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Zum Überleben zuwenig

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Lange hat es so ausgesehen, als müßten die durch eingefrorene Subventionen in den letzten Jahren in arge Finanznöte geratenen Bregenzer Festspiele ausgerechnet zum Jubiläum ihres vierzigjährigen Bestehens 1986 mit einem auf das Notwendigste reduzierten Sparprogramm auskommen. Durch ein Zugeständnis der Sub-ventior^sgeber Bund, Land Vorarlberg und Stadt Bregenz, das dem Festival durch optisch elegant gelöste Budget-Umschichtungen ab heuer vier Millionen Schilling pro Jahr mehr an Geld-

mittein sichert, konnte die bereits angedrohte Streichung einer Schauspielproduktion (mit dem Wiener Burgtheater) unddesRah-menprogramms für 1986 rückgängig gemacht werden, auch die für 1987 zunächst in Frage gestellte große Opernaufführung im Festspielhaus ist damit gerettet.

Mit vorsichtigem Optimismus beurteilt der für den künstlerischen Bereich zuständige Festspieldirektor Alfred Wopmann gegenüber der FURCHE diese Entwicklung, die zumindest die „große Katastrophe eines gekürzten Programms ausgerechnet im Jubiläumsjahr“ abwende. Wie lange sich durch diese Lösung angesichts weiter steigender Kosten die Probleme im Griff halten ließen, solle in nächster Zeit in den zuständigen Gremien anhand eines von den Festspielen erstellten Fünf jahresplanes geklärt werden.

So rasch wird man eine Finanzkrise, wie sie sich in Bregenz seit Jahren abzeichnete, eben nicht los. Und das besondere Paradoxon, daß nämlich die Bregenzer Festspiele ausgerechnet 1985, im Jahr mit den höchsten Besucherzahlen (115.000) und dem größten Einspielergebnis (57 Prozent), das es je hier gab, in die tief streichenden Finanznöte ihrer vierzigjährigen Geschichte geschlittert sind, ist nur scheinbar. Gerade in diesem Jahr wurde das Grundproblem der Finanzierung dieser Festspiele deutlich bemerkbar: zu viel zum Sterben, aber zu wenig zum Uberleben.

Die Vorgeschichte dieses Fast-Debakels reicht einige Jahre zurück in jene Zeit, in der der Rechnungshof in Bregenz mit angestammten Privilegien und manchen Großzügigkeiten aufräumte und damit die von vielerlei Sturmwellen begleitete Wachablöse in der Führung des Festivals auslöste. Der Schreck über den

Vorwurf zu geringer Kontrolle und damit nachgewiesener Verschwendung von Steuergeldern saß allerdings den Subventionsgebern seither offenbar so tief in den Knochen, daß sie auch der neuen Mannschaft mit eisigem Mißtrauen begegneten. Nach der Kritik des Rechnungs-

- hofes 1981 wurden die Subventionen für den Spielbetrieb nicht mehr im Ausmaß der Kostensteigerungen angehoben, mehrfach sogar eingefroren (1982,1984,1986)

— was für die Festspiele in den Jahren von 1981 bis 1986 einen Subventionsverlust von 15,5 Millionen Schilling und für das Budget 1986 ein Manko von 4,3 Millionen Schilling bedeutete.

Angesichts solcher Kürzungen hätte der finanzielle Aushungerungsprozeß der Festspiele eigentlich schon viel früher zum Zusammenbruch führen müssen, wäre dem die neue Führung mit ihrem neuen kaufmännischen Direktor Franz Salzmann nicht mit eisernem Sparwillen und Durchhaltevermögen begegnet.

Es gab straffe Reorganisationen in allen Bereichen, die Gagen wurden so niedrig wie möglich gehalten, und vor allem ist es gelungen, durch ein attraktives Programm und durch Preissteigerungen die Eigeneinnahmen zwischen 1979 und 1985 zu vervierfachen. Nur ist auch an diesem Punkt, ebenso wie hinsichtlich der Eintrittspreise nunmehr der Plafond erreicht: Mehr als die für die großen Produktionen 1984 und 1985 erzielte fast hundertprozentige Auslastung kann nicht bewirkt werden.

Das Finanzproblem der Bregenzer Festspiele ist auch eines des Festspielhauses, das einer unabhängig agierenden Betriebsgesellschaft anvertraut wurde. Diese bangt nun, da das Kulturbudget der Stadt Bregenz gekürzt worden ist, um die Auslastung des Hauses während des Jahres und weicht immer mehr auf Teppichausstellungen, Tierschauen und ähnliches aus — andererseits müssen die Festspiele aufgrund des geltenden Betriebsvertrages nahezu drei Viertel der Jahresf ix-kosten des Hauses übernehmen, obwohl sie dieses nur während der Festspielzeit, etwa drei Monate hindurch, nutzen. Dieses Geld fehlt, wenn es darum geht, ein anspruchsvolles Programm zu verwirklichen.

Hier setzte nun auch die von den Subventionsgebern vereinbarte Lösung an, die Ende Jänner in Wien nach längerem politischem Hickhack um Prestige-Standpunkte zustande kam: Bund

und Land übernehmen heuer drei Millionen Schilling an bisher von den Festspielen getragenen Bau-und Investitionskosten, eine weitere Million steuert das Land Vorarlberg aus dem Topf der Bedarfszuweisung über die Stadt Bregenz bei. Damit soll unterstrichen werden, daß über diese Zuweisungen alle Gemeinden des Landes mithelfen, die Kosten für das Festival zu tragen.

Ein eigenes Festspielgesetz nach dem Muster von Salzburg war dabei ebenso abgelehnt worden wie die Einführung eines „Fernsehschillings“ für die Kulturförderung in Vorarlberg, wo man im Unterschied zu anderen Bundesländern von dieser Maßnahme bisher verschont geblieben ist. Und obwohl die Festspiele in einer eigenen Studie nachgewiesen haben, daß regelmäßig das 2,2-fache Volumen ihrer Subventionsgelder in Form von Steuern im Wege der sogenannten „Umwegrentabilität“ an den Spender, also an die öffentliche Hand zurückfließt, wollte man davon absehen, die am meisten davon profitierende Fremdenverkehrswirtschaft für die Rettung des Festivals zur Kasse zu bitten.

Als wahre Freunde in der Not haben sich die Wiener Symphoniker erwiesen — bekanntlich seit den Anfängen 1946 das Festspielorchester in Bregenz und durch die Möglichkeit, hier einmal im Jahr auch Oper zu spielen, weiter sehr an einer Zusammenarbeit mit Bregenz interessiert. Sie werden eine Vorstellung der heurigen Wiederaufnahme von Savarys sensationeller „Zauberflöte“-Produktion auf der Seebühne gratis spielen.

Der Vorverkaufsstand von rund 80 Prozent der Karten für dieses Spektakel übertrifft momentan wieder einmal alle Vorjahresrekorde, ebenso das Interesse für die heuer geplante Fortführung der Reihe großer, wenig bekannter Belcanto-Opern in hervorragender Besetzung („Anna Bole-na“ von Donizetti mit Katia Ric-ciarelli und Francisco Araiza in den Hauptpartien).

Die ärgsten Sorgen sind in Bregenz zumindest vorübergehend überwunden. Festspielpräsident Günther Rhomberg kann seinen bereits angekündigten Rücktritt für den Fall, daß keine Subventionslösung gefunden wird, getrost auf die nächste Finanzkrise verschieben.

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