhofer und ich waren damals von der Idee fasziniert, die Welt zu verändern. Luigi Nono war eine dieser Figuren, die uns beschäftigt haben. Wir hatten beide noch nie etwas organisiert, wollten aber unbedingt "Prometeo“ machen, das ist das Stück der Stücke, wovon ich nach wie vor überzeugt bin. Wir wollten es in Salzburg machen und zusammen mit den Festspielen. Wir haben einen Brief an Hans Landesmann, damals Konzertchef und kaufmännischer Direktor, und Claudio Abbado geschrieben, sie auch getroffen. Zuerst bekamen wir einen Absagebrief, ein paar Monate später aber bekam das Ganze Dynamik und wir waren plötzlich in den Heiligen Hallen des Festspiels. Es hat sich als richtig herausgestellt, es war ein historisch wichtiger Moment, wo man etwas machen konnte, es war diese Post-Karajan-Zeit. So entstand dieses "Zeitfluss“-Festival. Im Rückblick betrachtet war es eine Weltsensation, auch in der medialen Annahme. Le Monde hat darüber auf der Titelseite berichtet. Diesen Sommer, 18 Jahre später, mache ich "Prometeo“ noch einmal, das hat schon einen hohen Grad an Sentimentalität.

Die Furche: In den von Ihnen konzipierten Konzertprogrammen der vergangenen vier Jahre gab es immer wieder Querverbindungen. Finden sich diese heuer auch zwischen dem Konzert- und dem Musiktheaterprogramm?

Hinterhäuser: Es gibt sie, es wäre aber dichter geworden, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, mit einem größeren zeitlichen Vorlauf Konzerte und Musiktheater zu planen. Für Oper ist der Vorlauf drei Jahre, hier hatte ich gerade die Hälfte der Zeit. Im Konzert gibt es außerordentlich viele Verflechtungen, wie den Zyklus Mahler-Szenen. In den Kammerkonzerten und den großen Orchesterkonzerten finden sich immer wieder Spiegelungen zu den Mahler-Szenen. Es gibt den fünften Kontinent, der eine Summe der letzten vier Kontinente ist. Begonnen haben wir mit Scelsi, dann folgten Sciarrino, Varèse, im Vorjahr Rihm. Eröffnet wird dieser fünfte Kontinent mit dem "Prometeo“, die zweite Veranstaltung ist auch ein "Macbeth“, nämlich von Sciarrino, und zwar einen Tag nach der Premiere des Verdi’schen "Macbeth“. Das ist ein Privileg von Salzburg, dass man an aufeinanderfolgenden Tagen die Möglichkeit hat, die Lesarten zweier prominenter Komponisten zum selben Thema zu hören und zu sehen. Man darf aber einen solchen programmatischen Bogen nicht überspannen, denn die Festspiele dauern fünf Wochen, haben 180 Veranstaltungen und eine extrem hohe Publikumsfluktuation. Die 220.000 Karten, die wir in dieser Zeit anbieten, bedeuten einen ständigen Wechsel von Publikum.

Die Furche: Bei allem programmatischen Denken, auch die Salzburger Festspiele können sich vom Starkult nicht völlig lösen. Wie kann trotzdem das Publikum für kleinere Formate - ich denke hier an Kammerkonzerte, Liederabende - begeistert werden?

Hinterhäuser: Dass Musiker zu Stars werden, ist kein Zufall, sie sind meistens sehr, sehr gut. Man sollte hier keine künstliche Abwehrhaltung aufbauen. Kammerkonzert und Liederabend sind Genres, die mir persönlich sehr am Herzen liegen, es sind Gattungen, die einen besondern Schutz, eine besondere Zuwendung brauchen. Ich habe mich hier um sehr spezifische Konstellationen bemüht, und tatsächlich erlebt man in diesen vermeintlich kleinen Formaten immer wieder wahre Wunder.

Die Furche: Das Festspielpublikum wird gerne als konservativ beschrieben - hat sich dieses Klischee nicht längst überlebt?

Hinterhäuser: Als künstlerisch Verantwortlicher, als Einladender ist es nicht meine Aufgabe, das Publikum zu beurteilen und ständig zu klassifizieren. Ich bin froh über Menschen, die der Einladung folgen, die Wesentliches ihres Lebens hergeben, nämlich ihre Zeit, um nach Salzburg zu kommen. Grundsätzlich sollte man mit diesen ewig wiederholten Klischees vorsichtiger werden. Man braucht nur ein Programmheft der Salzburger Festspiele der letzten Jahrzehnte aufschlagen: Es hat sich so viel geändert, wir sind so weit entfernt von der Situation der 60er-, 70er-, 80er-Jahre, was Bandbreite der Veranstaltungen, Spielorte, Zugänglichkeit der Festspiele betrifft.

Die Furche: Zu den Sommerfestspielen gehören auch die Pfingstfestspiele, auch hier steht ein Finale bevor - Ihre Bilanz?

Hinterhäuser: Muti und die Präsentation der Neapolitanischen Schule - das sind fünf Jahre, die sehr thematisch gebunden waren. Vielleicht braucht es noch ein bisschen Zeit, um dies wirklich beurteilen zu können: dass es eine sehr bereichernde Unternehmung und fünf sehr gelungene Jahre waren.

Die Furche: Vor Kurzem wurden Sie zum Intendanten der Wiener Festwochen ab 2014 designiert. Wie überraschend kam diese Bestellung für Sie?

Hinterhäuser: Überrascht worden bin ich nicht, denn das Leitungsmodell ist das Resultat vieler sehr intensiver und differenzierter Gespräche und Verhandlungen.

Die Furche: Was wollen Sie in Wien verwirklichen?

Hinterhäuser: Die Wiener Festwochen sind eines der großen internationalen Festivals. Diese Strahlkraft nach außen wie nach innen noch zu stärken, die Identifikation mit der Stadt Wien durch eine erhöhte Kraftanstrengung hinsichtlich Produktionen, die in Wien ihren Geburtsort haben, also Eigenproduktionen, zu vermehren, das steht ganz oben auf meinem Wunschzettel.

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