„Kunst finanziert Kunst“

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Der Bregenzer Festspielpräsident über sein Festival, Programmpolitik, Finanzen typische Gäste, Theater und mangelnde Präsenz der Kulturrepräsentanten.

Günter Rhomberg erklärt den schwierigen Spagat zwischen „mutiger“ Programmierung und ökonomischen Gegebenheiten. Das gilt nicht nur für die Bregenzer Festspiele, sondern generell für die „Kulturnation Österreich“: „Wir müssen Neues schaffen, leben aber vom Alten.“

DIE FURCHE: Herr Präsident Rhomberg, erstmals steht in Bregenz Verdis „Aida“ auf dem Programm, will man damit Verona Konkurrenz machen?

Günter Rhomberg: Das glaube ich nicht. Wir bringen zum ersten Mal in 64 Jahren „Aida“. Dieses Werk stand bei uns immer im Fokus. Der frühere Intendant Wopmann hat nach künstlerischen Lösungen gesucht, die dem Bregenzer Konzept der Erneuerung von Opernwerken entsprechen, glaubte aber, sie nicht gefunden zu haben. David Pountney hat sich jetzt darüber getraut. Ich hatte dazu ein zwiespältiges Verhältnis, nicht wegen des Werks, sondern weil wir es als „Reserveatout“ in der Tasche halten wollten, wenn es uns finanziell schlecht geht. Wir sind zu einem Zeitpunkt zu „Aida“ gestoßen, wo wir recht solide dastehen, wir brauchen es nicht aus Geldgründen, freuen uns aber, dass der Verkauf ausgezeichnet geht.

DIE FURCHE: „Sinn und Sinnlichkeit“ ist heuer das Generalthema der Festspiele, ein Signal in einer Zeit, in der Ressourcen knapp sind?

Rhomberg: Die großen Übertitel über Festspiele kann man unterschiedlich beurteilen. Pountney ist dieses Jahr zu diesem Begriffspaar gekommen, er hat es relativ konsequent in seiner Programmatik verwendet. Die Sinnlichkeit bei Verdis „Aida“ steht außer Streit, Szymanowskis „König Roger“ ist eine interessante Auseinandersetzung zwischen dem dionysischen und apollinischen Prinzip. Das Generalthema setzt sich auch in den Konzerten fort. Hier bin ich mit Pountney deswegen nicht immer einer Meinung, weil wir meiner Ansicht nach das Publikum mit der Programmatik fast überfordern. Künstlerisch ist das Konzept verständlich: Pountney geht immer auf die Komponisten ein, die bei uns Rarität bedeuten. Diesen Sommer Karol Szymanowski, was er mit dem zweiten Akt von Wagners „Tristan“ versüßt.

DIE FURCHE: Bei der Programmpressekonferenz sagten sie, Mut hat seine Grenzen. Ein Szymanowski-Schwerpunkt ist nicht mutig?

Rhomberg: Schon, aber wir müssen akzeptieren, dass wir ein relativ kleiner Festspielort weit weg von Wien sind. Das ist ein Teil unseres Problems mit den Risken. Wir machen sehr interessante Programme, in „Kunst aus der Zeit“ finden sich fast nur Erstaufführungen und Eigenproduktionen, die sich eher an ein urbanes Publikum wenden. Bei den Konzerten höre ich immer wieder, dass die Programme schwierig seien. Das muss man verstehen, denn außer den Konzerten des Symphonieorchesters Vorarlberg und einem Gastspiel der Wiener Symphoniker im Jänner gibt es das Jahr über kaum etwas. Wir müssen uns anstrengen, die Ideen auch zu vermitteln, denn irgendwo hört der Mut auf, wenn wir mit den Einnahmen und Zuschauerzahlen permanent zurückgehen. Wir können uns das im Moment leisten, weil wir durch die große Zuschauerzahl, die zum Spiel am See kommt und sehr treu ist, Überschüsse in den Bereich des Risikos nehmen können. Deshalb sagen wir immer: Kunst finanziert Kunst.

DIE FURCHE: Welches Budget steht den Bregenzer Festspielen zur Verfügung, wie hoch ist der Anteil der öffentlichen Hand, wie viel muss eingespielt werden?

Rhomberg: Dieses Jahr wird es bei ungefähr 24 Millionen Euro liegen. Der Anteil der öffentlichen Hand beträgt 25 Prozent, 75 Prozent müssen wir einspielen. Das heißt, wir spielen 70 Prozent ein, die restlichen 5 Prozent kommen über Spenden, Sponsoren und Zuschüsse der Freunde. Die 5,5 Millionen von Bund, Land Vorarlberg und Stadt Bregenz gesamthaft fließen seit 1979, damit haben wir eine Subventionskürzung von 30 Prozent verkraftet.

DIE FURCHE: Gibt es Untersuchungen über den typischen Bregenzer Festspielgast?

Rhomberg: Wir sind atypisch in der Besucherstruktur für Leute, die Oper besuchen. Wir, damit meine ich die Programme und deren Umsetzung durch Wopmann und Pountney, haben es geschafft, dass immer mehr Leute diese Schwellenangst vor der Oper verloren haben. Es gab auch die Entwicklung mit der Operette und dem Musical, schon 1981 haben wir „West Side Story“ gemacht. Unterstützt wurde das durch die Preispolitik. 60 Prozent der Besucher kommen aus dem angrenzenden deutschen Raum, 25 Prozent sind Österreicher, 10 Prozent Schweizer, der Rest ist international. Nur zu einem geringen Teil handelt es sich um Opernfreaks, die auch am kritischsten reagieren, wenn man „Fidelio“ mit Einfamilienhäusern macht. Wir stellen uns diesen Diskussionen. 80 Prozent der Besucher kommen wieder. Eine große Rolle spielt das interne Team. Die Eigenentwicklungen in der Licht- und Tontechnik haben dazu geführt, dass wir mit Hochschulen arbeiten, die sich bei uns Know-how holen. Wir bringen in zwei Jahren 250.000 Menschen in eine Oper, die Wiener Staatsoper müsste 25 Jahre spielen, bis sie die gleiche Zahl hat. Das Spiel am See ist eine eigene Sparte geworden.

DIE FURCHE: Zu den diesjährigen Theaterproduktionen zählt ein Gastspiel des Theaters an der Josefstadt mit der Heinrich Mann-Dramatisierung „Lola – Der blaue Engel“. Haben Sie als Vorsitzender des Stiftungsvorstands dabei mitgewirkt?

Rhomberg: Schon als Student war ich mehr auf der Theater- als der Musiktheaterseite zu Hause und habe darunter gelitten, dass das Theaterprogramm am Schluss kam. Das hatte mehrere Gründe, vor allem finanzielle, da sich Bregenz mehr in Richtung Musiktheater entwickelte. Man hat Produktionen eingekauft, es gab keine Eigenproduktionen. Anders in den 1950er bis 1970er Jahren, da gab es viele Burgtheaterpremieren in Bregenz, die im September nach Wien gegangen sind. Auch Volkstheater und Josefstadt waren da. Unter Wopmann wurde weniger mit Wien gearbeitet, es kam zu einer Zusammenarbeit mit Khuon, den wir von Konstanz kannten, auch mit dem Berliner Schillertheater. Ich habe dieses Gastspiel nicht initiiert, freue mich aber, zuletzt war die Josefstadt Anfang der 1980er Jahre in Bregenz.

DIE FURCHE: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten zeigt sich, was man von Schlagworten halten kann. Wie steht es um die Kulturnation Österreich?

Rhomberg: Es hat nicht unbedingt mit dem Geld zu tun. Aus meiner Sicht wird in Österreich – das ist durch die Struktur des Landes mit der ganzen Tradition bedingt – relativ viel Geld ausgegeben, aber leider in die traditionellen Bereiche, die natürlich die Umwegrentabilität bringen. Die Präsenz der für die Kulturpolitik maßgebenden Damen und Herren ist viel zu schwach. Künstler und im Kunstbereich Tätige sollten mehr Wertschätzung erfahren. Wie sollen junge Menschen den Wert der Kultur erkennen, wenn man nicht immer wieder sagt, was man damit will? Wir müssen Neues schaffen, leben aber vom Investment des früher Gemachten. Man müsste fundamentalere Repräsentanten im öffentlichen Bereich haben, die das immer wieder im Gespräch halten, ermuntern und mehr Begeisterung auslösen.

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